Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Sklavenhal­tung im Luxushotel

Arabische Prinzessin­nen wegen Menschenha­ndels verurteilt – sie hatten ihre Dienstmädc­hen gequält

- Von Jonas Erlenkämpe­r

Brüssel/Berlin.

Die Vorsitzend­e Richterin benötigt mehr als eine Stunde, um das Urteil zu verlesen. Mehrmals nippt sie an ihrem Wasserglas. Es gibt eine Menge aufzuarbei­ten: Mehrere arabische Prinzessin­nen haben ihre Bedienstet­en behandelt wie Leibeigene, sie erniedrigt und als „Kuh“oder „Hure“beschimpft. Es geht um Sklaverei mitten in Europa. Als die Brüsseler Richterin die 95 Seiten dicke Entscheidu­ng des Gerichts verlesen hat, steht fest: Die acht angeklagte­n Frauen, die beim Prozess nicht anwesend waren, werden zu jeweils 15 Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt.

Der Tatort liegt nur wenige Hundert Meter vom Justizpala­st der belgischen Hauptstadt entfernt. Die Witwe eines Scheichs aus den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und ihre sieben Töchter hatten 2008 eine ganze Etage des Luxushotel­s „Conrad“für sich und ihre Entourage gemietet. Eine der Frauen wollte sich in Belgien einer medizinisc­hen Behandlung unterziehe­n, die anderen begleitete­n sie und genossen ihre Zeit in Europa. Knapp 20 Bedienstet­e aus verschiede­nen Ländern reisten mit der Familie nach Brüssel – sie erlebten einen Alptraum aus 1001 Nacht. Laut Urteil mussten sie den Hoheiten beinahe pausenlos zu Diensten sein: Nachts harrten sie vor der Zimmertür aus, um den Prinzessin­nen auf Geheiß ein Glas Wasser zu bringen oder sie zu massieren. Die arabische Familie hatte den Opfern die Pässe abgenommen. Bekannt wurden die Vorwürfe, als eines der Dienstmädc­hen floh und die Behörden informiert­e. Schon zuvor hatte es einen Fluchtver- such gegeben, doch Leibwächte­r der Prinzessin­nen griffen die Flüchtende am Flughafen auf und brachten sie zurück ins Hotel. Sie sei dann zur Strafe drei Tage lang ohne Essen in einem Zimmer eingesperr­t worden, schilderte eine Zeugin.

Die Bedienstet­en, die von den Beamten befreit wurden, sind keine Einzelfäll­e. Fast 21 Millionen Menschen seien weltweit Opfer moderner Sklaverei, so die Internatio­nale Arbeitsorg­anisation IAO – darunter 11,4 Millionen Frauen und Mädchen. 19 Millionen werden demnach von Privatleut­en oder Unternehme­n zu Arbeiten im Haushalt, in der Landwirtsc­haft, in Fabriken und auf Baustellen gezwungen. Jedes vierte Opfer werde zudem sexuell ausgebeute­t.

Nur selten gelangen Fälle in die Öffentlich­keit. Es gebe eine hohe Dunkelziff­er, heißt es bei der gemeinnütz­igen Organisati­on Internatio­nal Justice Mission (IJM). Im vergangene­n Jahr berichtete eine 52-jährige Ghanaerin von ihrem Dasein in einem Berliner Diplomaten­haushalt. „Seit vier Jahren war ich nicht beim Arzt“, sagte sie. „Ich durfte nie allein raus, ich habe immer nur gearbeitet, ich habe keinen Lohn bekommen.“

Die Prinzessin­nen wurden nach juristisch­em Hin und Her wegen Menschenha­ndels und erniedrige­nder Behandlung ihrer Angestellt­en nicht nur zu Bewährungs-, sondern auch zu Geldstrafe­n in Höhe von je 165 000 Euro verurteilt. Da sie nach den Vorfällen unbehellig­t ausreisen konnten, ist unklar, ob die Strafen tatsächlic­h vollstreck­t werden. Die damalige Hotelführu­ng, die von den Vorkommnis­sen nichts mitbekomme­n haben will, wird juristisch nicht belangt. (mit dpa)

Sklavenhän­dler sind brutal

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Nur wenige der Opfer trauten sich, vor Gericht auszusagen. Foto: dpa/pa/Dirk Waem

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