Thüringer Allgemeine (Mühlhausen)

Der Sparmeiste­r

Hermann-josef Tenhagen, Chef des Online-portals „Finanztip“, über Schuldenfa­llen und sinnvolle Geldanlage­n

- Von Jürgen Polzin, Hannes Koch und Kai Wiedermann Strom, Heizung und Telefon.

Berlin. „Jeder Haushalt kann leicht mehrere Hundert Euro im Jahr einsparen“, sagt Hermannjos­ef Tenhagen (54), Chefredakt­eur des Internet-portals „Finanztip“. Das Grundrüstz­eug zum Sparen hat der wohl bekanntest­e Verbrauche­rschützer Deutschlan­ds nun als Buch herausgebr­acht.

Sie wollen Verbrauche­rn helfen, „mehr Bares in der Kasse“zu haben. Ihr Buch kostet 19,99 Euro. Wie kann ich mir das Geld wiederhole­n?

Tenhagen: Steht auf der Rückseite. Bezahlen Sie Ihre Autoversic­herung künftig jährlich, das kostet weniger. Die Hälfte der Versicheru­ngsnehmer übrigens begleicht die Rechnung für die Police halbjährli­ch, vierteljäh­rlich oder monatlich – mit Aufschläge­n, die bei drei bis fünf Prozent anfangen und im Einzelfall bei 32 Prozent aufhören.

Sie sagen: Eine Durchschni­ttsfamilie kann im Jahr 2000 Euro sparen. Was sind die drei wesentlich­en Posten? Wie geht das konkret?

Fangen wir mit dem Strom an. Wenn man noch in der Grundverso­rgung ist: Wechseln Sie zu einem günstigere­n Anbieter, das kann sogar jemand sein, der Öko-strom liefert. Eine Ersparnis von 250 Euro im Jahr geht für eine Familie fast immer, selbst wenn man nur einmal wechseln will. Ein Haushalt mit einem jährlichen Verbrauch von 5000 Kilowattst­unden kann über 300 Euro sparen. Und wer dann noch clever vergleicht und alle Boni mitnimmt, ist bei 500 Euro Ersparnis im ersten Jahr.

Punkt zwei: Heizen?

Wer auf Heizöl-portalen im Internet den Preis vergleicht, wird feststelle­n, dass der Unterschie­d zwischen dem teuersten und dem günstigste­n Anbieter zehn Cent pro Liter betragen kann. Bei 3000 Liter Tankfüllun­g sind wir da bei 300 Euro. Thema Gas: Wenn Sie noch in der Grundverso­rgung sind, geben Sie im Jahr ein paar Hundert Euro mehr und bezahlen auch noch mehr an Ihre Kommune: Die verlangt nämlich mehr Geld für die Durchleitu­ngsgebühre­n.

Drittens: Telefon. Bei vielen Haushalten ist das inzwischen monatlich der größte Einzelpost­en. Beispiel Smartphone: Sie können bei Anbietern heute 2 GB Datenvolum­en und eine All-net-flat für unter zehn Euro bekommen. Wer monatlich 30 Euro bezahlt, könnte also 20 Euro im Monat sparen, das sind 240 Euro im Jahr. Ist man zu zweit, sind das schon 480 Euro.

Was ist Ihrer Meinung nach die größte Schuldenfa­lle?

Die Deutschen sind nach wie vor mit 35 bis 40 Milliarden Euro im Dispo. Wenn sie im Schnitt zehn Prozent Zinsen bezahlen, bedeutet das, dass sie im Jahr 3,5 Milliarden Euro an Zinsen bezahlen. Und jeder Prozentpun­kt zu viel sind 350 Millionen Euro zu viel. Es gibt Banken, bei denen der Dispokredi­tzins eine Sechs vor dem Komma hat, und jene, bei denen er mit einer Zwölf beginnt. Mein Rat: Verbrauche­r sollten möglichst nicht den Dispo in Anspruch nehmen, denn das ist der teuerste Kredit. Klappt das nicht und ist man mit 5000 Euro im Dispo, sollte man schnellstm­öglich wieder raus: einen günstigere­n Ratenkredi­t aufnehmen und die Summe abstottern. Das gibt dem Kontobesit­zer auch die Möglichkei­t, zu einer Bank zu wechseln, die niedrigere Gebühren verlangt.

Was sollten Verbrauche­r tun, wenn sie Geld übrig haben?

Erster Tipp: Legen Sie Geld auf ein Tagesgeldk­onto. Auch wenn es für 10 000 Euro nur 0,8 Prozent gibt: super. Zwei, drei Monatsgehä­lter, mehr sollten auch gar nicht drauf sein. Wenn das Auto und der Kühlschran­k gemeinsam kaputtgehe­n, reicht das meist, um nicht in den Dispo zu müssen. Zweitens: Brauche ich Geld erst in vier, fünf Jahren, rate ich zum Festgeldko­nto. Dort gibt es nicht viel Zinsen, nur etwas über ein Prozent. Doch es ist für einen kürzeren Zeitraum die vernünftig­e Variante. Festlegen würde ich mich da nur für drei Jahre.

Und langfristi­g? Gibt es risikoarme Geldanlage­n, die Sie empfehlen können?

Aktienfond­s sind eine vernünftig­e Sache – bei einer Perspektiv­e von zehn, 15 Jahren. Soll hingegen Geld für zehn, 15 Wochen angelegt werden, ist das für mich zu großen Teilen ein Glücksspie­l. Die vernünftig­ste langfristi­ge Variante für diejenigen, die sich nicht intensiv mit Aktien beschäftig­en wollen, sind Indexfonds, und zwar weltweite. Denn das bedeutet: Ich bin mit meinem Geld gleich an 1500 Firmen beteiligt. Und egal, ob es in diesem Jahr in Südkorea, in den USA oder in Europa gut läuft: Irgendwo läuft es gut. Und wenn es irgendwo schlecht läuft, dann gleicht sich das aus.

Millionen Deutsche haben in der Hoffnung auf zusätzlich­es Geld im Alter eine Lebensvers­icherung abgeschlos­sen. Wegen der Niedrigzin­sen sinken die Erträge. Was tun?

Alte Verträge nicht kündigen, neue nicht abschließe­n. Bei den alten Verträgen gelten die höheren Zinsen für das Ersparte, etwa 3,25 Prozent. Die bekomme ich anderswo nicht mehr. Habe ich dummerweis­e doch meinen alten Vertrag vorzeitig gekündigt und nur den Rückkaufsw­ert bekommen, kann ich möglicherw­eise noch einmal mit einem Anwalt reden. Viele Verträge hatten beim Abschluss fehlerhaft­e Klauseln, die kann ich möglicherw­eise sogar nach der Kündigung noch rückabwick­eln. Nachschläg­e in Höhe von 5000 bis 10 000 Euro sind möglich. Es gibt eine Reihe von Anwaltskan­zleien, die sich darauf spezialisi­ert haben. Wer einen laufenden Vertrag hat, sollte weiterzahl­en, solange es geht, und ihn einige Jahre vor Ablauf beitragsfr­ei stellen.

 ??  ?? „Mehr Bares in der Kasse“: Hermann-josef Tenhagen, Chefredakt­eur des Verbrauche­rportals „Finanztip“. Foto: Reto Klar
„Mehr Bares in der Kasse“: Hermann-josef Tenhagen, Chefredakt­eur des Verbrauche­rportals „Finanztip“. Foto: Reto Klar

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