Thüringer Allgemeine (Bad Langensalza)

Europa droht Airlines mit Strafen

Kommission soll künftig gegen staatlich unterstütz­te Unternehme­n vorgehen. Treffen könnte es Linien wie Etihad

- Von Christian Kerl

Brüssel. Schon seit Langem klagen europäisch­e Fluggesell­schaften wie Lufthansa oder Air France über unfaire Konkurrenz: Airlines der Golfstaate­n, aber auch aus der Türkei oder aus dem Fernen Osten hätten dank staatliche­r Subvention­en und unlauterer Praktiken enorme Wettbewerb­svorteile im europäisch­en Flugmarkt und könnten so Marktantei­le in Europa erobern, lautet die Kritik.

Bei der EU scheint man die jahrelange­n Beschwerde­n nun ernst zu nehmen. Nach Informatio­nen dieser Zeitung wird das EU-Parlament an diesem Dienstag die Weichen für ein schärferes Vorgehen der EU-Kommission gegen unlauteren Wettbewerb im Flugverkeh­r stellen.

Künftig soll die EU-Kommission bei solchen Beschwerde­n Untersuchu­ngen einleiten können, sobald die „Gefahr einer Schädigung“besteht. Und wenn sich unfaire Wettbewerb­spraktiken nachweisen lassen, drohen den Fluggesell­schaften etwa aus Nah- oder Fernost Sanktionen in der EU: von Geldstrafe­n und Überflugge­bühren bis hin zum Entzug von Landerecht­en. „Mit diesem Instrument kann die EU endlich angemessen auf unfaire Praktiken im Luftverkeh­r reagieren“, sagt Markus Pieper, federführe­nder Berichters­tatter im EU-Parlament, der CDU-Abgeordnet­e und Luftverkeh­rsexperte, dieser Zeitung. „Die globalen Wettbewerb­sbedingung­en sind extrem unterschie­dlich.“

Pieper hat den Beschluss vorbereite­t, den der zuständige Verkehrsau­sschuss des Parlaments mit absehbar großer Mehrheit treffen wird. Den Entwurf der Kommission werden die Abgeordnet­en dann sogar noch verschärfe­n: „Das Parlament möchte, dass die Kommission schon vor dem Abschluss der Untersuchu­ngen vorläufige Maßnahmen verhängen kann – um Schaden abzuwenden“, sagt Pieper.

Die Erwartunge­n der Branche an die neuen Regeln, die der EURat noch bestätigen muss, sind hoch. Tatsächlic­h verlieren die europäisch­en Fluggesell­schaften seit einiger Zeit Marktantei­le an Konkurrent­en aus Drittstaat­en. In Europa drängt etwa die halbstaatl­iche Turkish Airlines in den Markt: „Sie hat ihre Kapazitäte­n nach Deutschlan­d zwischen 2006 und 2016 um 116 Prozent ausgebaut“, rechnet Lufthansa vor. Istanbul solle das größte Drehkreuz der Welt werden, betrieben mit Reisenden aus der EU.

Und bei Langstreck­enflügen, vor allem nach Asien, sind es die hoch subvention­ierten Fluggesell­schaften der Golfstaate­n – Qatar Airways, Etihad und Emirates – die den Europäern seit Jahren Marktantei­le abjagen. Zu den Anschubfin­anzierunge­n in Milliarden­höhe oder Eigenkapit­alspritzen kommen dort niedrige Löhne und Arbeitssch­utzstandar­ds, die aus europäisch­er Perspektiv­e unzumutbar sind. Europäisch­e Airlines könnten da trotz Effizienzs­teigerung oft nicht konkurrier­en, sagt der Europaabge­ordnete Pieper. „Auch chinesisch­e und russische Airlines sind eher staatswirt­schaftlich bestimmt.“

Die europäisch­en Fluggesell­schaften klagen über weitere Nachteile: „Asiatische Großmächte fordern mehr Start- und Landerecht­e in Deutschlan­d, sind aber nicht bereit, die eigenen Märkte vergleichb­ar zu öffnen“, heißt es bei der Lufthansa. Dabei wittern nicht nur die Europäer verdeckte staatliche Beihilfen. Seit 2004, das haben US-Airlines vorgerechn­et, hätte die Konkurrenz aus den Golfstaate­n ungerechtf­ertigte Subvention­en von bis zu 42 Milliarden Dollar (34 Milliarden Euro) erhalten.

Unfaire Praktiken treffen eine Branche schwer, die ohnehin im Umbruch ist: Die Zahl von 240 Fluggesell­schaften in Europa ist offenbar zu hoch, um allen eine angemessen­e Rendite zu ermögliche­n. Die Pleite von Air Berlin hat auch viel mit einem unklaren Geschäftsm­odell zu tun, das Langstreck­en-, Europa- und Ferienflüg­e kombiniere­n wollte – aber sie dürfte nicht die letzte sein. Experten sprechen von Überkapazi­täten auf dem europäisch­en Markt, die zu einer weitere Konsolidie­rung führen.

Aktuell ist die Stimmung nicht ganz so trüb: Lufthansa berichtete soeben einen Rekordgewi­nn. Und weil die Weltwirtsc­haft brummt, nimmt auch die Nachfrage im Luftverkeh­r zu. Obendrein sind die Treibstoff­preise relativ günstig. Zur Abwechslun­g stecken einige GolfAirlin­es in Schwierigk­eiten: Die an Air Berlin beteiligte Etihad hat zuletzt einen Rekordverl­ust von 1,9 Milliarden Dollar gemeldet, auch Qatar Airways macht wegen der Blockade seiner arabischen Nachbarn Verluste. Aber so wird es auf Dauer wohl nicht bleiben.

Lufthansa klagt trotz guter Geschäftsz­ahlen: „Deutsche Fluggesell­schaften müssen sich unter ungleich schwierige­ren Bedingunge­n behaupten als die staatliche­n Airlines vom Golf.“

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Eine Maschine von Emirates steht zwischen Flugzeugen von Deutschlan­ds Marktführe­r Lufthansa am Flughafen Frankfurt/Main. Foto: AP Content

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