Thüringische Landeszeitung (Eichsfeld)
Größter Landschaftscross Europas begrüßt zur 45. Auflage 15 829 Läufer und Wanderer. Marathonsie
SCHMIEDEFELD. Auf dem Zielstrich ballte Marcel Krieghoff die Faust, kurz dahinter sank er erschöpft zu Boden und brauchte ein paar Minuten, um sich zu erholen. „Die zweite Hälfte war richtig, richtig hart. Aber es war eben ein Rekordlauf“, sagte der Marathon-gewinner, der nicht nur seinen zweiten Triumph auf dieser Strecke beim größten Crosslauf Europas feierte, sondern auch gleich die 16 Jahre alten Bestzeit auf der Marathondistanz verbesserte. „Ich wollte unter 2:36 Stunden bleiben. Dass mir das gelungen ist, darüber bin ich sehr glücklich“, sagte Krieghoff, der nach 2:34:22 Stunden triumphierte und euphorisch wurde: „Das war der beste Lauf meines Lebens.“
Der 33-Jährige aus Bad Langensalza ist in bestechender Form und wurde – wie passend – ein paar Tage vor dem Rennsteiglauf durch die Berufung für die Berglauf-wm im August in Italien zusätzlich beflügelt. „Mit dieser Leistung habe ich gezeigt, dass ich die Nominierung verdient habe“, sagte der Läufer vom SC Impuls Erfurt, der vom Start weg in Neuhaus an der Spitze lag. Auf die Radbegleitung durch den mehrfachen Rennsteiglaufgewinner Marcel Bräutigam verzichtete der Triumphator dann aber doch. „Wir wollten erst gar keine Diskussionen aufkommen lassen, dass mir Marcel vielleicht zusätzlich Getränke reicht oder Windschatten bietet“, sagte Krieghoff. Bräutigam, der wegen Beckenproblemen derzeit mit dem Laufen pausieren muss, schwang sich trotzdem auf das Rad und absolvierte die Strecke sozusagen als rasender Reporter. „Ich habe unterwegs Bilder geschossen und Zwischenzeiten geliefert. Das hat richtig Spaß gemacht“, sagte der 29-Jährige.
Als Krieghoff das Ziel erreichte, hatte sich ein paar Minuten zuvor Frank Merrbach erstmals zum König des Rennsteigs gekrönt. Der Streckenrekord von Christian Seiler, der 2014 in sagenhaften 4:50:55 Stunden gesiegt hatte, blieb zwar unangetastet. Aber mit einem Vorsprung von fast zehn Minuten auf den Leipziger Maik Willbrandt lag der gebürtige Friedrichrodaer ganz klar vorn.
Der favorisierte Vorjahresgewinner Marc Schulze beendete bei Kilometer 54,7 nach der Zwischenzeitnahme am Grenzadler das Rennen vorzeitig. Dabei hatte der Dresdner erst im April den Oberelbe-marathon in seiner Heimatstadt gewonnen und angekündigt, am Rennsteig einen neuen Rekord laufen zu wollen. Bei den Frauen triumphierte indes Melanie Albrecht aus Waldau und überraschte sich damit selbst ein wenig. Einst lebte sie in Oberhof, startete dort als Skilangläuferin für den WSV und nebenbei auch dreimal beim Junior-cross des Rennsteiglaufes. Nun absolvierte sie erstmals einen Ultra-marathon über diese Distanz und schien schon nach 20 Kilometern geschlagen. „Ich hatte Magenprobleme und musste mich übergeben. Ich habe schon daran gedacht, auszusteigen“, sagte die 21-Jährige, die sich von nun an mit Wasser und Bananen kräftigte. „Die letzten Kilometer waren ganz schön hart“, sagte Albrecht.
Diese Erfahrung hat auch Daniela Oemus auf der Marathonstrecke gemacht. Die Titelverteidigerin auf dieser Distanz ist in diesem Jahr noch nicht richtig in Schwung gekommen und hatte überlegt, erst gar nicht anzutreten. „Ich wollte aber nicht kneifen“, sagte die Jenaer Ärztin: „Bei Kilometer 25 hatte ich einen Einbruch, aber ich wollte nicht aussteigen“, sagte die Läuferin vom SV Blau-weiß Bürgel.
Nicht zu schlagen war diesmal Nora Kusterer, die den Marathon trotz der Strapazen regelrecht zu genießen schien. „Bei dieser Stimmung an der Strecke nimmt man die Schmerzen gerne in Kauf“, sagte die Darmstädterin, die ihren Sieg von 2015 wiederholte, in 2:54:00 Stunden ihren eigenen Streckenrekord um mehr als sieben Minuten verbesserte und damit als erste Frau am Rennsteig unter drei Stunden blieb. Den dritten Platz eroberte Marie Brückner vom USV Erfurt, die nach 3:10:47 Stunden das Ziel erreichte.
Einen neuen Sieger gab es auch auf der kurzen Distanz. Fast anderthalb Minuten Vorsprung auf den Zweitplatzierten sind viel bei einem Halbmarathon. Herausgelaufen hatte sie Samsom Tesfazghi Hayalu, wobei der Sieg bei seiner Rennsteigpremiere keine Überraschung war. Denn der 23-Jährige aus Eritrea hatte die Laufszene in den vergangenen Monaten in Thüringen auf verschiedenen Strecken maßgeblich bestimmt.
2014 war er als Flüchtling aus Afrika nach Deutschland gekommen und eher zufällig in Sömmerda gelandet. Bei einem Spaßwettkampf wurde er von Klaus Ludwig entdeckt, der von einem „Naturtalent“spricht. Schließlich laufe Samsom Tesfazghi Hayalu erst seit rund zwei Jahren leistungsorientiert.
Doch die sportliche Zukunft des jungen Mannes vom SV Sömmerda ist offen, weil seine Zukunft insgesamt ungewiss erscheint. Zunächst soll die Integration noch intensiver erfolgen, der in einer Gemeinschaftsunterkunft wohnende Afrikaner macht inzwischen eine Ausbildung im Metallbereich. Allerdings sind die Deutsch-kenntnisse mangelhaft. In dieser Hinsicht müsse etwas passieren, so der 64-jährige Ludwig, der mit Leidenschaft als eine Art Betreuer fungiert und sich wohl auch etwas mehr Engagement seines Schützlings wünschen würde. Der war im Ziel in Schmiedefeld viel gefragt, konnte aber nur wenig antworten. Doch Samsom Tesfazghi Hayalu erntete verdientermaßen reichlich Beifall und Schulterklopfen für den ungefährdeten Erfolg.
Bräutigam verzichtet auf Radbegleitung Oemus landet beim Marathon auf Platz zwei Bergwacht und Mediziner melden ruhigen Tag
Als die Sieger längst ihre Taschen gepackt hatten, passierten die anderen wackeren Rennsteigläufer das Ziel in Schmiedefeld – und durften sich als Gewinner fühlen. Mit 15829 gestarteten Läufern und Wanderern reichte die 45. Auflage fast an das Rekordergebnis des Vorjahres mit 16 412 Aktiven heran. 1700 ehrenamtliche Helfer aus 30 Vereinen und Tausende von Zuschauern an den Strecken sorgten für emsiges Treiben im Thüringer Wald. Nur die Bergwacht und das medizinische Personal hatten so wenig zu tun wie selten beim Rennsteiglauf. Es war eine gute Nachricht, die den gelungenen Tag krönte.
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