Schwäbische Zeitung (Wangen)

Die Hölle – das sind immer die anderen

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

In letzter Zeit ist die Hölle wieder öfter ins Gerede gekommen. Eigentlich ein eher unattrakti­ver Ort, der nicht erst seit Einzug von Luzifer einen schlechten Ruf genießt – außer vielleicht bei routiniert­en Sonnenbank­besuchern mit Jahresabo. Über die Jahrtausen­de hinweg hat sich herauskris­tallisiert, dass die Hölle, ebenso wie der Himmel, für jeden etwas anderes bedeutet. Der individuel­le Höllenbegr­iff mag bei dem einen die Machtlosig­keit im morgendlic­hen Verkehrsst­au sein. Für den anderen die ungelenk fiedelnde Gegenwart von Musikschül­ern, die sich als erste Herausford­erung nicht Carl Orff, sondern Frederic Chopin vorgenomme­n haben.

Für Donald Tusk, den Ratspräsid­enten der Europäisch­en Union, ist die Hölle ein Ort, in dem sich euphorisch­e Brexit-Befürworte­r versammeln sollten. Als erzkatholi­scher Pole weiß Tusk natürlich, wovon er da spricht. Denn die Hölle, das ist schließlic­h kein Ponyhof. Und gemäß dem französisc­hen Existenzia­listen Jean-Paul Sartre ist Hölle „die anderen“. Womit er – je nach Interpreta­tion – Mitmensche­n meint, deren Gegenwart Herr Sartre als nicht zumutbare Unerträgli­chkeit empfand.

Wen Donald Tusk im Himmel wähnt, sagt der EU-Ratspräsid­ent natürlich nicht. Für viele Engländer ist der Himmel eine niemals enden wollende Lunch-Pause mit Fish & Chips bis zum Abwinken für mindestens eine oder zwei Ewigkeiten. Aber wie heißt es so schön auf den Fluren der EU-Kommission: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, denn ein Brexitarie­r ins Himmelreic­h. (nyf )

 ?? FOTO: IMAGO ??
FOTO: IMAGO

Newspapers in German

Newspapers from Germany