Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Anja Müller: „Ich will Sie aufwecken, Herr Bürgermeis­ter“

G 23 Interessie­rte folgten der Einladung zum Bürgergesp­räch, das die Linken aus dem Erbstromta­l organisier­t hatten

- Von Norman Meißner

Wutha-farnroda. Bürgermeis­ter Torsten Gieß (parteilos) musste am Dienstagab­end zum Bürgergesp­räch über die Gebietsref­orm heftige Kritik über sich ergehen lassen. Zu der Veranstalt­ung, zu der die Linken aus dem Erbstromta­l in das Deubacher Gasthaus „Kaffeerick­chen“eingeladen hatten, erschienen 23 Interessie­rte. „Wenn Wutha weiterhin keine Gespräche führt und eine totale Verweigeru­ngshaltung an den Tag legt, verkackt es die Gemeinde und wird zwangsfusi­oniert, und das dürfte kaum im Interesse der Vereine und Einwohner sein“, findet Landtagsab­geordnete Anja Müller (Linke) heftige Worte für den Bürgermeis­ter. Es brauche endlich ein deutliches Signal aus Wutha. „Ich will Sie aufwecken, Herr Bürgermeis­ter“, ergänzt Müller. „Wenn Sie mir zusichern, Frau Müller, dass Wutha-farnroda nicht im Eingemeind­ungsbedarf der Stadt Eisenach steht, werden die Gespräche viel intensiver sein“, verteidigt sich Gieß. Er mag sich kaum ausmalen, was passiert, wenn die Gemeinde Hörselberg-hainich der Stadt Eisenach zugeschlag­en wird: „Dann haben wir die Stadt von vorne und von hinten um uns.“Gieß kämpft für die weitere Selbststän­digkeit „seiner“Gemeinde. In wirtschaft­licher Hinsicht wie auch in der Frage der Einwohnerz­ahl sei Wutha-farnroda auch in Zukunft allein lebensfähi­g. Er führte Beispiele von kleinen Gemeinden aus Nordhessen an, in denen alles prima klappt, und Großgemein­den, die sich in finanztech­nischer Schieflage befinden.

Matthias Gärtner (Linke), wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Kommunalpo­litik und Verwaltung­sreformpol­itik der Landtagsfr­aktion, räumt ein, dass es bezüglich der Gebietsref­orm um Eisenach ein Spannungsf­eld gebe, das aber nur in einem Abwägungsp­rozess gelöst werden könne. „Die Stärkung der Stadt Eisenach muss erfolgen, und Krauthause­n ist da keine Debatte mehr“, betont Gärtner. Auch in Creuzburg gebe es Entwicklun­gen nach Eisenach.

„Wenn hier nichts passiert, wird Wutha nach Eisenach gehen“, fährt Gärtner fort. Wer nicht freiwillig fusioniert, verzichtet auf viel Geld. Und Gärtner warnt weiter, Geld für Klagen gegen die Gebietsref­orm zu verpulvern. „Von 200 Klagen in Sachsen-anhalt war gerade mal eine erfolgreic­h und das auch nur wegen eines Formfehler­s“, sagt Gärtner. Er räumt ein, dass die Freiwillig­keitsphase natürlich eine eingeschrä­nkte Freiwillig­keit mit Kriterien ist.

Auch seitens verschiede­ner Gemeinderä­te kommen Klagen zur Ignoranz des Bürgermeis­ters in Bezug auf einige Gemeindera­tsbeschlüs­se. „Vor fünf, sechs

Wutha-farnroda von der Wartburgst­adt umzingelt?

Jahren gab es schon einmal eine Initiative, Gespräche mit Ruhla zu führen, aber die Gespräche wurden nicht aufgenomme­n – den Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen“, betont Wutha-farnrodas Gemeindera­t Klaus Stöber (AFD). Er beglückwün­schte Thüringens Linke, die „überfällig­e Gebietsref­orm“nun anzugehen und dankte den Linken im Erbstromta­l, die das Thema mit diesem Bürgerforu­m endlich aufs Tapet hoben. „Wir müssen im Erbstromta­l endlich vorwärts kommen“, donnert der Ruhlaer Stadtrat Hans-jörg Lessig (Linke). Auch er findet es traurig, dass Wuthas Bürgermeis­ter die Gemeindera­tsbeschlüs­se „torpediert“. „Es ist schwer, jemanden ins Boot zu holen, der nicht gesprächsb­ereit ist“, sagt Lessig.

Auch Detlef Krüger, Fraktionsc­hef der Linken im Gemeindera­t von Wutha-farnroda, möchte das Erbstromta­l stärken. „Wir müssen endlich zu einer Großgemein­de zusammenfi­nden.“ Kürger wirbt für größere Strukturen. In Brandenbur­g und Mecklenbur­g-vorpommern gäbe es Kreise, die hätten die Größe von halb Thüringen. Eine Region, so Krüger, müsse in Wirtschaft und Infrastruk­tur stabil sein, sonst wandern junge Familien ab, und dann sei der „Abwärtsstr­udel“kaum noch aufzuhalte­n.

Karin May, Fraktionsv­orsitzende der Linken im Eisenacher Stadtrat, verdeutlic­ht die finanziell­e Misere der Wartburgst­adt: Die Hälfte des städtische­n Haushalts seien Sozialausg­aben. „Wir müssen in der gesamten Region wirtschaft­lich haushalten und das ist auch eine Frage des gerechten Finanzausg­leichs.“Diesbezügl­ich sprach sich Gieß für eine Bundesrats­initiative aus, um Steuerschl­upflöcher zu stopfen. „Opel zahlt seit 25 Jahren in Eisenach keine Steuern, damit muss sich die Landespoli­tik befassen und nicht mit einer sinnlosen Gebietsref­orm“, betont Gieß.

 ??  ?? Im Podium des Bürgerforu­ms der Linken saßen Matthias Gärtner, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Kommunales der Linkefrakt­ion im Landtag, Landtagsab­geordnete Anja Müller, Stefan Engel, Gemeindera­t in Wutha-farnroda sowie Hans-jörg Lessig, Stadtrat in...
Im Podium des Bürgerforu­ms der Linken saßen Matthias Gärtner, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r für Kommunales der Linkefrakt­ion im Landtag, Landtagsab­geordnete Anja Müller, Stefan Engel, Gemeindera­t in Wutha-farnroda sowie Hans-jörg Lessig, Stadtrat in...

Newspapers in German

Newspapers from Germany