Thüringer Allgemeine (Sondershausen)

Alibaba drängt es nach Deutschlan­d

Der chinesisch­e Online-händler startet bei Rossmann den Bezahldien­st „Alipay“und expandiert in den USA

- Von Felix Lee

Peking. Eine Milliarde Us-dollar Umsatz in nicht einmal fünf Minuten – das dürfte weltweit nur ein Unternehme­n schaffen: der chinesisch­e Online-händler Alibaba. Im vergangene­n Jahr am 11. November geschah das. Wegen der vielen Einsen im Datum hatte der chinesisch­e Konzern den Tag zum „Single Day“ausgerufen und lockte mit Rabatten hundert Millionen kaufwütige­r Chinesen auf seine Handelspla­ttformen. Innerhalb von 24 Stunden gingen Waren für mehr als 17 Milliarden Dollar über die Online-ladentheke. Unter anderem mit diesen Erlösen geht Alibaba nun selbst weltweit auf Einkaufsto­ur.

Nach Europa will Alibaba mit seinem Bezahlsyst­em „Alipay“expandiere­n: In Deutschlan­d lässt sich seit April in allen Rossmann-filialen mit „Alipay“bezahlen. Vorerst richtet sich dieser Service an chinesisch­e Touristen, die auf Reisen in Deutschlan­d gerne Pflegeprod­ukte kaufen. Doch das ist nur der erste Schritt. Sobald auch genug andere Geschäfte mitmachen, soll der Bezahldien­st auch für deutsche Kunden angeboten werden. So ist Alibaba auch in Japan und Südkorea vorgegange­n. Alibaba-chef Jack Ma träumt schon länger davon, aus seiner Online-plattform einen echten Weltkonzer­n zu errichten. Bald könnte ihm das gelingen. Einen Kundenstam­m von mehr als 53 Millionen Nutzern hat er bereits. Für den exzentrisc­hen Konzernlen­ker Ma, der sich vor seinen Mitarbeite­rn auch mal als Lady Gaga oder Schneewitt­chen verkleidet, ist kein Ziel zu groß – und keine Methode zu ungewöhnli­ch. Wenn sie nicht weiterkäme­n, sollten sie einfach sofort einen Kopfstand machen, forderte er seine Manager einmal in einer Sitzung auf. Das helfe, um eine andere Perspektiv­e zu bekommen.

Seine als „Aliren“bezeichnet­en Mitarbeite­r müssen auf dem Weg zum Erfolg einiges aushalten. Manche dürfen ein halbes Jahr keine Presse lesen, andere werden zeitweise zum Arbeiten in der Wohnung des Chefs kaserniert. In einer internen Mitteilung habe Ma einmal dazu aufgerufen, die Arktis zu erobern und „Pinguine zu töten“– weil ein Pinguin das Logo des Konkurrent­en Tencent darstellte. Bei einer anderen Gelegenhei­t hätten Hunderte Mitarbeite­r mit nacktem Oberkörper exerzieren sollen.

Auch auf dem heiß umkämpften Us-markt will Alibaba schon seit einiger Zeit im Online-handel Fuß fassen. Dem chinesisch­en Unternehme­n fehlte es bislang jedoch an einem eigenen Bezahldien­st. Das soll sich ändern. Denn in der Heimat hat der Konzern mit „Alipay“ein Bezahlsyst­em in China etabliert, das bereits von mehr als einer halben Milliarde Kunden genutzt wird – fast so viele Menschen, wie in der gesamten Europäisch­en Union wohnen.

In Peking haben viele Leute schon gar kein Bargeld mehr dabei. Denn selbst in herkömmlic­hen Geschäften genügt der Scan eines Barcodes mit der Alipay-app auf dem Smartphone – schon ist bezahlt. Wenn es nach Alibaba-chef Ma geht, soll das bald auch in ganz Europa und in den USA funktionie­ren.

Alibabas Tochterunt­ernehmen, der Finanzdien­stleister Ant Financial, steht kurz davor, den Us-zahlungsab­wickler Moneygram zu übernehmen. Auf rund 1,2 Milliarden Dollar hat Ant Financial sein Angebot schon erhöht und damit Uskonkurre­nten ausgestoch­en.

Der Mutterkonz­ern Alibaba selbst ist in seiner Heimat China mit seinen Diensten wie Taobao und Tmall groß geworden. Taobao ist eine Art riesiges Internetka­ufhaus für Kleinanbie­ter. Darauf findet sich so ziemlich jeder Konsumarti­kel, den es auf der Welt gibt. Tmall bietet Unternehme­nskunden eine Plattform. Mit diesen beiden Plattforme­n erzielt Alibaba im Heimatland mehr Handelsvol­umen als Amazon und Ebay weltweit zusammen.

Auch in anderen Bereichen ist Alibaba eifrig dabei. Mit seiner Kinosparte Alibaba Pictures hat sich Firmengrün­der Jack Ma letzten Herbst eine Minderheit­sbeteiligu­ng bei der von Us-starregiss­eur Steven Spielberg gegründete­n Filmgesell­schaft Amblin Partners gesichert. „Wir bringen mehr China nach Amerika und mehr Amerika nach China“, erklärte Spielberg bei der feierliche­n Zeremonie. Die Zusammenar­beit könne als „kulturelle Brücke dienen“, teilte Jack Ma mit.

Sogar in der Politik versucht Alibaba-gründer Jack Ma mitzumisch­en. Im Handelsstr­eit zwischen den USA und China, stellte Ma Anfang des Jahres bei einem Treffen mit Us-präsident Donald Trump eine Million neue Arbeitsplä­tze in Amerika in Aussicht. Das hörte ein Donald Trump gern. Er werde gemeinsam mit Jack Ma „große Dinge“vollbringe­n, sagte Trump. Dabei war es ein geschickte­r Schachzug von Ma: Denn er hatte damit nichts anderes als die Expansion von Alibaba in den USA verkündet. Amazon und Ebay dürfte das nicht gefallen.

Als Ebay im Jahr 2003 in China einen Marktantei­l von 85 Prozent besaß, erklärte Ma dem Us-giganten den Guerillakr­ieg. Dazu wies er seine Manager an, den Revolution­är Mao Tse-tung zu studieren und in Militäruni­formen zu joggen.

„Ich habe vor niemandem Angst“, sagt der chinesisch­e Internet-guru. China Telecom, Yahoo, Ebay oder Google – bislang habe Alibaba noch jeden „Räuber“im eigenen Reich besiegt.

Erster Test mit Drogerieku­nden

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Mit voller Kasse auf dem Weg zu weltweiter Expansion: Alibaba-chef Jack Ma will mit neuen Bezahldien­sten Kunden in Europa und in den USA gewinnen. Foto: Getty/vcg

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