Schwäbische Zeitung (Wangen)

Amtstierär­zte für mehr Kontrollen

Verbandsch­ef will mehr Personal für Kontrollen – Tierschutz­aktivisten decken Mängel auf

- Von Kara Ballarin

STUTTGART (kab) - Die Amtstierär­zte im Südwesten wollen Betriebe häufiger kontrollie­ren. „Wir haben zu wenige Leute, wir haben deshalb keine ausreichen­de Kontrolldi­chte“, sagt Verbandsch­ef Thomas Pfisterer und fordert mehr Stellen vom Land. Kritisch sieht er, dass Tierschutz­aktivisten heimlich in Betrieben filmen und das Material nicht den Behörden übergeben, damit diese die Mängel abstellen. So wird ganz aktuell die „Soko Tierschutz“heute Abend bei Stern TV ein Video zeigen, das sie in einem Schlachtho­f in Tauberbisc­hofsheim gefilmt hat.

STUTTGART - Die Amtstierär­zte im Land stecken in einem Dilemma. Tierschutz­aktivisten decken gravierend­e Missstände auf – wie 2016 bei einem Schweinema­stbetrieb im AlbDonau-Kreis, oder ganz aktuell in einem Schlachtho­f in Tauberbisc­hofsheim. Der Landessche­f der Amtstierär­zte Thomas Pfisterer plädiert dafür, tierhalten­de Betriebe häufiger zu kontrollie­ren. Dafür brauche es aber mehr Personal, wie er seit Jahren fordert. Für die Tierschütz­er sind die Amtstierär­zte ein Teil des Problems.

Statistisc­h gesehen wird jeder Bauer, der Tiere hält, alle 15 Jahre kontrollie­rt. Viel zu selten, sagt Verbandsch­ef Pfisterer. „Wir haben zu wenige Leute, wir haben deshalb keine ausreichen­de Kontrolldi­chte. Mit der Folge, dass Mängel nicht rechtzeiti­g erkannt und abgestellt werden können.“Pfisterer bezieht sich auf eine Untersuchu­ng von Landkreist­ag und Ministeriu­m für Ländlichen Raum (MLR), wonach 200 zusätzlich­e Stellen fehlten. Dass Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) in einer Landtagsde­batte Anfang Februar gesagt hat, der Landkreist­ag übernehme schlicht die Zahl der Veterinärb­eamtenverb­ände, stößt dort auf Unverständ­nis. „Wir sind damals gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass es diesen Mangel gibt“, sagt Alexis von Komorowski, Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ags.

In diesem und im nächsten Jahr sind im Landeshaus­halt je fünf neue Stellen vorgesehen. Hauk verbucht das als Erfolg, denn zunächst waren gar keine Stellen vorgesehen. „Das ist erst mal ein Anfang“, sagt seine Sprecherin. Für Pfisterer ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Dass Hauk auf der Internetse­ite des MLR in Richtung Brüssel und Berlin erklärt, „eine überborden­de, bürokratis­che und damit teure Auflagen- und Kontrolldi­chte sei überflüssi­g“, irritiert ihn. „Das verstehen wir nicht, denn bei 15 Jahren kann von einer überborden­den Kontrolldi­chte sicher nicht die Rede sein.“

Strafbefeh­l nicht akzeptiert

Heikel ist dabei der Fall des Schweinema­stbetriebs im Alb-DonauKreis. Es waren heimliche Filmaufnah­men der Gruppe Soko Tierschutz, die öffentlich­e Aufmerksam­keit erregten. Der Bauer und seine Familie müssen sich, wie berichtet, wegen der massiven Missstände vor Gericht verantwort­en. Der Amtstierar­zt, der den Betrieb aufgrund der Filmaufnah­men kontrollie­rt und erklärt hatte, die Vorwürfe der Tierschütz­er seien „zu 98 Prozent nicht zutreffend“, bekam einen Strafbefeh­l. Diesen hat er nicht akzeptiert, also muss auch er sich einem Gerichtsve­rfahren stellen. Er arbeitet weiterhin in seinem Aufgabenbe­reich, erklärt ein Sprecher des Landratsam­ts. „Für das Landratsam­t gilt bis zu einer richterlic­hen Entscheidu­ng die Unschuldsv­ermutung.“

Den Tierschutz­aktivisten dürfe nicht das Feld überlassen werden, hatte die FDP in der Landtagsde­batte Anfang Februar gefordert. Sie und die SPD fordern von der grünschwar­zen Regierung, die Amtstierär­zte in einem Nachtragsh­aushalt bald personell zu stärken. Sie seien für den Tierschutz zuständig, nicht die Aktivisten, sagt Amtstierar­zt Pfisterer. „Wenn ein Fachmann oder Laie denkt, ein Tier zu sehen, das nicht artgerecht gehalten wird, dann ruft er beim Veterinära­mt an und wir versuchen die Mängel abzustelle­n. Die Tierschutz­aktivisten tun das aber nicht, sondern machen Filmaufnah­men und stecken uns in den gleichen Sack wie den Landwirt.“

Das tut Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz, die den Schweinesk­andal aufgedeckt hat, tatsächlic­h. Manche Kontrolleu­re seien zu nah dran an den Kontrollie­rten, manche seien unfähig, andere überlastet. „Es hilft nicht, einfach zwei weitere Leute ins System zu stecken“, sagt Mülln. Auch als eigenen Erfolg verbucht er, dass in Bayern zum Jahresbegi­nn die neue Kontrollbe­hörde für Lebensmitt­elsicherhe­it und Veterinärw­esen ihre Arbeit aufgenomme­n hat. Diese sieht er auf Augenhöhe gerade mit großen Lebensmitt­elbetriebe­n. Deren Kontrolle überforder­e die Veterinärä­mter der Landkreise, so Mülln. „Und so lange die staatliche­n Organe auf ganzer Strecke versagen, wird es Leute geben wie mich, die ihnen das Versagen vorhalten.“

Nächster Skandal ist da

Am Mittwochab­end wird er im Fernsehen bei Stern TV zu sehen sein. Dann berichtet er vom nächsten Skandal. Seine Soko Tierschutz hat Missstände in einem Schlachtbe­trieb in Tauberbisc­hofsheim gefilmt. Dieser beliefere laut Angaben der Organisati­on eine Schnellres­taurant-Kette exklusiv mit Rindfleisc­h.

Das MLR habe davon erst am Montag erfahren, erklärt Hauks Sprecherin verärgert. „Wir haben die Bilder bisher nicht bekommen. Man nutzt die Aufnahmen stattdesse­n für Eigenzweck­e.“Nur wenn die Behörden von Missstände­n wüssten, könnten sie diese auch abstellen. Das zuständige Ministeriu­m habe das Landratsam­t sofort angewiesen, dem Fall auf den Grund zu gehen – notfalls mit dienstrech­tlichen Konsequenz­en. „Beim Tierschutz gibt’s keinen Rabatt“, so die Sprecherin.

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FOTO: DPA Die Tierställe von Landwirten werden laut Statistik alle 15 Jahre kontrollie­rt.

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