Der böse Wolf, oder?
über wilde Tiere in einer zersiedelten Heimat
Ich habe noch keinen Wolf im Freien gesehen. Sie sicherlich auch nicht. So dürfte es fast alle Thüringern gehen.
Warum erregt Meister Isegrim trotzdem diese Aufmerksamkeit? Leben doch – wenn überhaupt – bisher nur vereinzelte Tiere im Freistaat.
Ist es der wohlige Schauer, in unserer wirtschaftlich genutzten und durchgestalteten Natur mit diesem Raubtier wieder auf etwas wirklich Anarchisches zu treffen? Sind es die wach gewordenen Kindserinnerungen an die sieben Geißlein oder Rotkäppchen? Oder ist es vielleicht einfach nur Unwissenheit?
Angst vorm Wolf wäre in Thüringen sicherlich fehl am Platz.
Auch wenn noch unklar ist, ob die Wölfin vom Übungsplatz oder doch herumziehende Jungwölfe vor zwei Wochen knapp ein Dutzend Schafe im Jonastal gerissen haben, stellt der Wolf für die Menschen hier sicherlich keine Gefahr dar.
Die Großmutter hat er verspeist, und das Rotkäppchen. Auch sechs der sieben Geißlein verschlang ein Wolf. Die Volksmärchen sprechen von einem Ungeheuer, zeichnen ein schaurig gefährliches Bild dieses Raubtiers. In Deutschland wurde er fast ausgerottet. Wir brauchen keinen Wolf, sagte mir dieser Tage ein Schäfer. Wenn es so einfach wäre.
Die Natur richtet sich nicht nach solchen Kategorien. Gut und schlecht sind menschliche Bewertungen. Probleme mit Wölfen entstehen dort, wo diese keinen eigenen Lebensraum finden, Menschen in die Quere kommen.
Es ist Illusion zu glauben, Natur sei beherrschbar. Der einzige Weg ist, entstehende Konflikte zu entschärfen. Schäfer richtig zu entschädigen, ist dabei eine Selbstverständlichkeit.