Thüringer Allgemeine (Eisenach)
Anja Müller: „Ich will Sie aufwecken, Herr Bürgermeister“
G 23 Interessierte folgten der Einladung zum Bürgergespräch, das die Linken aus dem Erbstromtal organisiert hatten
Wutha-farnroda. Bürgermeister Torsten Gieß (parteilos) musste am Dienstagabend zum Bürgergespräch über die Gebietsreform heftige Kritik über sich ergehen lassen. Zu der Veranstaltung, zu der die Linken aus dem Erbstromtal in das Deubacher Gasthaus „Kaffeerickchen“eingeladen hatten, erschienen 23 Interessierte. „Wenn Wutha weiterhin keine Gespräche führt und eine totale Verweigerungshaltung an den Tag legt, verkackt es die Gemeinde und wird zwangsfusioniert, und das dürfte kaum im Interesse der Vereine und Einwohner sein“, findet Landtagsabgeordnete Anja Müller (Linke) heftige Worte für den Bürgermeister. Es brauche endlich ein deutliches Signal aus Wutha. „Ich will Sie aufwecken, Herr Bürgermeister“, ergänzt Müller. „Wenn Sie mir zusichern, Frau Müller, dass Wutha-farnroda nicht im Eingemeindungsbedarf der Stadt Eisenach steht, werden die Gespräche viel intensiver sein“, verteidigt sich Gieß. Er mag sich kaum ausmalen, was passiert, wenn die Gemeinde Hörselberg-hainich der Stadt Eisenach zugeschlagen wird: „Dann haben wir die Stadt von vorne und von hinten um uns.“Gieß kämpft für die weitere Selbstständigkeit „seiner“Gemeinde. In wirtschaftlicher Hinsicht wie auch in der Frage der Einwohnerzahl sei Wutha-farnroda auch in Zukunft allein lebensfähig. Er führte Beispiele von kleinen Gemeinden aus Nordhessen an, in denen alles prima klappt, und Großgemeinden, die sich in finanztechnischer Schieflage befinden.
Matthias Gärtner (Linke), wissenschaftlicher Mitarbeiter für Kommunalpolitik und Verwaltungsreformpolitik der Landtagsfraktion, räumt ein, dass es bezüglich der Gebietsreform um Eisenach ein Spannungsfeld gebe, das aber nur in einem Abwägungsprozess gelöst werden könne. „Die Stärkung der Stadt Eisenach muss erfolgen, und Krauthausen ist da keine Debatte mehr“, betont Gärtner. Auch in Creuzburg gebe es Entwicklungen nach Eisenach.
„Wenn hier nichts passiert, wird Wutha nach Eisenach gehen“, fährt Gärtner fort. Wer nicht freiwillig fusioniert, verzichtet auf viel Geld. Und Gärtner warnt weiter, Geld für Klagen gegen die Gebietsreform zu verpulvern. „Von 200 Klagen in Sachsen-anhalt war gerade mal eine erfolgreich und das auch nur wegen eines Formfehlers“, sagt Gärtner. Er räumt ein, dass die Freiwilligkeitsphase natürlich eine eingeschränkte Freiwilligkeit mit Kriterien ist.
Auch seitens verschiedener Gemeinderäte kommen Klagen zur Ignoranz des Bürgermeisters in Bezug auf einige Gemeinderatsbeschlüsse. „Vor fünf, sechs
Wutha-farnroda von der Wartburgstadt umzingelt?
Jahren gab es schon einmal eine Initiative, Gespräche mit Ruhla zu führen, aber die Gespräche wurden nicht aufgenommen – den Fehler dürfen wir nicht noch einmal machen“, betont Wutha-farnrodas Gemeinderat Klaus Stöber (AFD). Er beglückwünschte Thüringens Linke, die „überfällige Gebietsreform“nun anzugehen und dankte den Linken im Erbstromtal, die das Thema mit diesem Bürgerforum endlich aufs Tapet hoben. „Wir müssen im Erbstromtal endlich vorwärts kommen“, donnert der Ruhlaer Stadtrat Hans-jörg Lessig (Linke). Auch er findet es traurig, dass Wuthas Bürgermeister die Gemeinderatsbeschlüsse „torpediert“. „Es ist schwer, jemanden ins Boot zu holen, der nicht gesprächsbereit ist“, sagt Lessig.
Auch Detlef Krüger, Fraktionschef der Linken im Gemeinderat von Wutha-farnroda, möchte das Erbstromtal stärken. „Wir müssen endlich zu einer Großgemeinde zusammenfinden.“ Kürger wirbt für größere Strukturen. In Brandenburg und Mecklenburg-vorpommern gäbe es Kreise, die hätten die Größe von halb Thüringen. Eine Region, so Krüger, müsse in Wirtschaft und Infrastruktur stabil sein, sonst wandern junge Familien ab, und dann sei der „Abwärtsstrudel“kaum noch aufzuhalten.
Karin May, Fraktionsvorsitzende der Linken im Eisenacher Stadtrat, verdeutlicht die finanzielle Misere der Wartburgstadt: Die Hälfte des städtischen Haushalts seien Sozialausgaben. „Wir müssen in der gesamten Region wirtschaftlich haushalten und das ist auch eine Frage des gerechten Finanzausgleichs.“Diesbezüglich sprach sich Gieß für eine Bundesratsinitiative aus, um Steuerschlupflöcher zu stopfen. „Opel zahlt seit 25 Jahren in Eisenach keine Steuern, damit muss sich die Landespolitik befassen und nicht mit einer sinnlosen Gebietsreform“, betont Gieß.