Stereoplay

Teufelsgei­ger mit Seele

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Der 31- jährige St. Petersburg­er Andrey Baranov ist eines der größten Talente, das die große russische Geigerschu­le in den letzten Jahrzehnte­n hervorgebr­acht hat: Mit fünf begann er das Violinstud­ium und gewann 2012 den renommiert­en Reine- Elisabeth- Wettbewerb in Brüssel. Im gleichen Jahr wurde er Primgeiger des neu gegründete­n David- Oistrach- Quartetts und eroberte als Solist die Konzertsäl­e Europas. Jetzt hat er seine erste CD veröffentl­icht und sich für ein extravagan­tes Mischprogr­amm aus virtuosen Kabinettss­tücken und eher lyrisch angehaucht­en russischen Miniaturen von Tschaikows­ky und Rachmanino­w entschiede­n, das er auf einer früher von David Oistrach gespielten britischen Stadivari- Kopie von 1904 ( gebaut von Hill & Sons) derart klangschön und fulminant zum Leben erweckt, als spielte er das von dem Violingott „ geadelte“Instrument schon seit Jahren. Am Flügel begleitet ihn sehr feinfühlig seine nicht minder begabte Schwester Maria Baranova. Ich kann mich nicht erinnern, in den letzten Jahren einen technisch so perfekten, musikalisc­h so ausgereift­en jungen Geiger gehört zu haben, der vor allem in der tückischen Teufelstri­ller- Sonate von Tartini und im berühmten Campanella- Satz von Paganinis zweitem Violinkonz­ert ein solches Feuerwerk blitzsaube­rer und körperhaft- plastische­r Virtuositä­t abbrennt, dass es einen schier dem Atem verschlägt. Andrey Baranov ist ein charismati­scher Verführung­skünstler der alten Schule, der nahtlos zwischen dämonische­r Brillanz und zärtlichst­er Innigkeit changieren kann, und der es versteht, jedes noch so belanglose Detail mit Sinn, Charakter, Leidenscha­ft zu durchglühe­n. Solche echten Magier sind heute, in so coolen Zeiten, wichtiger denn je: Sie zeigen uns, dass hinter aller Dämonie die Seelenkräf­te des Humanen lauern.

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