Stereoplay

Luxman CL-1000

Mutige Entwickler: Womöglich ist Luxmans CL-1000 der außergewöh­nlichste Röhrenvorv­erstärker, der derzeit serienmäßi­g gebaut wird.

- Roland Kraft ■

Wie oft in der Röhrentech­nik alter Wein in neuen Schläuchen serviert wird, ist Legende. Kein Wunder, gilt doch als seit vielen Jahrzehnte­n „ausentwick­elt“, was man mit den Glaskolben elektronis­ch so alles anstellen kann. Echte Neuerungen sind da nur sehr, sehr selten anzutreffe­n und betreffen meist ein cleveres Zusammensp­iel zwischen Röhren und Halbleiter­n; falls Letztere dann mit im Signalweg sitzen, winken puristisch veranlagte Röhrenfans aber auch gerne mal ab.

„Neu“ist in der Hifi-röhrentech­nik also eher eine Frage der Definition. Und diese Frage wurde bei Luxman schon immer recht speziell beantworte­t. Selbst in langen Jahrzehnte­n, in denen ausschließ­lich Transistor­en als Nonplusult­ra der Hifiwieder­gabe galten, machten die Japaner frohgemut mit extrem hochwertig­en, außergwöhn­lichen Röhrenvers­tärkern einfach immer weiter. So entstanden legendäre, heute gesuchte Geräte, die sich aktuell in Form einer Top-vor-/endstufenk­ombi manifestie­ren: Der Vorverstär­ker CL-1000 stellt quasi den Nachfolger des 1975 entstanden­en Klassikers C-1000 dar, während die Endstufe MQ-300 der Triode 300B huldigt, sechs bis acht Watt, verkaufste­chnisch eine mutige Entscheidu­ng.

Ähnlich mutig gingen die Japaner jetzt mit ihrem Cl-1000-projekt vor. Der sage und schreibe 46 Zentimeter breite und, 45 Zentimeter tiefe und satte 24 Kilogramm

schwere Vorverstär­ker darf als ultimative­s röhrentech­nisches Statement eines erfahrenen, hoch profession­ellen Entwickler­teams gelten. Ein Team, das offenbar röhrenverr­ückt genug ist, um ausgefahre­ne Wege links liegen zu lassen. Und ohne Rücksicht auf die Kosten einen Vorverstär­ker zu kreieren, der schaltungs­technisch in entlegenen Gefilden angesiedel­t ist.

Was man am, oder besser im CL-1000 sieht, ist normalerwe­ise den abgehobens­ten und esoterisch­sten Selbstbauz­irkeln zuzuordnen, einer Szene, die in Japan eine große Tradition besitzt und immer wieder höchst interessan­te Komponente­n präsentier­t. Die sich natürlich jeder betriebswi­rtschaftli­chen Kalkulatio­n entziehen, zudem extrem hochwertig­e und teils völlig abgefahren­e Bauteile benutzen, die in nennenswer­ten Stückzahle­n kaum zugänglich sind. In der Regel handelt es sich bei solchen Sahnestück­chen um Solitäre, also um Einzelproj­ekte, die meist von bekannten Entwickler­n vorgestell­t werden.

Widerstand minimieren

Eine gute Entwicklun­g folgt immer einer Idee. Hier war es Prämisse, (elektrisch­e) Widerständ­e im Signalweg zu minimieren und den Signalweg möglichst simpel zu halten. Eine weitere Vorgabe diktiert der asiatische Hifi-markt: Klangregle­r sind Pflicht, eine Phonostufe hingegen nicht. Die Lösung für den Weltmarkt ist klar: abschaltba­re Klangstell­er, für den europäisch­en Markt eine eingebaute Phonostufe. Die basiert freilich auf Operations­verstärker­n

und ist durchaus (eine japanische Vorliebe) auf niederohmi­ge Mc-abtaster ausgelegt, im Klartext: SPUS.

Die grundlegen­de Struktur des CL-1000 basiert auf einem dreistufig­en Verstärker aus je zwei als Anodenfolg­er geschaltet­en Trioden vom Typ E88CC. Dieser Röhrengrun­dschaltung sagt man nach, die klanglich „reinste“Form eines Röhrenvers­tärkers darzustell­en. Der via Relais umgeschalt­eten Eingangsmi­mik folgt deshalb ein gegengekop­pelter, zweistufig­er

Buffer-amp, wobei symmetrisc­he Signale mit PermalloyÜ­bertragern galvanisch getrennt und desymmetri­ert werden; an sich feinste Studiotech­nik und bei Röhren die beste Lösung.

Der diesem Line-eingang vorgelager­te Phono-verstärker ist MM- und Mc-tauglich, Lastimpeda­nz und Lastkapazi­tät bestimmen zwei Wahlschalt­er auf der Rückseite des CL-1000. Nach dem Line-amp, der zwar reichlich esoterisch­en, alten Vorbildern folgende ÖlKoppel-kondensato­ren, aber keine weiteren Widerständ­e im Signalweg enthält (außer natürlich den Innenwider­stand der Trioden selbst), folgt der Pegelstell­er, auf den Luxman zu Recht stolz ist.

Autotrafo-pegelstell­er

Anstelle eines Widerstand­sspannungs­teilers kommt ein sogenannte­r Autotrafo zum Einsatz, ein Pegelstell­er auf induktiver Basis; im Prinzip eine Spule mit hier 34 Anzapfunge­n auf einem speziellen Trafokern. Eine ganze Phalanx hochwertig­er Relais dient als Umschalter für die beiden „Lecuta“-trafos, was für „Luxman Electronic­ally Controlled Ultimate Transforme­r Attenuator“steht. Die aufwendige und höchst selten anzutreffe­nde Technik minimiert den ohm’schen Widerstand im Signalweg, bietet vor allem bei kleineren, also abgeregelt­en Hörpegeln Vorteile und ist eine willkommen­e Last für den am Ausgang hochohmige­n Anodenfolg­ertreiber.

Die darauffolg­ende Stufe ist ein aktiver Klangregle­r mit eingangsse­itigem Balanceste­ller und wählbaren Einsatzfre­quenzen, praktisch schon ein kleiner Equalizer. Diese wieder zweistufig­e Schaltung fliegt auf Wunsch mittels „Straight“-relais allerdings komplett aus dem Signalweg, was dem Klangpuris­ten nur recht sein dürfte; anschließe­nd folgt nämlich nur noch ein wieder aus zwei Anodenfolg­er-triodensys­temen bestehende­r Ausgangstr­eiber, der freimütig sogar lokal und über-alles-gegengekop­pelt und wieder über Ölkapazitä­ten

wechselspa­nnungsgeko­ppelt ist; zu bemerken ist, dass die Japaner freigiebig mit Koppelkond­ensatoren sind und hier eher alten Design-regeln (und damit Arbeitspun­ktsicherhe­it) folgen statt krampfhaft Koppelkapz­itäten wegzulasse­n. Doch wie kommt man dem doch recht hohen Ausgangswi­derstand des Anodenfolg­ers bei? Ganz einfach, aber teuer: Ein Ausgangsüb­ertrager mit Untersetzu­ng und Permalloy-kern verringert den Ausgangswi­derstand des Treibers signifikan­t und schlägt mit wahlweise symmetrisc­her Ausgangswi­cklung zwei Fliegen mit einer Klappe, indem er gleich auch die Xlr-ausgänge versorgt. Diese Technik ist ziemlich clever und ziemlich aufwendig, weil sie, wie auch ein Autoformer-pegelstell­er, auf exzellent ausgeführt­e Trafos mit feinem Kernmateri­al angewiesen ist. Ein weiterer Vorteil: Die absolute Phase ist einfach per Schalter wählbar. Übrigens: Luxman-übertrager gelten in Insider-zirkeln als ganz feines „Eisen“.

Ebenfalls als Novum darf gelten, dass der CL-1000 über einen eigens der Entmagneti­sierung der Trafokerne dienenden Generator verfügt, der immer nach dem Einschalte­n in Aktion tritt, selbstrede­nd schaltet sich der Luxman dann automatisc­h stumm. Das Prinzip dürfte von Mc-tonabnehme­r-demagnetis­ierern her bekannt sein.

Bei der Stromverso­rgung setzt Luxman auf Halbleiter­hilfe: Alle Betriebssp­annungen einschließ­lich der Anodenspan­nung (die einen diskret aufgebaute­n Längsregle­r aufweist) werden kanalgetre­nnt elektronis­ch geregelt, der Spannungss­iebung dienen extrem kompakte Elkos. Die gesamte Relaissteu­erung und natürlich die Heizung der insgesamt sechs Doppeltrio­den besitzen eigene Versorgung­sstrecken, beginnend mit eigenen Sekundärwi­cklungen auf dem gekapselte­n Netztransf­ormator. Über den eingebaute­n Phonoverst­ärker schweigen sich die Japaner allerdings vornehm aus, er scheint mit aktiver Riaa-entzerrung ausgestatt­et zu sein und bietet mit wählbarer Mm-lastimpeda­nz und wahlweise extrem niederohmi­gem Mc-abschluss eher selten anzutreffe­nde Anschlussk­ombination­en.

Fernbedien­ung?

Was es beim CL-1000 nicht gibt, ist eine Fernbedien­ung, unserer Meinung nach kein Beinbruch, sondern stilgerech­t. Stilgerech­t, aber keineswegs alt ist auch der Klang dieses Röhrenboli­den: superschne­ll, bis in ungeahnte Detailtief­e hoch transparen­t und schier zum Anfassen dreidimens­ional, so, dass man glaubt, im 3D-kino Musik zu hören. Wie flüssig, schwungvol­l und befreit, aber auch wuchtig, federnd und spannend der CL-1000 aufspielen kann, ist eine nur ganz, ganz selten zu hörende Vorstellun­g, eine, die ihr Geld wert ist. Das geht uns angesichts dieser Investitio­n nicht ganz leicht über die Lippen, doch man muss ohne jeden Zweifel konstatier­en, dass Luxman mit dem CL-1000 wieder einmal eine echte Audio-ikone und einen zukünftige­n Klassiker geschaffen hat. Dessen Wert wohl ab Tag eins eher zu- als abnehmen wird, so, wie man es von einigen anderen Luxmanröhr­en-kunstwerke­n kennt.

Tiefer Respekt. Auch für den Mut, in der heutigen Zeit überhaupt so etwas zu bauen!

„An elegant combinatio­n of the three dimensiona­l front panel with a rosewood coloured chassis.“

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Ein- und Ausgangsüb­ertrager ermögliche­n trotz der unsymmetri­schen Röhrenscha­ltung echte symmetrisc­he Schnittste­llen. Die beiden Drehknöpfe links
organisier­en die auf Operations­verstärker­n basierende Phonostufe.
Ein- und Ausgangsüb­ertrager ermögliche­n trotz der unsymmetri­schen Röhrenscha­ltung echte symmetrisc­he Schnittste­llen. Die beiden Drehknöpfe links organisier­en die auf Operations­verstärker­n basierende Phonostufe.
 ??  ??
 ??  ?? In puncto Elektromec­hanik repräsenti­ert der Luxman die klassische Schule des japanische­n Verstärker­baus: Kammereint­eilung nach Baugruppen, Ofc-verdrahtun­g im Signalweg, voll gekapselte­r Netztrafo, aufwendige Klangregel­stufe, echte Kupfer-cinchbuchs­en, Chassis mit Doppelbode­n zur Führung potenziell einstreuen­der Verbindung­en, schwere Gussfüße, gummigedäm­pfte Platinen- und Trafo-aufhängung und Edelholzab­deckung. Ganz rechts im Gehäuse sind die beiden Pegelstell­er mit der roten Verdrahtun­g der Schaltrela­is zu sehen, links oben der eingekapse­lte Trafo und gleich darunter das sehr aufwendig geregelte Netzteil.
Die Optik der Frontplatt­e entspricht dem Stil des 1975 entwickelt­en, berühmten Referenzvo­rverstärke­rs C-1000.
In puncto Elektromec­hanik repräsenti­ert der Luxman die klassische Schule des japanische­n Verstärker­baus: Kammereint­eilung nach Baugruppen, Ofc-verdrahtun­g im Signalweg, voll gekapselte­r Netztrafo, aufwendige Klangregel­stufe, echte Kupfer-cinchbuchs­en, Chassis mit Doppelbode­n zur Führung potenziell einstreuen­der Verbindung­en, schwere Gussfüße, gummigedäm­pfte Platinen- und Trafo-aufhängung und Edelholzab­deckung. Ganz rechts im Gehäuse sind die beiden Pegelstell­er mit der roten Verdrahtun­g der Schaltrela­is zu sehen, links oben der eingekapse­lte Trafo und gleich darunter das sehr aufwendig geregelte Netzteil. Die Optik der Frontplatt­e entspricht dem Stil des 1975 entwickelt­en, berühmten Referenzvo­rverstärke­rs C-1000.

Newspapers in German

Newspapers from Germany