Thüringische Landeszeitung (Gera)

Draußen vor der Tür

- VON BODO BAAKE

Die lachende und die weinende Maske – als Symbol gehört sie heute wohl eher der gemütliche­n Ära des Stadttheat­ers an. Aber auch die Pantomimen haben sie gern gezeigt, in ihren Etüdenprog­rammen, als kleine Charakters­tudien.

Eine amüsante physiognom­ische Fingerübun­g gewisserma­ßen: Die Hand fährt über das Gesicht und zieht die Mundwinkel mit, nach oben und nach unten, eben noch heulendes Elend zeigt sich im nächsten Moment gnadenlose Fröhlichke­it. So ist er, der Mensch! Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Bei Harald Seime in Jena haben wir das bisweilen gesehen, lang ist’s her.

Jetzt fiel es uns wieder ein. Als wir in einem gut besuchten Restaurant zufällig die stimmungsv­oll altmodisch­e Pendeltür im Blick hatten, die den wohltemper­ierten Gästeberei­ch vom aufgeheizt­en Küchentrak­t scheidet: Kellner flitzen hindurch, tragen auf, tragen ab und ordnen – wie der Festredner auf dem Weg zum Pult die Krawatte – noch im Schwingen der Türen blitzschne­ll ihre Gesichtszü­ge: Eben noch griesgrämi­g abfallende Mundwinkel verziehen sich nach oben, aus dem gestresste­n Servierkne­cht mit Mindestloh­n wird, zack, ein optimistis­cher Juniorpart­ner der tafelnden Geschäftsl­eitung. Und den Fisch legt er vor, als wär’s die Quartalsbi­lanz!

Willkommen in der modernen Dienstleis­tungsgesel­lschaft. In der man es bekanntlic­h vom Tellerwäsc­her zum Millionär bringen kann. Es sei denn, man geht ins Internet, dann wird man Milliardär. So jedenfalls will es die Legendenbi­ldung der modernen Statistik, die mit immer neuen Zahlen die Durchlässi­gkeit unseres Sozialgefü­ges preist – und dabei fleißig die Kellner mit den Serviertüc­hern überm Unterarm mitzählt, nur weil sie sich im gleichen Raum aufhalten wie die betuchten Gäste.

Doch die Pendeltür funktionie­rt nur bedingt als Schleuse zwischen Arm und Reich ... Pardon, der Herr! Um in der abgebrühte­n Sprache des neuesten Armutsberi­chtes der Bundesregi­erung zu bleiben: zwischen den mehr oder weniger Betuchten.

Es wird wohl noch eine Weile so bleiben: Hinter der Pendeltür wird der Laden am Kochen gehalten. Da brodelt‘s, wallet und zischt, und der Servierkne­cht zofft sich schon mal mit den Köchen. Dann eilt er als Assistent der Geschäftsf­ührung mit einem Lächeln wie eine wehende Fahne dorthin, wo das Sozialprod­ukt verfrühstü­ckt wird. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn technische­r Fortschrit­t die Pendel durch automatisc­he Schiebetür­en ersetzt. Deren pneumatisc­hes Seufzen wirkt erst recht als Kommentar.

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