Bandenkrieg in der Urlaubsidylle
Zwei Mafiaclans in Apulien haben dieses Jahr bereits 17 Menschen ermordet
ROM - Die Idylle hat Schlagseite, nicht weit vom Urlaubsgebiet im Gargano. Gleich vier Tote gab es am Mittwoch. Alle wurden aus dem Hinterhalt erschossen. Zwei Bauern, zwei Brüder wurden ermordet, weil sie gesehen hatten, wie Mafiakiller mordeten. Sie waren Zeugen des Geschehens und wurden deshalb ebenfalls beseitigt. Die malerische Halbinsel in der südlichen Region Apulien bietet schöne Ortschaften und ideale Strände für Familienurlaube. Und sie ist Mafialand. Der vierfache Mord auf den Feldern bei San Marco in Lamis, nicht weit von der Kleinstadt Foggia entfernt, erinnert daran.
Die Killer hatten ein Ziel. Die Ermordung von Mario Luciano Romiti. Der Boss steht einem Clan vor, der sich vor rund 30 Jahren mit einer anderen kriminellen Familie, den Li Bergolis, zerstritten hatte. Damals ging es noch um Viehraub. Heute wird um die Vormachtstellung im Drogen- und Menschen-, im Waffenund Markenkopienhandel gekämpft. Zwei Clans im Krieg. Ein Krieg, der in diesem Jahr bereits 17 Menschenleben gefordert hat.
Süditalien und die organisierte Kriminalität. Die Cosa Nostra auf der Insel Sizilien ist im Ausland ebenso bekannt wie die Mafia Kalabriens, N’drangheta genannt, und die Camorra im Großraum Neapel. Dass es auch in Apulien eine organisierte Kriminalität gibt, wissen nur wenige. Dabei ist die Santa Corona Unità eine ebenso mächtige Organisation geworden wie ihre Schwesterorganisationen im übrigen Süditalien.
Zusammen mit Boss Romiti wurde auch dessen Schwager Matteo de Palma erschossen. De Palma fuhr den Wagen Romitis. Der Wagen mit den Leichen wurde von der Polizei auf einem Feld entdeckt. Das Feld der beiden ermordeten Bauern Aurelio und Luigi Luciani.
In nur zwei Jahren starben im Kampf der beiden Mafiaclans im Großraum Gargano 29 Menschen. Zu spektakulären Mordaktionen kam es in Urlaubsorten wie Vieste an der Ostküste der Halbinsel, in Vico del Gargano und San Nicandro Garganico an der Nordküste, im Süden bei Monte Sant’Angelo. Am 3. April 2016 fielen sogar tödliche Schüsse in San Giovanni Rotondo, wo der von Katholiken hoch verehrte Heilige Padre Pio begraben ist und jährlich Tausende von Gläubigen anzieht.
Jeder versuchte und realisierte Mafiamord sorgt für Angst und Schrecken. „In diesem Jahr fielen die Buchungen für die Sommermonate im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent“, klagt Gennaro de Santis aus Vieste. „Unsere apulische Mafia“, meint Piernicola Silvis, Polizeipräfekt von Foggia, „wurde zu lange von den staatlichen Behörden nicht ernst genommen“. Rosy Bindi, Präsidentin der parlamentarischen AntimafiaKommission, bestätigte am Donnerstag, dass „der Staat zu sehr und zu lange auf die organisierte Kriminalität in Sizilien, Kalabrien und Neapel fixiert war“. Man habe „die Santa Corona Unità unterschätzt“.
Das rächt sich jetzt. Fast ungestört durch staatliche Institutionen wurde die Santa Corona Unità zu einer in ganz Apulien verbreiteten Organisa- tion, die in Politik und Wirtschaft bestens verankert ist. „Der Staat hat zu lange in dieser Mafia nur eine Art Kleinkriminellenphänomen gesehen“, erklärt der in Rom an der Universität Roma Tre lehrende MafiaSoziologe Enzo Ciconte. „Wäre die Santa Corona Unità gleich von Anfang an als mafiöse Organisation eingestuft worden, hätte man ihren Einfluss begrenzen können“. Jetzt „kontrolliert sie weite Gebiete Apuliens“.
Mit Folgen auch für den Tourismus. Noch sind die vor allem von ausländischen Touristen frequentierten Gegenden bei Alberobello mit ihren pittoresken Trullis sowie der Salento, ganz im Süden Apuliens, von Mafiamorden verschont geblieben. Das könnte sich ändern. Der Krieg der Clans, befürchtet Ciconte, „bedroht auch diese apulische Idylle“.