Vergangene Größe
In einer ungewöhnlich dramatischen Ausstellung rekonstruiert die Galleria dell’Accademia in Venedig zum 200. Geburtstag das künstlerische Geschehen ihrer Gründungsphase
Antonio Canova, einen virtuosen Anhänger der Klassik, dessen zu jener Zeit fast maßloser Ruhm auf der Fähigkeit beruhte, Zeitgenossen in die Antike zu versetzen. Auf ihn ging denn auch der Gedanke zurück, in der Betrachtung der alten Kunst sei die Kraft und die Inspiration für die neue Kunst zu finden. Stützen konnte sich Antonio Canova, der zwischen Rom und Venedig pendelte, dabei auf Leopoldo Cicognara, einen vielfach vernetzten Grafen aus Ferrara, der als Kunsthistoriker bekannt geworden war und zum ersten Präsidenten der Accademia wurde. Er sorgte nicht nur dafür, dass der größte Teil der nach Paris verschleppten Werke nach Venedig zurückkehrte, sondern konnte auch durchsetzen, dass diese nicht in die Verborgenheit der Palazzi verschwanden, aus denen französische Offiziere sie herausgeholt hatten, sondern ins Museum kamen. Und er kümmerte sich, dass private Sammlungen in der Accademia aufgingen, darunter das Erbe des Malers und Fälschers Giuseppe Bossi, zu dem das berühmte, aber in der Herkunft unsichere „Selbstbildnis“Leonardo da Vincis gehört.
Leopoldo Cicognara oblag darüber hinaus die schwierige Aufgabe, den Tribut der venezianischen Provinzen aufzutreiben, den der Hof in Wien zur Hochzeit des Kaisers mit der bayrischen Prinzessin Caroline Augusta erwartete. Er hatte erreichen können, dass diese Gabe nicht in Geld, sondern in Kunst bestehen konnte – wobei die Statue der Muse Polyhymnia (sie steht in der Hofburg), eines der besten Werke Antonio Canovas, wesentlich zum Entgegenkommen der Österreicher beitrug.
Ein mächtiger Tisch, ein Teil jenes Tributs, von Venezianer Handwerkern aus Bronze, Gold und Glas gefertigt und nun in der Mitte der Ausstellung aufgebaut, zeigt indessen, wie weit sich das Bedürfnis nach Repräsentation damals schon verselbständigt haben muss. Vermutlich war es auch deshalb eine gute Idee, dass Antonio Canova und Leopoldo Cicognara den Maler Francesco Hayez, um eine Generation jünger als seine beiden Förderer, für die Zukunft der venezianischen Kunst hielten, der Natürlichkeit und Eleganz seines Stils wegen – und von welch ergreifender Lebendigkeit ist das Selbstporträt, in dem Francesco Hayez unter seiner dunklen Mütze dem Betrachter in die Augen schaut.
Der Maler ging dann aber nach Mailand, wo er mit großen Erfolg den italienischen Historismus mit Bildern aus ferner Vergangenheit versorgte. Antonio Canova starb, zur Bestürzung der ganzen Nation, im Oktober 1822. Zurück ließ er ein im Jahr 1827 fertiggestelltes Grabmal in der Kirche Santa Maria Gloriosa dei Frari, direkt gegenüber dem Monument für Tizian platziert, das in seiner kolossalen pyramidalen Gestalt wirkt, als wäre es von außerirdischen Banausen dorthin getragen worden. Und während es noch eine Weile so ausgesehen haben muss, als ginge mit dem Gedenken an Antonio Canova noch eine Verpflichtung auf den Klassizismus einher, hatte Lord Byron schon „Childe Harold’s Pilgrimage“geschrieben. Mit diesem Gedicht wurde das romantische Bild einer dekadenten, dem Untergang geweihten Stadt ästhetisch verbindlich: „Stumm rudert der liedlose Gondoliere.“Der Untertitel dieser Ausstellung lautet „der letzte Ruhm Venedigs“, und er ist angemessen: Einmal bäumt sich die Kunst noch auf, und dann kommt das Museum.
Canova, Hayez, Cicognara: L’ultima gloria di Venezia. Galleria dell’Accademia, Venedig. Bis 4. April. Der italienische Katalog kostet 39 Euro.
Ergreifende Lebendigkeit: Der Graf Cicognara und seine Famile, gemalt von Francesco Hayez, vor der Wand die Büste Canovas (oben); Selbstporträt von Francesco Hayez (unten).