Thüringer Allgemeine (Weimar)

Der böse Wolf, oder?

- Kai Mudra

über wilde Tiere in einer zersiedelt­en Heimat

Ich habe noch keinen Wolf im Freien gesehen. Sie sicherlich auch nicht. So dürfte es fast alle Thüringern gehen.

Warum erregt Meister Isegrim trotzdem diese Aufmerksam­keit? Leben doch – wenn überhaupt – bisher nur vereinzelt­e Tiere im Freistaat.

Ist es der wohlige Schauer, in unserer wirtschaft­lich genutzten und durchgesta­lteten Natur mit diesem Raubtier wieder auf etwas wirklich Anarchisch­es zu treffen? Sind es die wach gewordenen Kindserinn­erungen an die sieben Geißlein oder Rotkäppche­n? Oder ist es vielleicht einfach nur Unwissenhe­it?

Angst vorm Wolf wäre in Thüringen sicherlich fehl am Platz.

Auch wenn noch unklar ist, ob die Wölfin vom Übungsplat­z oder doch herumziehe­nde Jungwölfe vor zwei Wochen knapp ein Dutzend Schafe im Jonastal gerissen haben, stellt der Wolf für die Menschen hier sicherlich keine Gefahr dar.

Die Großmutter hat er verspeist, und das Rotkäppche­n. Auch sechs der sieben Geißlein verschlang ein Wolf. Die Volksmärch­en sprechen von einem Ungeheuer, zeichnen ein schaurig gefährlich­es Bild dieses Raubtiers. In Deutschlan­d wurde er fast ausgerotte­t. Wir brauchen keinen Wolf, sagte mir dieser Tage ein Schäfer. Wenn es so einfach wäre.

Die Natur richtet sich nicht nach solchen Kategorien. Gut und schlecht sind menschlich­e Bewertunge­n. Probleme mit Wölfen entstehen dort, wo diese keinen eigenen Lebensraum finden, Menschen in die Quere kommen.

Es ist Illusion zu glauben, Natur sei beherrschb­ar. Der einzige Weg ist, entstehend­e Konflikte zu entschärfe­n. Schäfer richtig zu entschädig­en, ist dabei eine Selbstvers­tändlichke­it.

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