Thüringer Allgemeine (Sondershausen)
Gotha hofft auf Heimkehr von Cranachs gevierteiltem Schwager
Wiederentdecktes Gemälde zeigt den als Hochverräter verurteilten Kanzler von Gotha. Sein Besitzer möchte es abgeben
Amorbach. Am 18. April 1567 erlebte Gotha eine der schaurigsten Hinrichtungen des 16. Jahrhunderts. Auf dem Marktplatz wurde der Kanzler des Herzogtums splitternackt auf eine Fleischbank gebunden. Erst schnitten ihm die Henker den Brustkorb auf, um ihm sein Herz herausreißen zu können. Dann schlugen sie es ihm um den Kopf. Eine in das Pflaster des Marktplatzes eingelassene Platte markiert den Hinrichtungsplatz noch immer.
Damals, so überliefert es eine Chronik, sah „eine grausam große Welt Volkes von Fürsten, Grafen, Edelleuten, Kriegsvolk, Bürgern und Bauern dem Schauspiel zu ewiger Ergötzlichkeit zu.“Von einer siegreichen, herrlichen Exekution hat der sächsische Kurfürst später gesprochen, die Gott gefallen habe. Eine in jenem Jahr entstandene Zeichnung zeigt das entsetzliche Geschehen in all seinen Details.
Doch wie sah Kanzler Christian Brück aus? Bislang prägte vor allem ein Cranachscher Holzschnitt aus dem Jahre 1549 die Erinnerung. Es zeigt Brück
Heydenreich ist Professor am Institut für Restaurierungswissenschaft. Er erstellt seit Jahren eine Forschungsdatenbank zu Cranach-gemälden. Sie speist sich zu großen Teilen aus seiner eigenen Forschung. Er untersucht unter anderem weltweit Cranach-gemälde mit Infrarottechnik, um so deren Echtheit zu prüfen.
Dabei treten unter der Farbschicht die Vorzeichnungen zu Tage. Deren jeweilige Handschrift lässt darauf schließen, ob das Bild von Lucas Cranach oder seinem gleichnamigen Sohn stammt. Experten können auch erkennen, ob das Gemälde von ihren Werkstattgehilfen ganz oder teilweise ausgeführt worden ist – oder ob es sich gar um eine Fälschung handelt.
Kunstwerk wird entweder versteigert oder verliehen
Im Falle des Brück-gemäldes ist sich Heydenreich sicher: Es stammt von Cranach dem Jüngeren. Die Vorzeichnung habe der Meister mit Rötelstift auf den Holzuntergrund übertragen.
Das wiederentdeckte Gemälde ist jetzt erstmals seit Jahrzehnten wieder öffentlich zu sehen. Der Kunstpalast Düsseldorf zeigt es im Rahmen einer Cranach-ausstellung. Ob das Bild in den kommenden Jahren erneut öffentlich zu sehen sein wird, ist jedoch fraglich.
Der jetzige Besitzer – eine Stiftung, die soziale Projekte verfolgt – weiß mit dem Gemälde letztlich nichts anzufangen. Sie hat schlichtweg keine eigenen Möglichkeiten, das Bild auszustellen, bestätigte am Freitag eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Die Stiftung hatte das Bild vor zwei Jahren geerbt, gemeinsam mit weiteren rund 200 Gemälden.
Gut möglich, dass das Porträt des Gothaer Kanzlers eines Tages nach Gotha zurückkehrt. Im Grunde steht sein Besitzer vor der Wahl, es zu versteigern oder es als Schenkung oder Leihgabe einem Museum anzubieten. Ob so oder so, die Entscheidung sei noch nicht gefallen, heißt es seitens der Stiftung. Nach Recherchen der „Thüringer Allgemeine“hat es noch keinerlei Kontakte zwischen Gotha und dem Besitzer des Gemäldes gegeben. Anscheinend erfuhr das Schloss Friedenstein erst durch eine Anfrage unserer Zeitung von der sich bietenden Chance, das Gemälde hierher holen zu können. Der auf dem Friedenstein zuständige Gemälde-experte ist Timo Trümper. Er sagt: „Das Gemälde gehört natürlich nach Gotha.“
Das Porträt des Kanzlers berührt sowohl die Landes- als auch die Kulturgeschichte. Brück hatte an der Seite des Gothaer Herzogs und eines aufsässigen Ritters gegen den Kaiser sowie den Kurfürsten von Sachsen intrigiert. Daraufhin wurde Gotha belagert und eingenommen; die damalige Burg Grimmenstein wurde geschleift. Kanzler Brück kam ebenso wie der Herzog in Haft. Seine Richter legten ihm ausdrücklich zur Last, ehrenrührige Schmähschriften über den Kaiser verfasst zu haben. Deshalb, so heißt es im Urteil, habe der Kanzler die schärfste Strafe verdient.
Den Porträtierten und den Maler verband weit mehr als nur dieses Bild. Brück war mit der Schwester des jüngeren Cranach verheiratet. Die familiären Bande nach Gotha sind sogar noch intensiver. Cranach der Ältere hatte in Gotha seine eigene Liebe gefunden und sie dort auch gefreit. Das Gothaer Cranach-haus ist bis heute ein Anziehungspunkt für Kunstliebhaber. Es steht nur wenige Schritte von jener Stelle entfernt, auf der man Christian Brück auf die Fleischbank geschnallt hatte.
„Das Gemälde gehört natürlich nach Gotha“
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Die Cranach-ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf ist bis . Juli zu sehen.