Neueste Feinkost
Frisches Futter für den Hörtest bringt die stereoplay- CD. Eine genussreiche Mischung fördert bei jeder HiFi- Demo besondere Qualitäten einer Anlage zutage.
So ein mehrgängiges Gericht für den geschmackvollen Hörtest lässt sich auf vielfältige Art zubereiten. Und auf die Vielfalt kommt es auch beim Hörtesten auf einer HiFiMesse oder beim Demonstrieren einer Anlage an. Die Redaktion machte sich also auf die Suche nach besonderen Tracks, die neben Klanggenuss auch jeweils eine audiophile Disziplin besonders fordern.
Aktuelle Kostproben
Weil dieser HIGH END Guide als Sonderheft komplett dem Groß- Ereignis des guten Klanges gewidmet ist, durfte eine Künstlerin nicht fehlen. Schließlich agiert Kari Bremnes in diesem Jahr dort als Klangbotschafterin. Zu Recht: Sie produziert seit Jahrzehnten Tonträger, die mit ihrer feinsinnigen, Folk- orientierten Musik und ihrem erstklassigen Klang die audiophile Gemeinde begeistern. Auch in ihrem siebten Lebensjahrzehnt bleibt die von den Lofoten stammende Sängerin musikalisch nicht stehen. Ein wenig überrascht lauscht man den elektronischen Klängen, die ihr Produzent Bengt E. Hanssen anrichtete. Doch der Kontrast machte schon immer den Reiz eines Menüs aus. Das Entrée unserer Hörtest- CD lebt vom Zusammenklang der glasklaren, schönen, rätselhaft verhallten Stimme Bremnes‘ – der Song trägt schließlich übersetzt den Titel „ Vielleicht“– mit den tiefgründelnden und mächtig tiefreichenden Bässen und Klangflächen der Synthesizer und Sequenzer. Ganz auf „ natürliche“Zutaten setzen dagegen die folgenden Frauenstimmen: Gefällig fließender Poprock umhüllt die sanfte Stimme von Maria Winther auf der „ Open Road“. Sparsam instrumentierter Songwriter- Jazz mit einem sanft rockenden Riff des Kontrabass und fein groovenden Drums grundiert dann den dyna- misch- präsenten Sopran von Anne Bisson. Eine Stimmlage tiefer, aber nicht weniger anziehend lässt uns das wandlungsfähige Organ von Tokunbo in einem herrlichen Refrain halb träumend die „ Headlights“anzünden.
Mehrere Gänge
Die ersten Gänge unseres Hörtest- Menüs spüren also der Neutralität bei der Stimmwiedergabe, der Dröhnfreiheit der Bässe, der Zartheit der Klangfarben, der Fähigkeit von atmosphärischer Dichte und der dynamischen Präsenz nach. Doch so wie der Gaumen lechzen auch die Ohren nach Abwechslung. Zwei instrumentale Leckerbissen loten die Klangfarbenpalette weiter aus: Die reizvolle Kombination von Dobro und Piano im schwungvollen „ Take Another Five“von Knut Hem und Helge Lien lässt uns auch auf Präzision der Anschläge und die räumlich präzise Abbildung achten. Ähnliches prüft auch der „ Earth Dance“des Native Future Projekt ab, wobei er sich den Luxus eines leisen und langsamen Beginns leistet. Wenn Ihnen beim Hörtest die tiefen Trommeln zu eintönig und fade vorkommen, dann kann die Anlage leider bei leisen Pegeln nicht differenzieren und nachfedern. Den heftigen Mittelteil mit kraftvollem Trommel- Dauerfeuer und schrillen Flöten
sollten Boxen und Endstufen spannungsreich, aber ohne Nerv darstellen.
Satter Groove
Spaß muss sein, auch im Hörtest. Und was könnte mehr Spaß bringen als satter Groove? Und wer bringt den hierzulande besser – natürlich auf hohem Niveau – als Hellmut Hattler? Der Bassist war schon Groove- Minister, lange bevor es die Gruppe gleichen Namens gab. Bei „ Spy“singt Fola Dada noch taktvoll ein paar Zeilen, die ihrem coolen Künstlernamen alle Ehre ma- chen. Der Meister spielt dazu mal akkordisch, mal pluckernd treibend, mal herzhaft slappend – es ist die wahre Pracht. Hoffentlich verdirbt Ihnen die Anlage mit schmierigen Bässen nicht den Spaß. Der darf selbstverständlich auch beim griffigen Bigband- Sound nicht zu kurz kommen. Das pralle Farbspektrum, das Komponist und Arrangeur Jochen Neuffer „ All In“wirft, sollte mit der gleichen Wucht kommen, mit der es Philipp Heck in den berühmten Bauer Studios aufgenommen hat. Das wundervolle Flügelhorn-
Solo von Heidi Bayer sollte keinen Gran seines berückenden Char- mes verlieren. Hecks Tonmeister- Kollege Johannes Wohlleben besorgte übrigens diesmal das Mastering dieser
stereoplay- CD. Und der erfahrene Meister sorgte auch dafür, dass der üb- liche Sprung beim Lautheitsempfinden zwischen den Pop/ Rock/ Jazz- Titeln der CD und den „ klassischen“nicht allzu derb ausfiel. Dennoch wissen erfahrene stereoplay- Leser/ Hörer, dass die dynamische Bandbreite, also der Abstand zwischen leisesten und lau- testen Signalen, bei „ Klassik“deutlich höher ausfällt als bei Pop und deshalb im Durchschnitt als leiser wahrgenommen wird. Selbst wenn die Titel gar nicht aus der Epoche der Klassik stammen wie im Falle der „ HIGH END Demonstration Tracks“.
Krönender Abschluss
Vier Titel entstanden im 20. Jahrhundert – und gleich beim ersten wird mächtig Gas gegeben. Fetziger haben Sie das Finale aus Gershwins „ Concerto in F“sicher noch nie gehört. Es sei denn, Ihre Anlage hat hörbare Schwächen bei der Impulsivität.
Eine räumliche Herausforderung sondersgleichen sogar in Stereo bietet die hochbarocke Messe von Georg Muffat. Die drei weiteren Titel fordern vor allem Klangfarben, Mikrodynamik und Raumabbildung. Und etwas nur bedingt rational zu Fassendes. Wenn Ihre Anlage Sie in Gustav Mahlers „ Adagietto“unberührt lässt, macht sie etwas falsch. Wenn Sie dagegen entspannt bis zum Ende durchhören, macht sie sehr viel richtig. Wenn Sie aber möglicherweise wünschen, das wohlige Klangbad möge weitergehen, dann kann Ihre Anlage High- End. Wenn Sie schließlich lustvoll noch feinste Nuancen in Viernes „ Grave“aufspüren: Das wäre dann der krönende Abschluss eines audiophilen Gourmet- Menüs.