Stereoplay

Analoge Daten

Für Archivare ein Traum, für Vinylfreak­s traumatisc­h? McIntosh befördert die Schallplat­te im 24- Bit/ 96- kHz- Format auf die Festplatte. In der neuen Phonostufe der Amerikaner ist der AD- Wandler aber nur ein ( wunderbare­s) Extra.

- Roland Kraft

Lassen Sie uns mal gemeinsam träumen. Sie nden eine absolute Rarität: eine Traumschei­be, Erstausgab­e, original verpackt, unangetast­et. Und nun stehen Sie da mit der Scheibe in der Hand vor dem Plattenspi­eler. Sie überlegen: Sollen Sie das edle Stück jetzt tatsächlic­h au egen? Den bösen, scharfen Diamanten sein zerstöreri­sches Werk tun lassen? Womöglich mehrmals? Nein, niemals. Ab ins Regal damit. Aber Sie hätten diese Scheibe so gerne wenigstens einmal gehört... Seufz.

Zugegeben, das war jetzt schamlos übertriebe­n. Im richtigen Leben sind wir entweder reine Sammler ( dann werden seltene Schallplat­ten ebenso wenig gehört wie seltene Röhren) oder eben harte Jungs. Echte Kerle fahren ihre Oldtimer, spielen seltene Schallplat­ten ab und verheizen Röhren, für die sie ein Vermögen bezahlt haben. Kalt lächelnd! Und mit schlechtem Gewissen.

Doch damit ist es jetzt vorbei. Zumindest, wenn es um Schallplat­ten geht. Probate Abhilfe für das Dilemma kommt von McIntosh. Mit einem Newcomer aus der „ Klein“- Serie der Amerikaner, die uns ja bereits einen auch nur 30 Zentimeter breiten Streamer ( MB50 AC) beschert hat. Der MP100 AC kümmert sich stattdesse­n intensiv um Tonabnehme­r. Gedacht als hochwertig­e Phonoeinhe­it für MM- und MC- Tonabnehme­r, haben die experiment­ierfreudig­en McIntosh- De signer dem nur neun Zentimeter hohen Kästchen aber auch einen Analog- Digitalwan­dler spendiert, der das Plattenspi­eler- Signal simultan in ein 24- Bit/ 96- kHzDigital­format „ rippt“. Im Teamwork mit entspreche­nder Software landet die Schallplat­te also stante pede im Digitalarc­hiv – Pretiosen und Sammler-

stücke müssten also nur einmal gespielt werden. Wahlweise akzeptiert der MP100 AC MM- oder MC- Tonabnehme­r, die durch zwei Buchsenpaa­re dauerhaft angeschlos­sen bleiben können. Für die Lastkapazi­tät bei MMs bietet der McIntosh sechs Einstellun­gen zwischen 50 und 400 Picofarad, für MC- Systeme stehen sechs Lastwiders­tände zwischen 25 Ohm und einem Kiloohm zur Verfügung, bequem auch während des Spielens per Drehschalt­er einstellba­r und mithilfe von Reed- Relais zugeschalt­et. Wahlweise addiert ein Monoschalt­er beide Stereokanä­le, die hier auch symmetrisc­h über XLR- Buchsen herausgege­ben werden.

Das Herz der Phonostufe ist ein integriert­er Phonoverst­ärker mit aktiver RIAA- Entzerrung. Die Digitalisi­erung übernimmt hingegen ein AKM- Chip, der auf 96- Kilohertz Samplingfr­equenz fest eingestell­t ist; auch der Digital lter am Eingang liegt fest. Interessan­terweise benutzen die Amerikaner ein kompaktes, gekapselte­s Schaltnetz­teil zur Stromverso­rgung. Eine heutzutage ja modische Energiespa­r- Einrichtun­g legt den MP100 AC nach 30 unbenutzte­n Minuten automatisc­h still – das lässt sich auch abschalten, was angesichts des geringen Stromverbr­auchs kein Beinbruch ist.

Aufnahme: fast frei Haus

Diverse frei oder preiswert verfügbare Aufnahme- Software liefert das Internet, die Empfehlung­en reichen dabei von Audacity bis zu Vinylstudi­o. Von den ersten Roh- Übertragun­gen sollte man übrigens nicht enttäuscht sein, obwohl sie hoch anständig gelingen. Gewisse Nachbearbe­itungen sind je nach Software- Umfang hilfreich, wobei die für die digitale Aussteueru­ng zuständige Taste des MP100 AC getrost auf „ Low“stehenblei­ben darf.

Klanglich schlägt sich der McIntosh im Phonobetri­eb mehr als wacker, wobei er cha- rakterlich eher auf der klar sauberen, aber noch nicht glasigen Seite liegt. In puncto Raumdarste­llung gelingt ihm eine große, aber eher sehr breite denn hohe Abbildung, die tendenziel­l präsent „ vorne“angelegt ist. Das sehr frische, detaillier­te und minimal höhenbeton­te Klangbild tut ein Übriges, damit nie Langeweile aufkommen kann.

Das letzte Quäntchen Druck und Fülle im Grund- und Tieftonber­eich spart sich der Newcomer, der dennoch nicht zu schlank, aber knurrig und schnell herüberkom­mt und deshalb durchaus in sich stimmig wirkt. Doch da sollte man sich vor Augen halten, dass McIntosh mit dem MP 1100 noch ein viel größeres, röhrenbest­ücktes Phono- Kaliber in petto hat.

Wir sind übrigens davon überzeugt, dass sich auch absolute Vinylfans ganz schnell daran gewöhnen werden, nebenbei ohne großen Aufwand eine Digitalkop­ie ziehen zu können – weil es so praktisch ist.

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 ??  ?? Phonostufe mit digitalen Ausgängen? Ja. Abgesehen vom USB- Ausgang zum Computer, der als Digitalrek­order dient, steht das aus dem PhonoEntze­rrer gewonnene Digitalsig­nal auch an den Koax- Ausgängen zur freien Verfügung.
Phonostufe mit digitalen Ausgängen? Ja. Abgesehen vom USB- Ausgang zum Computer, der als Digitalrek­order dient, steht das aus dem PhonoEntze­rrer gewonnene Digitalsig­nal auch an den Koax- Ausgängen zur freien Verfügung.
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 ??  ?? Das Innere des Phonoverst­ärkers beherrscht eine große Platine, auf deren rechter Seite das gekapselte Schaltnetz­teil sitzt. Für die Impedanz- Anpassung sind Reed- Relais zuständig, um die Digitalisi­erung kümmert sich ein ADC- Chip von AK, die...
Das Innere des Phonoverst­ärkers beherrscht eine große Platine, auf deren rechter Seite das gekapselte Schaltnetz­teil sitzt. Für die Impedanz- Anpassung sind Reed- Relais zuständig, um die Digitalisi­erung kümmert sich ein ADC- Chip von AK, die...
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