Thüringer Allgemeine (Eisenach)

Protestant­ische Prägungen

Die Eisenacher Schau „Text: Luther & Musik: Bach“zeigt Gesangbüch­er in multimedia­ler Sinnlichke­it

- Von Wolfgang Hirsch

Eisenach. Luthers Leistungen als Lieddichte­r trägt der gewöhnlich­e Christenme­nsch nicht unbedingt in seinem Bewusstsei­n, aber tief in seinem Herzen. „Ein feste Burg ist unser Gott“, „Vom Himmel hoch, da komm ich her“und 35 weitere Kirchenlie­der stammen aus der Feder des Reformator­s, der nur allzu gut wusste, wie das, was man singt, auch die Seele bildet. In Eisenach ging Luther dereinst zur Schule, so wie 200 Jahre nach ihm Johann Sebastian Bach. Diesem Verhältnis spürt nun eine Sonderauss­tellung im dortigen Bachhaus nach.

„Text: Luther & Musik: Bach“heißt die Eisenacher Schau, die bereits im Berliner Dom mehr als 80 000 Besucher hatte. Mindestens 30 der Luthersche­n Lieder hat der Barockkomp­onist in seinen Werken verwendet. Acht dieser Adaptionen für Singstimme oder instrument­al nimmt die Schau multimedia­l unter die Lupe: An jeder Station finden sich Plakatmoti­ve wie der Isenheimer Altar oder die Wartburg nebst Erläuterun­gen, vollständi­gen Hörbeispie­len und historisch­en Gesangbüch­ern.

Zudem erhält jeder Besucher eine Broschur mit Text und Noten geschenkt – so könnte er, den Kopfhörer auf den Ohren und die Augen wahlweise im alten oder im modernen Notenbild versenkt, ohne weiteres mittun: Karaoke im Kabinett. Allein, was Bachhaus-direktor Jörg Hansen an Gesangbüch­ern aufbietet, lässt Kenner die Zunge schnalzen.

Dabei will Hansen „das Objekt immer in seinem Gebrauch zeigen, nicht als Trophäe“. Angeführt wird die Phalanx der Exponate, aufgeschla­gen unter der Glasvitrin­e, von Johann Spangenber­gs „Kirchenges­enge deutsch“, einer philologis­chen Kostbarkei­t. „Es sind so gut wie alle Lutherlied­er darin“, erläutert Hansen sachlich und weiß, wie das die Wirkung des Reformator­s als Tonschöpfe­r untermauer­t. Oder „Geystliche Lieder“, Nürnberg 1563, das wie Hansen sagt, „schönste Gesangbuch des 16. Jahrhunder­ts“. Aufgeschla­gen ist „Christ unser Herr vom Jordan kam“.

Eine Sonderroll­e im seinem Schaffen nehmen Luthers Katechismu­slieder ein, die dazu dienten, dass die Kinder beim Singen den Glauben erlernen sollten. Zu jedem der Themen – Gesetz, Glaube, Gebet, Taufe, Beichte, Abendmahl – haben Studierend­e und Lehrende der Hochschule Ansbach eine meditative Installati­on geschaffen: hier eine Lichtproje­ktion, dort ein Guckkasten mit sinnreich arrangiert­em, lebendigem Interieur oder an anderer Stelle eine Klanglands­chaft, die sich wie ein kurzes Hörspiel genießen lässt.

„Den Ton haben die Studenten gemacht“, sagt Professor Cornelius Pöpel, ihr Betreuer. Wer sich darauf einlässt, gewinnt ein befreites, ja lustvolles Verhältnis via Text und Musik zu den ernsten Dingen des Daseins – und landet zum Schluss im Keller des Hauses, der seltsam illuminier­t ist.

Das liegt an einer Licht-/klanginsta­llation des deutsch-australisc­hen Künstlerko­llektivs transsturm, die den Videostrah­l auf eine gläserne abstrakte Skulptur – womöglich einer Lutherrose nachempfun­den – richten und so den Bilderstro­m in seiner Gestalt dekonstrui­eren. Einheit und Spaltung, das Motiv der Wandlung auf mehreren Ebenen sei ein Ausgangspu­nkt dieser Arbeit gewesen, erläutert der Medienküns­tler Ingo Bracke. Dieserart informiert, inspiriert und erleuchtet verlässt der Besucher die Schau, ohne dass er einen didaktisch­en Gestus bemerkt hätte.

Bis . November, Mo-so - Uhr

 ??  ?? Stolz präsentier­t Bachhaus-direktor Jörg Hansen die „Kirchenges­enge deutsch“von Johann Spangenber­g, anno . Foto: W. Hirsch
Stolz präsentier­t Bachhaus-direktor Jörg Hansen die „Kirchenges­enge deutsch“von Johann Spangenber­g, anno . Foto: W. Hirsch

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