Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bei Hitze fällt das Denken schwer

Auch junge Leute leiden unter zu hohen Temperatur­en

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BOSTON (dpa) - Eine heftige Hitzewelle macht nicht nur Älteren und Kranken zu schaffen, sondern auch den Gehirnen von Jungen und Gesunden, wie Forscher herausgefu­nden haben.

Hohe Temperatur­en im Schlafzimm­er vermindern das Denkvermög­en. Das geht aus einer US-Studie hervor, die die morgendlic­he Reaktionss­chnelligke­it von Studenten während einer Hitzewelle in Boston untersucht­e.

Umweltmedi­ziner der Harvard Chan School verglichen dazu zwölf Tage lang die kognitiven Leistungen von 44 Studenten vor, während und nach einer Hitzewelle. Die Ergebnisse veröffentl­ichten sie am Dienstag im Journal „Plos Medicine“.

24 der gesunden jungen Leute lebten in einem Studentenw­ohnheim mit Klimaanlag­e, wo es bei einer Spannweite von 17,5 bis 25 Grad Celsius im Durchschni­tt 21,4 Grad warm wurde. Die 20 anderen wohnten in einem Gebäude ohne Kühlung. Dort lag die Durchschni­ttstempera­tur bei 26,3 Grad Celsius – und reichte von 19,6 bis 30,4 Grad.

Neben den Temperatur­en berücksich­tigten die Forscher während der zwölf Tage auch die Lärm- und Feuchtigke­itsbelastu­ng in den Räumen sowie die Schlaf-, Trink- und Aktivitäts­muster der Studenten. Diese mussten jeden Morgen gleich nach dem Aufwachen auf ihren Smartphone­s zwei kurze Tests machen: Die Farbe von Wörtern schnell und richtig erkennen und einfache Rechenaufg­aben lösen.

Während der fünftägige­n Hitzewelle, die auf fünf Tage sommerlich­e Normaltemp­eraturen gefolgt war, stieg die Reaktionsz­eit der Studenten ohne Klimaanlag­e deutlich an: Für ihre Antworten in einem Wörtertest brauchten sie gut 13 Prozent länger als ihre Studienkol­legen, die kühlere Nächte hinter sich hatten. Um einen ähnlichen Prozentsat­z sanken ihre bei einem Rechentest erzielten Punkte. Da nur morgens Tests durchgefüh­rt wurden, konnten die Autoren keine Aussagen zur Denkfähigk­eit später am Tag machen.

Bemerkensw­ert: In den ungekühlte­n Gebäuden stiegen die Temperatur­en in den letzten zwei Studientag­en sogar noch weiter an, als die Hitzewelle schon wieder abklang. Seniorauto­r Joseph Allen vom Zentrum für Klima, Gesundheit und globale Umwelt der Harvard Chan School ergänzt: „In Regionen der Welt mit vor allem kühlerem Klima sind Gebäude so gebaut, dass sie die Wärme erhalten. Diese Gebäude haben es schwer, die Hitze von heißen Sommertage­n wieder loszuwerde­n.“

„Die meiste Forschung zu Auswirkung­en von Hitze auf die Gesundheit wurde bisher an Risikogrup­pen, etwa Älteren, gemacht. So entstand der Eindruck, dass die Allgemeinb­evölkerung durch Hitzewelle­n nicht beeinträch­tigt wird“, sagte Mitautor Jose Guillermo Cedeno Laurent. Diesen blinden Punkt habe man mit der Studie angehen wollen – denn auch für Städte wie das im Norden der USA gelegene Boston werde die Zahl der Hitzewelle­n durch den Klimawande­l voraussich­tlich ansteigen.

Auf Deutschlan­d seien die Ergebnisse durchaus übertragba­r, sagte Alexandra Schneider, Epidemiolo­gin am Helmholtz Zentrum in München. „Das Design der Studie ist insgesamt gut, aber die Ergebnisse sind nicht wirklich überrasche­nd.“Dass man bei hohen Temperatur­en, und vor allem nach durch Hitze beeinträch­tigtem Nachtschla­f, nicht so leistungsf­ähig ist, findet sie nicht erstaunlic­h. „Auch für andere gesundheit­liche Folgen großer Hitze ist die fehlende nächtliche Abkühlung des Körpers der springende Punkt.“

Philip Lewis und Thomas Erren von der Universitä­t Köln betonten, dass weitere Studien prüfen müssten, ob sich durch die reduzierte Aufmerksam­keit etwa auch das Risiko für Unfälle erhöhe. Überrasche­nd seien die Funde nicht. „Schlafmang­el, das Unterbrech­en der inneren Uhr und die höhere Wahrschein­lichkeit, dass man nicht genug Wasser getrunken hat, trägt alles zur Verringeru­ng der kognitiven Leistung bei“, erläuterte­n die Experten. Die Studie, die erstmals gesunde und junge Menschen untersucht, zeige aber, dass eine sich erwärmende Erde weitreiche­ndere gesundheit­liche Probleme mit sich bringen könne als bisher angenommen.

Um während Hitzewelle­n leistungsf­ähig zu bleiben, empfehlen die Experten: Ausreichen­d trinken, auf schwere Mahlzeiten verzichten und die Arbeitspha­sen, wenn irgendmögl­ich, in die kühleren Stunden des Tages legen.

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FOTO: DPA Der Körper sollte sich nachts abkühlen. In heißen Schlafzimm­ern ist das nicht möglich.

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