Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Wo Literaten den Ritterschlag erhalten
Thüringer Autorentage auf Burg Ranis feiern Jubiläum – Mit prominenten Gästen, großer Performance und poetischem Papiertheater
RANIS. Legenden ranken sich um Deutschlands einzige Literaturburg im Ostthüringer Städtchen Ranis. Von einem Nachtessen nach exzessiver Lesung mit hohem Whisky-konsum geht die Rede. Der unvergessene Harry Rowohlt adelte dort einst die Raniser Sülze. Sein Schriftstellerkollege Ingo Schulze ritt nach begeisterndem Auftritt euphorisiert von dannen und telegrafierte: „Wer auf der Burg Ranis lesen darf, hat den Ritterschlag der Literatur erhalten.“
Was für ein Lob aus berufenem Munde! Als 1998 ein paar wackere Recken die Feste für die literarische Zunft eroberten, konnten sie davon nur träumen. Ein gewisser Hans Westerheide, Leiter des Bereichs Einkauf der GGP Media Pößneck, ergriff die Initiative; gemeinsam mit dem Thüringer Schriftstellerverband hob er die Raniser Autorentage aus der Taufe. „Das Wetter spielte mit, wir hatten viel Publikum, doch die Lesungen konnten zunächst nur im Burghof und in einem Salon mit morbidem Charme stattfinden“, erinnert sich der Jenaer Kulturmanager Martin Straub. Auch in den Folgejahren blieb das Festival ein Abenteuer: Bei Regen flüchtete man mit Jazz und Lyrik in den Burgkeller, wo ein Gebläse für Wärme sorgte. „Wir hatten immer ein Plakat am Tor mit der Aufschrift ,Autorentage‘“, erzählt Straub. „Ein Besucher fragte, ob da nicht ein ,n’ fehle. Seine Lesart war ,Autorenntage’, weil auf der Burg zuvor Jaguar-treffen stattgefunden hatten.“
Doch die Bücherfangemeinde wuchs rasch, und es stießen wichtige Kooperationspartner hinzu, wie z.b. die Stadtwerke Jena-pößneck und die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten. Die Literaturtage hätten letztlich dafür gesorgt, dass die Burg Stück für Stück saniert wurde, so Straub, der alle Festivals mit organisiert hat und auch bei der Jubiläumsausgabe vom 8. bis 11. Juni dabei sein wird. Unter der Führung des Lese-zeichen e.v. erstrecken sich die Thüringer Literatur- und Autorentage heute mit nunmehr rund 40 Veranstaltungen über mehrere Wochen und viele Orte vor allem im ländlichen Raum.
Die 20. Auflage zielt mit dem Motto „Die Macht der Worte“auch auf das Reformationsjubiläum ab. So wird es auf der Burg ein Gespräch mit der Schriftstellerin Amüsant: Iris Berben und Thomas Thieme präsentierten „Dinge, die wir vermissen werden“. Foto: Brit Wollschläger Prominent: Die Schauspielerin Ursula Karusseit liest am . Juni aus ihrer Autobiografie. Foto: Hendrik Schmidt
Thea Dorn und dem Astrophysiker und Wissenschaftsjournalisten Harald Lesch zu Luthers „Thesen, die die Welt veränderten“geben (8. Juni). Dort tritt auch, um das Jubiläum mitzufeiern, nach mehrjähriger schöpferischer Pause das Thüringer Literaturquintett (TLQ) in der Besetzung Landolf Scherzer, Matthias Biskupek, Martin Straub und Frank Quilitzsch wieder zusammen. Die vier wollen am 10. Juni auch ihres fünften,
verstorbenen Mitstreiters, des Politikers und Poeten Hansjürgen Döring, gedenken.
Die Macht der Worte – und deren Zauber – zieht sich leitmotivisch durchs Programm: von Feridun Zaimoglu, der im Mdrkulturcafé aus seinem Roman „Evangelio“liest (10. Juni), über Bruno Preisendörfer, der zu einer Reise in die Lutherzeit einlädt, bis zu Schauspielerin Ursula Karusseit, die ihre Erinnerungen vorstellt (beide am 11. Juni). Last but not least demonstriert Tv-star Denis Scheck die Macht des Kritikerworts (10. Juni).
Auf zwei Veranstaltungen jenseits der Literaturburg sei hier gesondert hingewiesen: Am 27. Mai erinnern im Volkshaus Jena Gabriele Stötzer, Utz Rachowski und Lutz Rathenow an ihre Zeit als Ddr-oppositionelle, und am 31. läuft im Jenaer Café Wagner der Dokumentarfilm „Digitale Dissidenten“über die Macht der Whistleblower.
Am Anfang ging es noch sehr abenteuerlich zu Poesie des traditionellen Papiertheaters
Neben Lesungen finden auch Ausstellungen, Konzerte und Theateraufführungen statt. „Wir sind stets auf der Suche nach neuen Formaten“, beteuert Programmchef Ralf Schönfelder. In diesem Jahr ist es das Papiertheater, das gleich drei Mal auftritt: als historische Präsentation, mit „Joseph und seine Brüder“und dem japanischen Stück „Das Hokusi-museum“. Zum zweiten Mal inszenieren die Klangkünstler Sönke Sofar und Nils Lauterbach ein Live-hörspiel: diesmal „Alice im Wunderland“. Am 11. Juni startet die Reihe „Ausguck Thüringen“, in der drei einheimische Autoren ihre Neuerscheinung vorstellen: Kathrin Groß-striffler, Marius Koity und M. Kruppe.
Apropos Macht der Worte. In dem wenige Wochen vor seinem Tod verfassten Grußwort zitiert Hans-jürgen Döring den weisen Konfuzius: „Wenn Worte ihre Bedeutung verlieren, verlieren Menschen ihre Freiheit.“
• Programm und Karten: www.lesezeichen-ev.de