Retroaktuell
Ist die CD inzwischen so retro wie Vinyl? Wann ist ein CD- Player ein Vorverstärker? Was macht ein Röhrengleichrichter in einem DAC? Klingt in DSD gewandeltes PCM besser? Solche Fragen kann nur einer beantworten: Ayon.
Diese Maschine ist eigentlich komplett verrückt. Oder absolut genial? So ganz präzise wollen und können wir diese Frage womöglich auch nach dem Test des CD-/ SACD-Spielers Ayon CD- 35 nicht beantworten. Vielleicht, weil es sich um ein Gerät handelt, das fast die ganze Bandbreite möglichen Querdenkens aufzeigt, angepasst an eine ebenso verrückte Zeit, in der sich die Audiotechnik – oder besser: die gesamte Unterhaltungselektronik – komplett neu de niert.
Deshalb passt der Ayon CD35 in keine unserer alten Testrubriken nahtlos hinein. Zudem verlangt dieser Player mit sei- nem wunderbar umständlich zu bedienenden Laufwerk dem Strea ming- verwöhnten AudioA cionado eine grandiose Geduldsprobe ab. Die ist eigentlich nur dann akzeptabel, wenn man aus dem Einlegen einer CD ein Genussritual macht, ebenso wie beim Au egen von Vinyl – ein Vorgang, der sich inzwischen selbst bei Besitzern Tausender Schallplatten eher auf den Sonntag konzentriert als auf den Audio- Alltag.
Getreu der Design- Philosophie des österreichischen Herstellers handelt es sich beim CD- 35 natürlich um einen in der analogen Ausgangsstufe mit Röhren bestückten CD- Player.
Die Röhren richten es
Die Österreicher, die in Sachen Röhren für geradezu monumentale Lösungen bekannt sind, bauen in ihren Top- Player freilich keine der üblichen „ Ich auch“- Röhrenbestückungen ein, sondern vielmehr eine absolut ausgefuchste, aufwendige Verstärkerstufe, die sich zudem im Netzteil auf eine ebenfalls mit Röhre bestückte Gleichrichtung verlässt und mit edelsten Bauteilen versehen wurde. Doch das ist bei Weitem nicht alles!
Denn der Ayon spielt auch SACDs ab. Und er besitzt in seiner hier vorliegenden „ Signature“-Version analoge Eingänge sowie einen Pegel- steller und kann damit als Player mit geregeltem Ausgang sowie als Vorverstärker im Teamwork mit analogen und digitalen Quellen arbeiten. Denn er hat einen eingebauten vollsymmetrischen DAC, der von externen Quellen und auch von Computern ansprechbar ist und über ziemlich abgehobene Fähigkeiten zur Verarbeitung von HDPCM und DSD verfügt.
Der Clou dabei ist: Auf Wunsch wandelt der CD- 35DAC alle digitalen Signale ( also auch jene, die vom internen Laufwerk kommen) in das DSD- Format um, bevor es zum D/ A- Wandler weitergeht! Übrigens: Für DSD bietet der
„ Player“dabei eine weitere, eigene DSD- Schnittstelle für professionelle Spielpartner oder andere separate DSD- Quellen wie etwa Streamer an.
Diese raren Fähigkeiten basieren unter anderem auf einem jahrelangen Teamwork und Entwicklungsprozess mit den renommierten Digitalspezialisten von Stream Unlimited, die nötige Software zuliefern. Und natürlich ist auf den Digitalplatinen des CD- 35 ganz erhebliche Rechenpower erforderlich, um PCM- Daten in Echtzeit wahlweise in DSD 64, 128 oder 256 umzuwandeln. Wobei der User selbstverständlich auch alle Datenformate nativ genie- ßen oder wahlweise sogar DSD 128 von der SACD auf DSD 256 hochrechnen lassen und via BNC sogar natives DSD 512 hören kann. Und PCM verarbeitet der DAC des CD- 35 mit bis zu 32 Bit/ 768 kHz.
Doch trotz dieser umfangreichen digitalen HD- Ausstattung macht Ayon keinen Hehl daraus, dass man der guten, alten CD immer noch einen hohen Stellenwert einräumt. Allein schon deshalb, weil die schiere Menge vorhandener Silberlinge auch künftig den Bestand des Mediums garantieren wird. SACDBetrieb, der hierzulande reichlich Fans hat, wird dabei eher als Bonus betrachtet.
Nicht ohne DSD
DSD als Datenformat hingegen sieht Ayon inzwischen als ganz entscheidend an. Selbst wenn es aus umgewandeltem PCM stammt. Der Grund ist schlicht subjektiv, gilt der DSD- Klang doch nicht nur bei den Österreichern inzwischen als „ analoger“und damit als gefälliger und eingängiger als andere digitale Signalformate.
Dass die Röhrenbestückung des 17-Kilogramm- Topladers dabei ein Klang- Wörtchen mitzureden hat, steht außer Zweifel. In der kanalgetrennt gebauten Ausgangsstufe setzt Ayon wie auch schon in anderen Komponenten des Hauses auf kurze Signalwege sowie auf die qualitativ höchstwertige russische Röhre 6H30. Diese sehr leistungsfähige Doppeltriode mit ihrem ungewöhnlich geringen Ausgangswiderstand arbeitet hier mit der 5687 zusammen: Diese eher selten bei HiFiEquipment eingesetzte, in der Audiotechnik etwas unbeachtete Zweifachtriode entspricht ungefähr ( aber nicht austauschbar) einer europäischen E182CC. Wie immer bei Ayon kommen im Signalweg weder Gegenkopplung noch Silizium- Helfer zum Einsatz, auch DC- Servos oder ähnliche Schaltungstricks sucht man vergebens. Stattdessen bemü-
hen die Österreicher gerne hochwertige Koppel- Kondensatoren ( wie Mundorf Gold/ Silber), wobei großvolumige Folien- Kapazitäten auch in der Stromversorgung verwendet werden, im CD- 35 übrigens sogar im Teamwork mit Elektrolyt- Kondensatoren.
Der modulare Aufbau des Players macht auch die insgesamt drei Varianten des CD- 35 möglich, der in seiner Vollbestückung über einen höchst aufwendigen, voll symmetrischen und damit notwendigerweise vierfach vorhandenen Pegelsteller verfügt. Der arbeitet hoch modern mit geschalteten Widerständen und hängt natürlich mit an der etwas unübersichtlichen, aber kompletten Fernbedienung.
Beachtenswert ist, dass sich dieser Player in seiner Vorverstärker- Inkarnation eher mit recht hochohmigen Lasten – sprich: Endstufen – anfreunden kann. Niederohmige Kathodenfolger ( Buffers) in den Ausgangsstufen sind bei Ayon ein klangliches „ No go“, weshalb eher die Ausgangsimpedanz der als Anodenfolger geschalteten 6H30 über Gut und Böse bestimmt. Wer hier auf Nummer sicher gehen möchte, achtet also darauf, dass Endverstärker mindestens 20 Kiloohm Eingangsimpedanz aufweisen, was in der Praxis meistens der Fall ist.
Wahlweise werkelt die Ausgangsstufe des Ayon in symmetrischem oder in unsymmetrischem Betrieb: eine Angelegenheit, die ein Kippschalter regelt. Auch der Verstärkungsfaktor ist praxisgerecht umschaltbar, zu guter Letzt bestimmt ein dritter Schalter auf der Rückseite, ob der Pegelsteller im Spiel ist.
Röhren- Gleichrichter
Keine Röhrenschaltung ohne standesgemäße Stromversorgung, so lautet die Devise von Ayon. Das beinhaltet auch die Verwendung einer Gleichrichterröhre, in diesem Fall eine Zwei- Weg- Diode vom Typ GZ30. Sie versorgt unter Zuhilfenahme einer dicken Siebspule die beiden Röhren- Ausgangsstufen mit Anodenspannung. Für Digital- und Analogsektion des Players sorgen zwei Netztrafos, wobei insgesamt zehn Spannungsregulierungen für die verschiedenen Abteilungen zuständig sind. Eine SoftstartVorrichtung und ein aufwendiges Netz lter gleich hinter der Kaltgerätebuchse zählen ebenfalls sprichwörtlich zum guten Ton wie auch die langsam hochfahrende Gleichspannungsversorgung für die Röhrenheizungen.
Organisation in puncto Bedienung
Wie organisiert man so einen Alleskönner in puncto Bedienung? Hier waren beim Betriebssystem einige Hürden zu nehmen, die Ayon allerdings meisterlich bewältigt hat. Mithilfe des schon recht großen Displays und der Fernbedienung lässt sich der CD- 35 nämlich ganz simpel verwalten, wobei es auch zwei wählbare Digital lter bis auf das Handset geschafft haben. Wenn man von der grundlegend durch einen rückseitigen Kippschalter geregelten Frage absieht, ob der Player mit oder ohne Pegelsteller arbeiten soll, bestimmt der „ Input“- Wahlschalter praktisch über die meisten Funktionen; zwei weitere Tasten organisieren schließlich noch die PCM/ DSD- Konvertierung.
Zum Hörtest musste der Player sowohl als analoger Vorverstärker als auch als „ simpler“CD- Player antreten. Lautstärkegeregelt und ungeregelt, versteht sich. Ein weiterer Hördurchgang, dem diesmal, einer
Vorliebe des Autors geschuldet, meist die letzte stereoplay-CD „ Nordic Sounds“zugrunde lag, galt dem USB- Eingang im Teamwork mit einem Mac und dem Amarra- Player. Und schließlich ging es darum, wie sich die Konvertierung von PCM ( insbesondere von der CD) zu DSD auswirkt. Ist dieser Effekt wirklich so überzeugend, wie mancherorts behauptet wird? Immerhin gibt es dazu in der Audioindustrie einige wenige, durchweg sehr teure Experimente.
HD- PCM versus DSD
Beantworten wir doch gleich die letzte, womöglich interessanteste Frage zum Ayon: Ja, es klingt wirklich besser – „ analoger“, wenn man so will, eine Spur weicher, freundlicher, emotionaler, auch wenn Letzteres ein sehr subjektives Kriterium sein mag. Damit hat freilich HD- PCM nicht ausgedient, denn der Unterschied ist hörbar, wenn auch auf Erbsen- zählerei- Niveau. Aber: Das CDFormat – egal, ob vom Laufwerk oder aus dem SoftwarePlayer – in DSD 256 zu wandeln, hat seinen besonderen Reiz. Zuletzt blieb die Konvertierung am CD- 35 einfach immer aktiviert...
Der bewährt sich auch als Röhren- Vorverstärker über seine Analogeingänge, drückt dem Klang aber den bald schon unverwechselbaren Ayon- Stempel auf: bass- und grundtonkräftig, enorm spielfreudig, superdynamisch und fein detailliert, aber kein Analytik- Wunder. Stattdessen gibt es einen Hauch Freundlichkeit und einen Schuss Wärme, samtene, unglaublich schöne Stimmenwiedergabe sowie fulminante Räumlichkeit mit insbesondere beeindruckender Breite.
Den CD- 35 zu mögen ist alles andere als schwer, ihm zu verfallen, leicht möglich. Zumal er aus der CD einen echten Klang- Wonneproppen zaubert, ein Faszinosum, dem man allzu leicht erliegen kann. Und man sollte nicht päpstlicher sein als der Papst, wenn man dem 16Bit/ 44- kHz- Format auf Knopfdruck ein wenig Klangverbesserung angedeihen lassen kann. Obwohl Digitalpuristen – die mindestens so fanatisch sind wie die harten Vinylfreaks – solchen „ Enhancements“bekanntermaßen sehr kritisch gegenüberstehen.
Ayons Absichten
Was Ayon mit diesem Player beabsichtigt hat, geht jedenfalls voll auf: der CD- Sammlung ihren Stellenwert erhalten, einen hochwertigen Röhren- Vorverstärker mitliefern und einen traumhaften DAC obenauf ins Paket packen. Das sollte den Preis des CD- 35 ( der ohne Extras bei 7500 Euro beginnt) durchaus relativieren.
Nun beantworten wir die Eingangsfrage schließlich doch noch: Der Ayon CD- 35 ist alles andere als verrückt!