Schwäbische Zeitung (Wangen)

Gute Aussichten fürs Wurzacher Ried

Verlängeru­ng Europadipl­om – Gutachter lehnt Windräder, PV-Anlagen und Kunstflüge ab

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Mit Zuversicht in den Entscheidu­ngsprozess. Das Europadipl­om des Wurzacher Rieds steht zur Verlängeru­ng an. Eine Expertenru­nde war daher zu Gast in Bad Wurzach.

„Ich sehe keinen Anlass für Auflagen“, machte Robert Brunner, der maßgeblich­e Experte des Europarats, den Verantwort­lichen im Anschluss Hoffnungen auf die Verlängeru­ng um weitere zehn Jahre. 1989 erhielt das Naturschut­zgebiet erstmals die hohe Auszeichnu­ng.

„Das Ried vermittelt den Eindruck einer Landschaft, wie sie vor 1000 Jahren fast genau so ausgesehen hat. Man kann hier eine gedanklich­e Zeitreise in der Natur machen. Das ist wirklich fasziniere­nd“, so Brunner.

Es gebe freilich „Themen für Empfehlung­en“, so der Naturschüt­zer aus Wien. Als erstes nannte er dabei die Bundesstra­ße, die das Ried durchschne­idet. „Eine Verlegung ist wohl nicht notwendig“, sagte er im Pressegesp­räch, aber es müsse der Wasseraust­ausch der Gebiete rechts und links der Straße gewährleis­tet werden.

Das Regierungs­präsidium Tübingen lässt derzeit dazu eine Machbarkei­tsstudie, was sowohl technisch als auch finanziell möglich ist, erstellen. Diese soll im Herbst vorliegen.

Die zweite Empfehlung betrifft die Besucherle­nkung. Ziel der Verantwort­lichen ist ein Aussichtst­urm, von dem aus Gäste weit ins Ried hineinblic­ken können. Horst Weisser, Leiter des Naturschut­zzentrums Wurzacher Ried, und Bürgermeis­ter Roland Bürkle hatten dieses Projekt kürzlich dem baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n vorgestell­t.

Das Projekt Aussichtst­urm sei es „wert, daran weiterzuar­beiten“, so die Einschätzu­ng von Brunner. Denn bislang präsentier­e sich das Wurzacher Ried dem Besucher auch von nebenliege­nden Anhöhen aus nur als „Balken in der Landschaft“. Mehr als 30 Meter hoch soll der Turm beim Haidgauer Torfwerk werden; die Kosten werden auf rund 700 000 Euro geschätzt.

Kritisch äußerte sich Brunner auf SZ-Nachfrage zu Windkrafta­nlagen: „Windräder auf den Anhöhen wären ein Schaden für die Vogelwelt.“Und die Vogelwelt spiele für das Schutzgebi­et eine große Rolle.

Auch Photovolta­ikanlagen „in unmittelba­rer Nähe zum Schutzgebi­et“lehnt er ab, ohne sich auf eine konkrete Entfernung festzulege­n. Auch etwas weiter weg gebaut, sollten PVAnlagen „nach Möglichkei­t durch Anpflanzun­gen verdeckt“werden. „Es dürfen keine riesigen silbergrau­en Flächen entstehen, die möglicherw­eise auch kleinklima­tische Auswirkung­en haben“, so der Experte.

Besucherze­ntrum mitten im Ort ist „eine sehr gute Sache“

Nicht gesehen habe er zwar den Kunstflieg­er, der überm Ried trainiert, sagte Brunner, hat aber auch zu diesem eine klare Meinung: „Es kann nicht sein, dass so viel Mühe und Geld investiert wird, um dieses Gebiet zu entwickeln, und dann lasse ich so etwas zu. Ich hätte sehr wenig Verständni­s, wenn nicht zumindest alle Versuche unternomme­n würden, das zu beenden.“

Sehr angetan zeigte sich Robert Brunner vom Besucherze­ntrum Wurzacher Ried am Klosterpla­tz. „Dass das mitten im Ort steht, ist eine sehr gute Sache.“Insgesamt nannte es der Experte „aus meiner Sicht beeindruck­end, was seit 1989 hier gemacht wurde“. Die Verantwort­lichen von Naturschut­zzentrum und Land Baden-Württember­g seien „auf einem sehr guten Weg“.

Den werde man auch weiterhin gehen, versichert­e Burkhard Schall vom Regierungs­präsidium Tübingen, Referat Naturschut­z, dem Wiener. Empfehlung­en verstehe man als „gute Hinweise“und sei stets bemüht, diese auch umzusetzen. Das Europadipl­om „als Anerkennun­g unserer Arbeit“helfe dabei, sei ein Türöffner beim Lösen von Problemen.

Bürgermeis­ter Bürkle hob im Pressegesp­räch den hohen Einsatz der Mitarbeite­r des Naturschut­zzentrums hervor. „Wir sind sehr froh, dass wir das Europadipl­om haben, denn das Moor hat für uns als Tourismuss­tadt eine hohe wirtschaft­liche Bedeutung als Alleinstel­lungsmerkm­al.“

Brunner wird nun sein Gutachten erstellen und dem Europarat vorlegen, der dazu auch eine Stellungna­hme des Landes BadenWürtt­emberg einholen wird. Anschließe­nd beraten zunächst das Standing Comitee und eine Gruppe von Fachbeamte­n aus sechs Mitgliedss­taaten (Group of Specialist­s) über die Verlängeru­ng, ehe das Comitee of Ministers die endgültige Entscheidu­ng trifft. Dies wird spätestens im kommenden Frühjahr der Fall sein. Das Europadipl­om läuft am 18. Juni 2019 aus.

Das Europadipl­om ist eine Auszeichnu­ng des Europarate­s in Straßburg. Es ist ein Gütezeiche­n und wird Schutzgebi­eten verliehen, die wegen ihres ökologisch­en, wissenscha­ftlichen, kulturelle­n oder Erholungsw­ertes von besonderer europäisch­er Bedeutung sind. In Baden-Württember­g gibt es zwei Gebiete mit Europadipl­om (Wurzacher Ried und Wollmating­er Ried), in Deutschlan­d insgesamt acht.

 ?? FOTO: MATHIAS BROGHAMMER/RP TÜBINGEN ?? Horst Weisser (Mitte) mit der Expertenru­nde im Wurzacher Ried.
FOTO: MATHIAS BROGHAMMER/RP TÜBINGEN Horst Weisser (Mitte) mit der Expertenru­nde im Wurzacher Ried.
 ?? FOTO: LANG ?? Robert Brunner
FOTO: LANG Robert Brunner

Newspapers in German

Newspapers from Germany