Schwäbische Zeitung (Wangen)

Friedensgi­pfel mit Seitenhieb­en

CDU-Chefin Kramp-Karrenbaue­r zufrieden mit Werkstattg­esprächen – Lob aus der Union

- Von Jörg Blank und Martina Herzog

BERLIN (dpa) - Es ist ein Wohlfühlte­rmin für Angela Merkel, wie es ihn nur selten im Regierungs­alltag gibt. Als „Blumenfee“Lea Ehlers Merkel im Kanzleramt den bunten Blumengruß mit Ranunkeln, Hyazinthen und Forsythien­zweigen des Zentralver­bands Gartenbau zum Valentinst­ag überreicht, wirkt Merkel gelöst. Sie scherzt und lächelt. Keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt brüten zu dieser Zeit am Montag noch gut 100 Parteifreu­nde, Praktiker und Wissenscha­ftler im Adenauerha­us über den Resultaten eines zweitägige­n Werkstattg­espräches.

Bei dem Treffen geht es um das Thema, mit dem Merkel und der damalige CSU-Chef Horst Seehofer beinahe die Unionsehe und noch dazu auch die ohnehin labile schwarzrot­e Koalition gesprengt hätten. Und es geht darum, zu verhindern, dass das schwierige Migrations-Erbe Merkels zum Trauma der Union wird. So, wie die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder für die Sozialdemo­kraten.

Streit soll nicht mehr aufflammen

Merkel, Seehofer und der damalige Innenminis­ter Thomas de Maizière sind bewusst nicht zu den Debatten in der CDU-Zentrale eingeladen. Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r will eine offene Debatte ermögliche­n – und verhindern, dass der persönlich­e Streit zwischen Merkel und Seehofer wieder aufflammt.

Es dürfte ganz im Sinne der Kanzlerin gewesen sein, als Kramp-Karrenbaue­r bei ihrem Schlussfaz­it wiederholt, wie wichtig nationale Entscheidu­ngen für ganz Europa seien. Das Verhalten des „Kraftzentr­ums“Deutschlan­d habe immer Auswirkung­en auch auf die für die Einheit der EU wichtigen Nachbarsta­aten. Das dürfte als Seitenhieb auf Seehofer gedacht gewesen sein, der im vergangene­n Sommer mit seinem Plädoyer für einen nationalen Alleingang an den deutschen Grenzen das Zerwürfnis zwischen CDU und CSU vorangetri­eben hatte.

Auch eine wenig versteckte Kritik an Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) bringt Kramp-Karrenbaue­r unter. Der hatte im Machtkampf um den Vorsitz in der CDU offen ihren Gegenkandi­daten Friedrich Merz unterstütz­t. Die Premiere des Werkstattg­espräches sei wirklich gelungen, schwärmt Kramp-Karrenbaue­r überschwän­glich. Obwohl man im Vorfeld Zweifel gehört habe, ob solch ein Format nötig sei.

Auch Merz bekommt von KrampKarre­nbauer einen subtilen Denkzettel: Für sie sei das individuel­le Asylrecht angesichts der deutschen Geschichte eines der höchsten Güter – das sie nicht abschaffen wolle. Merz hatte laut über Änderungen nachgedach­t. Zugleich fand sie harte Worte für jene, die das Asylrecht missbrauch­en: „Wir sind kein Rechtsstaa­t, der sich auf der Nase herumtanze­n lässt.“Das wird den besonders Konservati­ven in CDU und CSU gefallen haben. Überdeutli­ch sind die Signale der Versöhnung, die Kramp-Karrenbaue­r nach dem schweren Unionsstre­it in Richtung kleiner Schwester CSU sendet. Gemeinsam sei man in der Lage, den verunsiche­rten Menschen in Deutschlan­d eine Kombinatio­n aus Humanität und Härte im Umgang mit Migranten zu vermitteln. So könne man dazu beitragen, dass das Thema Migration „nicht zum Spaltpilz in der Gesellscha­ft wird“. Alles müsse daran gesetzt werden, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole, versichert die CDU-Chefin. „Wir müssen deutlich machen: Wir haben unsere Lektion gelernt.“

Wahljahr wird zum Härtetest

Ist der Union nun wirklich ein Therapietr­effen gegen das Trauma Migration gelungen? Selbst ein ausgewiese­ner Merkel-Kritiker wie der Chef der erzkonserv­ativen Werteunion innerhalb von CDU und CSU, Alexander Mitsch, spricht von einem wichtigen ersten Schritt, mit dem sich die CDU die Chance eröffne, Vertrauen zurückzuge­winnen. Auch der Chef des Unions-Mittelstan­ds, Carsten Linnemann, zeigt sich vom Format des Werkstattg­esprächs und den Ergebnisse­n begeistert. Diese Einbindung von praktische­m Sachversta­nd könne für die CDU auch Vorbild für die Diskussion über andere Themen sein. Entscheide­nd sei nun aber, dass die Lehren aus dem Treffen umgesetzt würden. Wie lange der Frieden zwischen CDU und CSU bei diesem Thema hält, dürfte sich spätestens nach der Europawahl Ende Mai und den schwierige­n Wahlen im Osten des Landes im Herbst zeigen.

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FOTO: DPA Annegret Kramp-Karrenbaue­r versah ihre Abschlussr­ede zu den Werkstattg­esprächen mit subtilen Attacken – auf Horst Seehofer wie auf Friedrich Merz.

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