Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bandenkrie­g in der Urlaubsidy­lle

Zwei Mafiaclans in Apulien haben dieses Jahr bereits 17 Menschen ermordet

- Von Thomas Migge

ROM - Die Idylle hat Schlagseit­e, nicht weit vom Urlaubsgeb­iet im Gargano. Gleich vier Tote gab es am Mittwoch. Alle wurden aus dem Hinterhalt erschossen. Zwei Bauern, zwei Brüder wurden ermordet, weil sie gesehen hatten, wie Mafiakille­r mordeten. Sie waren Zeugen des Geschehens und wurden deshalb ebenfalls beseitigt. Die malerische Halbinsel in der südlichen Region Apulien bietet schöne Ortschafte­n und ideale Strände für Familienur­laube. Und sie ist Mafialand. Der vierfache Mord auf den Feldern bei San Marco in Lamis, nicht weit von der Kleinstadt Foggia entfernt, erinnert daran.

Die Killer hatten ein Ziel. Die Ermordung von Mario Luciano Romiti. Der Boss steht einem Clan vor, der sich vor rund 30 Jahren mit einer anderen kriminelle­n Familie, den Li Bergolis, zerstritte­n hatte. Damals ging es noch um Viehraub. Heute wird um die Vormachtst­ellung im Drogen- und Menschen-, im Waffenund Markenkopi­enhandel gekämpft. Zwei Clans im Krieg. Ein Krieg, der in diesem Jahr bereits 17 Menschenle­ben gefordert hat.

Süditalien und die organisier­te Kriminalit­ät. Die Cosa Nostra auf der Insel Sizilien ist im Ausland ebenso bekannt wie die Mafia Kalabriens, N’drangheta genannt, und die Camorra im Großraum Neapel. Dass es auch in Apulien eine organisier­te Kriminalit­ät gibt, wissen nur wenige. Dabei ist die Santa Corona Unità eine ebenso mächtige Organisati­on geworden wie ihre Schwestero­rganisatio­nen im übrigen Süditalien.

Zusammen mit Boss Romiti wurde auch dessen Schwager Matteo de Palma erschossen. De Palma fuhr den Wagen Romitis. Der Wagen mit den Leichen wurde von der Polizei auf einem Feld entdeckt. Das Feld der beiden ermordeten Bauern Aurelio und Luigi Luciani.

In nur zwei Jahren starben im Kampf der beiden Mafiaclans im Großraum Gargano 29 Menschen. Zu spektakulä­ren Mordaktion­en kam es in Urlaubsort­en wie Vieste an der Ostküste der Halbinsel, in Vico del Gargano und San Nicandro Garganico an der Nordküste, im Süden bei Monte Sant’Angelo. Am 3. April 2016 fielen sogar tödliche Schüsse in San Giovanni Rotondo, wo der von Katholiken hoch verehrte Heilige Padre Pio begraben ist und jährlich Tausende von Gläubigen anzieht.

Jeder versuchte und realisiert­e Mafiamord sorgt für Angst und Schrecken. „In diesem Jahr fielen die Buchungen für die Sommermona­te im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent“, klagt Gennaro de Santis aus Vieste. „Unsere apulische Mafia“, meint Piernicola Silvis, Polizeiprä­fekt von Foggia, „wurde zu lange von den staatliche­n Behörden nicht ernst genommen“. Rosy Bindi, Präsidenti­n der parlamenta­rischen AntimafiaK­ommission, bestätigte am Donnerstag, dass „der Staat zu sehr und zu lange auf die organisier­te Kriminalit­ät in Sizilien, Kalabrien und Neapel fixiert war“. Man habe „die Santa Corona Unità unterschät­zt“.

Das rächt sich jetzt. Fast ungestört durch staatliche Institutio­nen wurde die Santa Corona Unità zu einer in ganz Apulien verbreitet­en Organisa- tion, die in Politik und Wirtschaft bestens verankert ist. „Der Staat hat zu lange in dieser Mafia nur eine Art Kleinkrimi­nellenphän­omen gesehen“, erklärt der in Rom an der Universitä­t Roma Tre lehrende MafiaSozio­loge Enzo Ciconte. „Wäre die Santa Corona Unità gleich von Anfang an als mafiöse Organisati­on eingestuft worden, hätte man ihren Einfluss begrenzen können“. Jetzt „kontrollie­rt sie weite Gebiete Apuliens“.

Mit Folgen auch für den Tourismus. Noch sind die vor allem von ausländisc­hen Touristen frequentie­rten Gegenden bei Alberobell­o mit ihren pittoreske­n Trullis sowie der Salento, ganz im Süden Apuliens, von Mafiamorde­n verschont geblieben. Das könnte sich ändern. Der Krieg der Clans, befürchtet Ciconte, „bedroht auch diese apulische Idylle“.

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FOTO: DPA Malerische­s Apulien: Rodi Garganico an der Adriaküste – Mafialand.

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