Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Der Künstler und sein Kanzler

Gerhard Schröder eröffnet morgen erneut eine Ausstellun­g von Uwe Bremer. Sie befasst sich in Ettersburg auch mit Luthers Dämonen

- Von Michael Helbing

Ettersburg.

Es liegen gewisserma­ßen Fluch und Segen über dieser Freundscha­ft. Denn wo Uwe Bremer ausstellt, ist Gerhard Schröder nicht weit. Das verschafft dem Künstler natürlich Aufmerksam­keit, eine allerdings, die sich dann doch eher auf den Bundeskanz­ler (a.D.) richtet.

So war es 2003, als der Kunstkurat­or Hans-Dieter Mück eine BremerRetr­ospektive besorgte: Der amtierende Kanzler sorgte zur Vernissage für ein brechend volles Kunsthaus in Apolda; die Ausstellun­g sahen dann binnen zwei Monaten nicht ganz 2300 Besucher. So wird es wieder sein, wenn der Altkanzler am Freitag eine neue Bremer-Schau auf Schloss Ettersburg eröffnet, die wiederum Mück kuratierte (er zeichnet ja überhaupt fürs Ettersburg­er Galeriepro­gramm verantwort­lich).

Uwe Bremerus Bischleben­sis, wie sich der Künstler zeitweise nennt, weil er 1940 in Erfurt-Bischleben geboren wurde und dort die ersten neun Jahre seines Lebens zubrachte, dieser Bremer also ist „immer noch ein Geheimtipp unter Kunstfreun­den“, sagt Mück. Er ist es auch unter den Künstlerfr­eunden Gerhard Schröders, zu denen Georg Baselitz, Markus Lüpertz und der bereits verstorben­e Jörg Immendorff zählen.

Dabei stammt von Bremer das erste, allerdings inoffiziel­le Kanzlerpor­trät von 1999, auf dem sich Schröder seine Zigarre an der Sonne entzündet. Zudem lässt Bremers unverwechs­elbarer Stil, den Mück als „phantastis­chen Realismus“klassifizi­ert, den Kanzler leicht deformiert erscheinen. Das Bild hängt bei Schröder zu Hause, für die Ahnengaler­ie im Kanzleramt vertraue er sich dann lieber Immendorff an.

Schröders Eitelkeit blieb eben immer die eines bekennende­n Proleten, nicht die eines Intellektu­ellen oder gar Schöngeist­es. Allerdings hat er sich in der Kunst „für einen Laien enormes Wissen angeeignet und kann darüber reden“, weiß Mück.

Das bestätigt auch der unter anderem in Weimar lebende Künstler und Architekt Mathias Buß, von dem vor zwei Jahren Pastelle auf Ettersburg zu sehen waren. Vor zwei Wochen eröffnete Buß seine Ausstellun­g „Egypt Orient – Das Tor ins Morgenland“in der Ägyptische­n Botschaft in Berlin. Zwei Stunden vor der Vernissage tauchte Schröder zur Soloführun­g auf und hatte viel zu Ausdruck und Techniken zu sagen.

Nicht der Arbeitsmar­ktreformer von 2003, sondern der Kirchenref­ormator von 1517 steht derweil im Ettersburg­er Fokus. „Martin Luther und andere unartige Abartigkei­ten“heißt die Ausstellun­g. Zum vorgegeben­en Thema besorgte Bremer für Ettersburg acht Aquarelle und eine Radierung, die laut Mück „den Knaller des langweilig dahin dümpelnden Reformatio­nsjubiläum­s“darstellen.

Wohl der Wiedererke­nnbarkeit wegen, die Bremer mal mehr, mal weniger wichtig scheint, zitiert er allenthalb­en den Luther als Doktor der Theologie, wie ihn Cranach malte. Er konfrontie­rt ihn mit allerlei monströsen Dämonen, die, so die Bildtitel, „Unterm Tisch“, „An der Wand“oder „Hinterm Vorhang“lauern.

Es sind dies, auf detailvers­essenen Bildern, die zu permanent neuen Entdeckung­en einladen, gewiss auch Bremers Dämonen. Denn „individuel­le irrational­e Phantaster­eien“, so Mück, begleiten ihn seit den Sechzigern, beginnend mit Leviathan, Dracula oder Frankenste­in. Das Nämliche gilt für den deftigen Humor, der deutlich Dämonen des Sexuellen einschließ­t. „Es ist halt eine männliche Kunst“, sagt Mück lapidar. Den Kurator stellt Bremer auf einer Radierung dem Luther zur Seite.

Hinzu tritt in dieser Ausstellun­g unter anderem Bremers Zyklus „Über Leben“von 2011, der ebenfalls erstmals öffentlich gezeigt wird.

Diese Aquarelle künden sehr schrill und ironisch von Verfall und Krankheite­n, der Maler porträtier­t sich dabei mitunter auch selbst

Vertreten sind zudem zwei Hörselberg-Radierunge­n, die Bremer speziell für die Apoldaer Ausstellun­g geschaffen hatte: Eine farbige heißt „Hörselberg T.V.“, was doppeldeut­ig auch als Initial von Tannhäuser und Venus zu erkennen ist.

Als Illustrati­onen für Sagenbüche­r entstanden „Geistermes­se in St. Severi in Erfurt“oder „Der Sängerkrie­g auf der Wartburg“. Nicht zuletzt wartet Bremers „Jungfrau klassisch“mit Tischbeins Goethe-Kopf auf.

So sind also hinreichen­d Thürin- ger Bezüge hergestell­t von einem Künstler, der aus Erfurt stammt, aber doch gänzlich unthüringi­sch sozialisie­rt ist. In Westberlin gründete er 1963 die „Werkstatt Rixdorfer Drucke“mit; auch Johannes Vennekamp, der im vergangene­n Jahr in Ettersburg „Weimarer Köpfe“zeigte, war dabei. Acht Jahre später zog er mit der Werkstatt ins Alte Schloss Gümse im Wendland um, wo er bis heute lebt; die Werkstatt ist inzwischen zurück in Berlin, in einem eigenen Museum.

Gerhard Schröder war Bremers Untermiete­r in Gümse, später abgelöst von Regisseur Peter Zadek. So begann eine Freundscha­ft. Was deren Fluch und Segen betrifft, verhält es sich damit bei Bremer womöglich ähnlich wie mit Himmel und Hölle auf seinen Bildern: „Der Himmel ist langweilig, in der Hölle geht bei ihm die Post ab“, so Kurator Mück.

Kurator Mück: „Individuel­le irrational­e Phantaster­eien“

Eröffnung morgen, . Uhr, Schloss Ettersburg. Zu sehen bis . Mai (Mo-Fr von - Uhr).

 ??  ?? Ein Blick in die neue Ettersburg­er Uwe-Bremer-Ausstellun­g „Martin Luther und andere unartige Abartigkei­ten“. Susanne Wagner steht hier zwischen dem Aquarell „Luther: In der Nacht“und der Radierung „Scorpion unterm Planetenba­um“. Foto: Maik Schuck
Ein Blick in die neue Ettersburg­er Uwe-Bremer-Ausstellun­g „Martin Luther und andere unartige Abartigkei­ten“. Susanne Wagner steht hier zwischen dem Aquarell „Luther: In der Nacht“und der Radierung „Scorpion unterm Planetenba­um“. Foto: Maik Schuck
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