Dynamikfragen und Testmethodik
Josef G. < per Email>
In ihrem Editorial der Oktober-ausgabe stellen Sie die berechtigte Frage, wie viel Dynamik bzw. Leistung nötig bzw. erforderlich sei. Und Sie kommen, auch wiederum berechtigt, zum Schluss, dass die überwiegende Zahl der Hörer wohl mit eher verhaltenen Pegeln unterwegs ist. Ihr Umkehrschluss lautet, dass ein Weniger an Leistung und Box trotzdem ein adäquates Klang-niveau ermögliche.
Dem möchte ich grundsätzlich durchaus zustimmen, allerdings nicht vorbehaltlos. Betrachte ich meine persönlichen Hörgewohnheiten, so höre ich viele Stunden täglich, aber bei durchaus moderater Lautstärke. Obwohl mit ausreichend Leistung ausgestattet, zeigt sich an meinen AVM Ovation MA 8.2 Endstufen praktisch nur selten eine Zahl am Display. Im Klartext: Ich bin zumeist unterhalb der Anzeigeschwelle, also mit Leistung eher auf der zweiten Kommastelle hinter der Null denn auf der ersten unterwegs. Selbstverständlich macht „Gas-geben“auch Spaß, aber das kann man an den bekannten 5 Fingern pro Jahr abzählen.
Trotzdem möchte ich dieses Verstärker-ensemble (AVM Ovation PA 8.3 + 2 Monoblöcke MA 8.2) nicht missen. Hier geht es primär nicht um Leistung, sondern um Klang. Und unabhängig der möglicherweise überdimensionierten Ausgangsleistung ist es der Klang, aufgrund dessen ich diese Verstärker gewählt habe. Auch und gerade beim Leise-hören.
Hieran möchte ich eine Bitte anschließen. Wie Sie in ihrem Editorial ausführen, bringt es Ihre journalistische Neugier mit sich, die Testgeräte an ihre Grenzen zu bringen. Sie hören und testen also Lautsprecher und Verstärker mit Lautstärken, die sich in der Hörpraxis kaum widerspiegeln. Ähnliches tritt auch beim Händler im Hörstudio auf. Hier wird eher mehr als weniger Lautstärke gefahren. Um meine Bitte in Worte zu formen: Ich fände es hilfreich in eine Bewertung von Komponenten gerade deren Klang bei moderaten Lautstärken, also maximal Zimmerlautstärke, gerne auch erheblich darunter zu beurteilen. Denn nach meiner Erfahrung macht es definitiv einen Unterschied, ob 0,1 – 1,0 – 10 oder 100 Watt an einer Box anliegen.
Ihr Ansatz ist sehr interessant, und in der Praxis verfolgen wir auch eine Testphilosophie, bei der mit völlig verschiedenen dynamischen „Aggregatzuständen“getestet wird. Sicher, allein schon für die Bewertung der Grobdynamik und des Basses fahren wir die meisten Komponenten mal kurz aus. Die Einstufung der wichtigeren „Kopfnoten“im Klang, insbesondere Natürlichkeit und Feinauflösung, erfolgt jedoch bei raumtypischen oder allenfalls mittleren Lautstärken, wie sie typisch für das Hören im Wohnzimmer sind.
Das ergibt sich schon aus der Natur des Hörtestens, da bei großen Pegeln hier Fehlurteile denkbar wären. Falls sich Besonderheiten einer Komponente ergeben, die z.b. leise besonders gut spielt, dann erwähnen wir das im Text.
Das gilt vor allem für Lautsprecher. Bei Verstärkern ist es schwierig, hier verschiedene Referenzpegel a priori festzulegen, da niemand wissen kann, welcher Lautsprecher mit welchem Kennschalldruck und welchem Strombedarf in der Praxis wirklich verwendet wird. Insofern tun wir uns schwer damit, diese Testparameter in eine Punktewertung zu gießen, wir werden aber mal verstärkt darauf achten und es im Text oder Fazit erwähnen, falls uns da Besonderheiten auffallen sollten. /