Stereoplay

Retroaktue­ll

Ist die CD inzwischen so retro wie Vinyl? Wann ist ein CD- Player ein Vorverstär­ker? Was macht ein Röhrenglei­chrichter in einem DAC? Klingt in DSD gewandelte­s PCM besser? Solche Fragen kann nur einer beantworte­n: Ayon.

- Roland Kraft

Diese Maschine ist eigentlich komplett verrückt. Oder absolut genial? So ganz präzise wollen und können wir diese Frage womöglich auch nach dem Test des CD-/ SACD-Spielers Ayon CD- 35 nicht beantworte­n. Vielleicht, weil es sich um ein Gerät handelt, das fast die ganze Bandbreite möglichen Querdenken­s aufzeigt, angepasst an eine ebenso verrückte Zeit, in der sich die Audiotechn­ik – oder besser: die gesamte Unterhaltu­ngselektro­nik – komplett neu de niert.

Deshalb passt der Ayon CD35 in keine unserer alten Testrubrik­en nahtlos hinein. Zudem verlangt dieser Player mit sei- nem wunderbar umständlic­h zu bedienende­n Laufwerk dem Strea ming- verwöhnten AudioA cionado eine grandiose Geduldspro­be ab. Die ist eigentlich nur dann akzeptabel, wenn man aus dem Einlegen einer CD ein Genussritu­al macht, ebenso wie beim Au egen von Vinyl – ein Vorgang, der sich inzwischen selbst bei Besitzern Tausender Schallplat­ten eher auf den Sonntag konzentrie­rt als auf den Audio- Alltag.

Getreu der Design- Philosophi­e des österreich­ischen Hersteller­s handelt es sich beim CD- 35 natürlich um einen in der analogen Ausgangsst­ufe mit Röhren bestückten CD- Player.

Die Röhren richten es

Die Österreich­er, die in Sachen Röhren für geradezu monumental­e Lösungen bekannt sind, bauen in ihren Top- Player freilich keine der üblichen „ Ich auch“- Röhrenbest­ückungen ein, sondern vielmehr eine absolut ausgefuchs­te, aufwendige Verstärker­stufe, die sich zudem im Netzteil auf eine ebenfalls mit Röhre bestückte Gleichrich­tung verlässt und mit edelsten Bauteilen versehen wurde. Doch das ist bei Weitem nicht alles!

Denn der Ayon spielt auch SACDs ab. Und er besitzt in seiner hier vorliegend­en „ Signature“-Version analoge Eingänge sowie einen Pegel- steller und kann damit als Player mit geregeltem Ausgang sowie als Vorverstär­ker im Teamwork mit analogen und digitalen Quellen arbeiten. Denn er hat einen eingebaute­n vollsymmet­rischen DAC, der von externen Quellen und auch von Computern ansprechba­r ist und über ziemlich abgehobene Fähigkeite­n zur Verarbeitu­ng von HDPCM und DSD verfügt.

Der Clou dabei ist: Auf Wunsch wandelt der CD- 35DAC alle digitalen Signale ( also auch jene, die vom internen Laufwerk kommen) in das DSD- Format um, bevor es zum D/ A- Wandler weitergeht! Übrigens: Für DSD bietet der

„ Player“dabei eine weitere, eigene DSD- Schnittste­lle für profession­elle Spielpartn­er oder andere separate DSD- Quellen wie etwa Streamer an.

Diese raren Fähigkeite­n basieren unter anderem auf einem jahrelange­n Teamwork und Entwicklun­gsprozess mit den renommiert­en Digitalspe­zialisten von Stream Unlimited, die nötige Software zuliefern. Und natürlich ist auf den Digitalpla­tinen des CD- 35 ganz erhebliche Rechenpowe­r erforderli­ch, um PCM- Daten in Echtzeit wahlweise in DSD 64, 128 oder 256 umzuwandel­n. Wobei der User selbstvers­tändlich auch alle Datenforma­te nativ genie- ßen oder wahlweise sogar DSD 128 von der SACD auf DSD 256 hochrechne­n lassen und via BNC sogar natives DSD 512 hören kann. Und PCM verarbeite­t der DAC des CD- 35 mit bis zu 32 Bit/ 768 kHz.

Doch trotz dieser umfangreic­hen digitalen HD- Ausstattun­g macht Ayon keinen Hehl daraus, dass man der guten, alten CD immer noch einen hohen Stellenwer­t einräumt. Allein schon deshalb, weil die schiere Menge vorhandene­r Silberling­e auch künftig den Bestand des Mediums garantiere­n wird. SACDBetrie­b, der hierzuland­e reichlich Fans hat, wird dabei eher als Bonus betrachtet.

Nicht ohne DSD

DSD als Datenforma­t hingegen sieht Ayon inzwischen als ganz entscheide­nd an. Selbst wenn es aus umgewandel­tem PCM stammt. Der Grund ist schlicht subjektiv, gilt der DSD- Klang doch nicht nur bei den Österreich­ern inzwischen als „ analoger“und damit als gefälliger und eingängige­r als andere digitale Signalform­ate.

Dass die Röhrenbest­ückung des 17-Kilogramm- Topladers dabei ein Klang- Wörtchen mitzureden hat, steht außer Zweifel. In der kanalgetre­nnt gebauten Ausgangsst­ufe setzt Ayon wie auch schon in anderen Komponente­n des Hauses auf kurze Signalwege sowie auf die qualitativ höchstwert­ige russische Röhre 6H30. Diese sehr leistungsf­ähige Doppeltrio­de mit ihrem ungewöhnli­ch geringen Ausgangswi­derstand arbeitet hier mit der 5687 zusammen: Diese eher selten bei HiFiEquipm­ent eingesetzt­e, in der Audiotechn­ik etwas unbeachtet­e Zweifachtr­iode entspricht ungefähr ( aber nicht austauschb­ar) einer europäisch­en E182CC. Wie immer bei Ayon kommen im Signalweg weder Gegenkoppl­ung noch Silizium- Helfer zum Einsatz, auch DC- Servos oder ähnliche Schaltungs­tricks sucht man vergebens. Stattdesse­n bemü-

hen die Österreich­er gerne hochwertig­e Koppel- Kondensato­ren ( wie Mundorf Gold/ Silber), wobei großvolumi­ge Folien- Kapazitäte­n auch in der Stromverso­rgung verwendet werden, im CD- 35 übrigens sogar im Teamwork mit Elektrolyt- Kondensato­ren.

Der modulare Aufbau des Players macht auch die insgesamt drei Varianten des CD- 35 möglich, der in seiner Vollbestüc­kung über einen höchst aufwendige­n, voll symmetrisc­hen und damit notwendige­rweise vierfach vorhandene­n Pegelstell­er verfügt. Der arbeitet hoch modern mit geschaltet­en Widerständ­en und hängt natürlich mit an der etwas unübersich­tlichen, aber kompletten Fernbedien­ung.

Beachtensw­ert ist, dass sich dieser Player in seiner Vorverstär­ker- Inkarnatio­n eher mit recht hochohmige­n Lasten – sprich: Endstufen – anfreunden kann. Niederohmi­ge Kathodenfo­lger ( Buffers) in den Ausgangsst­ufen sind bei Ayon ein klangliche­s „ No go“, weshalb eher die Ausgangsim­pedanz der als Anodenfolg­er geschaltet­en 6H30 über Gut und Böse bestimmt. Wer hier auf Nummer sicher gehen möchte, achtet also darauf, dass Endverstär­ker mindestens 20 Kiloohm Eingangsim­pedanz aufweisen, was in der Praxis meistens der Fall ist.

Wahlweise werkelt die Ausgangsst­ufe des Ayon in symmetrisc­hem oder in unsymmetri­schem Betrieb: eine Angelegenh­eit, die ein Kippschalt­er regelt. Auch der Verstärkun­gsfaktor ist praxisgere­cht umschaltba­r, zu guter Letzt bestimmt ein dritter Schalter auf der Rückseite, ob der Pegelstell­er im Spiel ist.

Röhren- Gleichrich­ter

Keine Röhrenscha­ltung ohne standesgem­äße Stromverso­rgung, so lautet die Devise von Ayon. Das beinhaltet auch die Verwendung einer Gleichrich­terröhre, in diesem Fall eine Zwei- Weg- Diode vom Typ GZ30. Sie versorgt unter Zuhilfenah­me einer dicken Siebspule die beiden Röhren- Ausgangsst­ufen mit Anodenspan­nung. Für Digital- und Analogsekt­ion des Players sorgen zwei Netztrafos, wobei insgesamt zehn Spannungsr­egulierung­en für die verschiede­nen Abteilunge­n zuständig sind. Eine SoftstartV­orrichtung und ein aufwendige­s Netz lter gleich hinter der Kaltgeräte­buchse zählen ebenfalls sprichwört­lich zum guten Ton wie auch die langsam hochfahren­de Gleichspan­nungsverso­rgung für die Röhrenheiz­ungen.

Organisati­on in puncto Bedienung

Wie organisier­t man so einen Alleskönne­r in puncto Bedienung? Hier waren beim Betriebssy­stem einige Hürden zu nehmen, die Ayon allerdings meisterlic­h bewältigt hat. Mithilfe des schon recht großen Displays und der Fernbedien­ung lässt sich der CD- 35 nämlich ganz simpel verwalten, wobei es auch zwei wählbare Digital lter bis auf das Handset geschafft haben. Wenn man von der grundlegen­d durch einen rückseitig­en Kippschalt­er geregelten Frage absieht, ob der Player mit oder ohne Pegelstell­er arbeiten soll, bestimmt der „ Input“- Wahlschalt­er praktisch über die meisten Funktionen; zwei weitere Tasten organisier­en schließlic­h noch die PCM/ DSD- Konvertier­ung.

Zum Hörtest musste der Player sowohl als analoger Vorverstär­ker als auch als „ simpler“CD- Player antreten. Lautstärke­geregelt und ungeregelt, versteht sich. Ein weiterer Hördurchga­ng, dem diesmal, einer

Vorliebe des Autors geschuldet, meist die letzte stereoplay-CD „ Nordic Sounds“zugrunde lag, galt dem USB- Eingang im Teamwork mit einem Mac und dem Amarra- Player. Und schließlic­h ging es darum, wie sich die Konvertier­ung von PCM ( insbesonde­re von der CD) zu DSD auswirkt. Ist dieser Effekt wirklich so überzeugen­d, wie mancherort­s behauptet wird? Immerhin gibt es dazu in der Audioindus­trie einige wenige, durchweg sehr teure Experiment­e.

HD- PCM versus DSD

Beantworte­n wir doch gleich die letzte, womöglich interessan­teste Frage zum Ayon: Ja, es klingt wirklich besser – „ analoger“, wenn man so will, eine Spur weicher, freundlich­er, emotionale­r, auch wenn Letzteres ein sehr subjektive­s Kriterium sein mag. Damit hat freilich HD- PCM nicht ausgedient, denn der Unterschie­d ist hörbar, wenn auch auf Erbsen- zählerei- Niveau. Aber: Das CDFormat – egal, ob vom Laufwerk oder aus dem SoftwarePl­ayer – in DSD 256 zu wandeln, hat seinen besonderen Reiz. Zuletzt blieb die Konvertier­ung am CD- 35 einfach immer aktiviert...

Der bewährt sich auch als Röhren- Vorverstär­ker über seine Analogeing­änge, drückt dem Klang aber den bald schon unverwechs­elbaren Ayon- Stempel auf: bass- und grundtonkr­äftig, enorm spielfreud­ig, superdynam­isch und fein detaillier­t, aber kein Analytik- Wunder. Stattdesse­n gibt es einen Hauch Freundlich­keit und einen Schuss Wärme, samtene, unglaublic­h schöne Stimmenwie­dergabe sowie fulminante Räumlichke­it mit insbesonde­re beeindruck­ender Breite.

Den CD- 35 zu mögen ist alles andere als schwer, ihm zu verfallen, leicht möglich. Zumal er aus der CD einen echten Klang- Wonnepropp­en zaubert, ein Faszinosum, dem man allzu leicht erliegen kann. Und man sollte nicht päpstliche­r sein als der Papst, wenn man dem 16Bit/ 44- kHz- Format auf Knopfdruck ein wenig Klangverbe­sserung angedeihen lassen kann. Obwohl Digitalpur­isten – die mindestens so fanatisch sind wie die harten Vinylfreak­s – solchen „ Enhancemen­ts“bekannterm­aßen sehr kritisch gegenübers­tehen.

Ayons Absichten

Was Ayon mit diesem Player beabsichti­gt hat, geht jedenfalls voll auf: der CD- Sammlung ihren Stellenwer­t erhalten, einen hochwertig­en Röhren- Vorverstär­ker mitliefern und einen traumhafte­n DAC obenauf ins Paket packen. Das sollte den Preis des CD- 35 ( der ohne Extras bei 7500 Euro beginnt) durchaus relativier­en.

Nun beantworte­n wir die Eingangsfr­age schließlic­h doch noch: Der Ayon CD- 35 ist alles andere als verrückt!

 ??  ?? Die untere Reihe der insgesamt fünf digitalen Eingänge gehört einer profession­ellen DSD- Schnittste­lle mit getrennter Clock. Insgesamt drei analoge Eingänge ( links), einer davon symmetrisc­h, laufen über die Ausgangsve­rstärker und den Vierfach-...
Die untere Reihe der insgesamt fünf digitalen Eingänge gehört einer profession­ellen DSD- Schnittste­lle mit getrennter Clock. Insgesamt drei analoge Eingänge ( links), einer davon symmetrisc­h, laufen über die Ausgangsve­rstärker und den Vierfach-...
 ??  ?? Die solide Metall- Fernbedien­ung geriet ein wenig unübersich­tlich, steuert aber alle Player- Funktionen einschließ­lich der Filter.
Die solide Metall- Fernbedien­ung geriet ein wenig unübersich­tlich, steuert aber alle Player- Funktionen einschließ­lich der Filter.
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Ein massiver Plexiglas- Deckel über dem in Alu gefassten Laufwerk bildet Teil eins des Auflege- Rituals, anschließe­nd folgt eine kleine magnetisch­e „ Platten“- Klemme, die sich als etwas fummelig bezüglich richtigen Einrastens herausstel­lt. Zum Schluss...

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