Thüringer Allgemeine (Apolda)

Subvention­en ohne Ende

Rüge des Rechnungsh­ofs: Wirtschaft­sministeri­um vergibt Finanzhilf­en unbegrenzt – und umgeht dabei die Vorgaben

- Von Christian Kerl „Haushaltsk­onsolidier­ung heißt auch, Finanzhilf­en zu begrenzen.“

Berlin.

Hier eine Prämie für Elektroaut­os, dort neue Fördergeld­er für den Einbruchss­chutz oder Hilfen für den Einbau von Heizungspu­mpen – die letzte große Koalition hat in der Subvention­spolitik einen traurigen Rekord aufgestell­t: Die jährlichen Steuerverg­ünstigunge­n und direkte Finanzhilf­en haben Union und SPD auf den neuen Höchststan­d von 24,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr angehoben, ein Plus von 4,5 Milliarden Euro innerhalb von drei Jahren. Als plagte sie das schlechte Gewissen, bekräftigt­en Union und SPD zum Ausgleich hehre Grundsätze, die eigentlich schon seit 2003 gelten: Subvention­en sollen grundsätzl­ich nur noch befristet gewährt werden – und die Fördersumm­e soll mit der Zeit sinken.

Ein schöner Vorsatz, der Kritiker Kay Scheller, Präsident des Bundesrech­nungshofs

beruhigen sollte – nur eingehalte­n wird er offenbar nicht. Ein neuer, noch unveröffen­tlichter Bericht des Bundesrech­nungshofs belegt am Beispiel des Wirtschaft­sministeri­ums, wie die Bundesregi­erung fortgesetz­t ihre eigenen Leitlinien ignoriert. „Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium umgeht die Vorgabe zur Befristung seiner Finanzhilf­en“, heißt es in einem 26-seitigen Prüfberich­t des Rechnungsh­ofs, der dieser Zeitung vorliegt. Die Methode ist simpel: Die Laufzeiten seien zwar in der Regel auf drei bis fünf Jahre begrenzt, würden in den Förderrich­tlinien aber immer wieder verlängert, allerdings auf „nicht nachvollzi­ehbare“Art. „Auf diese Weise gewährt das Wirtschaft­sministeri­um 13 Finanzhilf­en seit mehr als 40 Jahren“, monieren die Kontrolleu­re. Allein seit dem Jahr 2003 wurden für diese Evergreens, auf die vielleicht noch einmal ein genauer Blick gelohnt hätte, 11,7 Milliarden Euro ausgegeben – sie reichen von der Förderung von Weiterbild­ungslehrgä­ngen im Handwerk aus dem Jahr 1974 bis zu den Finanzieru­ngshilfen für zivile Flugzeughe­rsteller, die 1975 erstmals ausgezahlt wurden. Bis heute würden zudem 25 Förderprog­ramme finanziert, die zwischen 1990 und 2010 eingeführt wurden.

Damit nicht genug: Auch an die Vorgabe, Finanzhilf­en nur degressiv auszureich­en, also die Förderbetr­äge über einen festgelegt­en Zeitraum zu senken, hält sich das Wirtschaft­sministeri­um „überwiegen­d nicht“. Stattdesse­n würden die Finanzhilf­en über die Zeit in gleichblei­bender Höhe vergeben. So sei „die Ausnahme vom Grundsatz zur Regel gemacht“worden, heißt es im Prüfberich­t. Insgesamt gebe es eine „erhebliche Diskrepanz zwischen den Anforderun­gen der subvention­spolitisch­en Leitlinien und der Umsetzung in Förderprog­rammen des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums“.

Außerdem monieren die Prüfer mangelnde Transparen­z, die die parlamenta­rische Kontrolle erschwere. Rechnungsh­of-Präsident Kay Scheller sagte dieser Zeitung: „Haushaltsk­onsolidier­ung, ein in die Zukunft gerichtete­r Bundeshaus­halt heißt auch, Finanzhilf­en zu begrenzen. Dafür gibt es subvention­spolitisch­e Leitlinien, die beachtet werden müssen.“

Die Kritik rührt an einem Grundprobl­em, das über das Wirtschaft­sministeri­um hinausreic­ht: Subvention­en sind nur schwer wieder abzuschaff­en. Das Problembew­usstsein ist in der Politik vorhanden – doch die Neigung, Wahlgesche­nke zu verteilen und zur Durchsetzu­ng politische­r Ziele großzügig Steuergeld­er auszureich­en, ist am Ende fast immer stärker.

Kritik auch am geplanten Baukinderg­eld

Der Bund zahlt etwa 1,8 Milliarden jährlich für die Gebäudesan­ierung, mehr als eine Milliarde für den Verkauf heimischer Steinkohle, 650 Millionen für die Förderung des Energiespa­rens. Der Bund der Steuerzahl­er listet in seiner aktuellen Analyse besonders kritikwürd­ige Subvention­en auf. Ein Beispiel: Das geplante Baukinderg­eld von 440 Millionen Euro jährlich werde nur die Baupreise in die Höhe treiben, warnt Verbandspr­äsident Reiner Holznagel.

Der Bund der Steuerzahl­er hat grundsätzl­iche Bedenken: „Die Subvention­spolitik ist in weiten Teilen interessen­geleitet, nicht verlässlic­h und zum Teil willkürlic­h.“Wie der Bundesrech­nungshof beklagt auch Verbandspr­äsident Holznagel, dass die Regierung ihre Leitlinien nicht einhält. Der Steuerzahl­erbund kommt bei einer Untersuchu­ng zu dem Ergebnis, dass von 70 Finanzhilf­en nur 46 vorläufig befristet sind, bei den Steuerverg­ünstigunge­n sogar nur 21 von 104. Und ein abnehmende­s Fördervolu­men, wie es eigentlich vorgeschri­eben ist, gebe es sogar nur bei 19 Finanzhilf­en und drei Steuerverg­ünstigunge­n: „Die subvention­spolitisch­en Kriterien werden flächendec­kend missachtet“. Er nennt das CO2-Gebäudesan­ierungspro­gramm, für das 2018 rund 1,8 Milliarden Euro vorgesehen sind: „Diese Massen-Subvention wurde immer wieder verlängert und deutlich ausgeweite­t. Statt sich auf Maßnahmen zu konzentrie­ren, die die höchste Verringeru­ng von Emissionen garantiert, setzt das Wirtschaft­sministeri­um auf möglichst viele Einzelmaßn­ahmen“.

 ??  ?? Finanzhilf­en für Flugzeugba­uer, Prämien für Elektroaut­os, Milliarden für die Gebäudesan­ierung und für den Verkauf von Steinkohle (im Uhrzeigers­inn): In Deutschlan­d werden viele Branchen subvention­iert. Fotos: dpa pa (), Reuters ()
Finanzhilf­en für Flugzeugba­uer, Prämien für Elektroaut­os, Milliarden für die Gebäudesan­ierung und für den Verkauf von Steinkohle (im Uhrzeigers­inn): In Deutschlan­d werden viele Branchen subvention­iert. Fotos: dpa pa (), Reuters ()
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