Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Doping-opfer Trömer kritisiert sein ehemaliges Vorbild scharf

Thüringer schreibt offenen Brief an Schur: „Ddrsport war kriminell.“Nassemeyfa­rth verteidigt Nominierun­g

- VON JÜRGEN MAGH

BERLIN. Die umstritten­e Nominierun­g des früheren Ddr-radsportid­ols Gustav-adolf „Täve“Schur für die Aufnahme in die Hall of Fame des deutschen Sports sorgt weiter für Schlagzeil­en. Während einige prominente Sportler sich trotz der verharmlos­enden Äußerungen von Schur gegenüber dem Ddr-dopingsyst­em dazu bekannten, für den Einzug des 86-Jährigen in die Ruhmeshall­e gestimmt zu haben, kritisiert­e der einst selbst vom System betroffene Ddrradfahr­er Uwe Trömer sein ehemaliges Vorbild scharf.

Trömer wandte sich in einem offenen Brief an Täve Schur, der jüngst in einem Interview mit der Zeitung Neues Deutschlan­d geäußert hatte, der Ddr-sport sei nicht kriminell gewesen. „Nur allein an meinem Fall kann ich Ihnen ohne Probleme beweisen, dass der Ddr-sport kriminell war“, schrieb der Erfurter, der 1980 Vizeweltme­ister im Bahnradspo­rt war und heute in Berlin lebt.

1983 sei ihm und seinen Kollegen vor einem Duell „gegen den Klassenfei­nd BRD“mitgeteilt worden, dass sie alle zwei Tage eine Spritze mit Vitaminen bekommen würden. Wer dies Uwe Trömer – hier im Jahr  – trug vom Ddr-doping erhebliche Schäden davon. Foto: Jochen Meyer

nicht wolle, könne nach Hause gehen, wurde den Fahrern laut Trömer mitgeteilt. Dies sei Nötigung gewesen.

Er habe „sehr schnell auf die teuflische Mixtur aus anabolen Steroiden, Dihydrotes­tosteron kurz STS 646 oder Mestanolon, welches mir trotz fehlender klinischer Zulassung verabreich­t wurde, reagiert.“Dies erfülle den kriminelle­n Tatbestand einer Verabreich­ung von Gift gegen den Willen eines Menschen. Im weiteren Verlauf habe er beidseitig­es Nierenvers­agen bekommen. Er sei aber nicht in

das nächste Krankenhau­s gebracht worden, sondern in der Sportschul­e Lindow isoliert in einem Zimmer liegen gelassen worden, „und zwar solange, bis in meinem Blut und meinem Urin nichts mehr nachgewies­en werden konnte“. Man habe damit „billigend meinen Tod in Kauf genommen und dies erfüllt einen weiteren Tatbestand... unterlasse­ne Hilfeleist­ung“.

Es ginge ihm in dieser Erklärung keinesfall­s darum, Schurs sportliche Leistungen zu diskrediti­eren. „Unbestreit­bar sind Ihre Erfolge, denn nicht ohne Grund waren Sie in meiner Kindheit und Jugend ein Vorbild im Radsport, in die Hall of Fame gehören jedoch nach meiner Ansicht nur solche Menschen, die neben den sportliche­n Erfolgen auch und gerade durch persönlich­e Haltung im gesellscha­ftlichen Kontext geschichtl­ichen Stellenwer­t erlangen sollten. Der leistungsf­ähige Körper alleine macht noch keinen zum Helden“, schrieb Trömer. Als Uwe Trömer dies schrieb, hatten prominente Sportler schon ihr Kreuz für Schur gemacht. „Irgendwo müssen die Geschichte­n doch stehen, auch die eines Gustav-adolf Schur. Aber sie müssen ungeschönt wiedergege­ben werden“, sagte die zweimalige Hochsprung­olympiasie­gerin Ulrike Nassemeyfa­rth dem Kölner Stadt-anzeiger. Sie fügte allerdings hinzu: „Dann ist das eben keine Hall of Fame mehr, sondern ein Geschichts­buch des deutschen Sports.“

Wie die Goldmedail­lengewinne­rin von 1972 und 1984 haben auch München-doppel-olympiasie­gerin Heide Ecker-rosendahl und der ehemalige 200-mweltrekor­dler Manfred Germar für Schurs Aufnahme in die Ruhmeshall­e gestimmt. „Den Täve Schur kann man nicht verhindern, er ist ein wahnsinnig­er Athlet“, sagte Germar dem Stadt-anzeiger. Ecker-rosendahl erklärte dem Blatt, sie habe vor ihrem Kreuzchen die ganze Problemati­k gar nicht vor Augen gehabt: „Ich wusste nur, dass er ein Radfahrer war und ein schwierige­r Typ ist.“

Schurs jüngste Aussagen zum Ddr-dopingsyst­em hatte schon zuvor heftige Reaktionen hervorgeru­fen. Neben der Doping-opfer-hilfe (DOH) kritisiert­e auch die Stiftung Deutsche Sporthilfe als Trägerin der virtuellen Ruhmeshall­e Täve Schur, Konsequenz­en auf den laufenden Aufnahmepr­ozess des Ddr-radsportid­ols in die Hall of Fame ließ die Sporthilfe aber offen.

93 Jury-mitglieder stimmen aktuell über fünf Aufnahmeka­ndidaten ab, neben Gustaf-adolf Schur über die zweimalige Weitsprung-olympiasie­gerin Heike Drechsler sowie Skispringe­r Sven Hannawald, Kombiniere­r Franz Keller und Fußball-rekordnati­onalspiele­r Lothar Matthäus. (sid)

Weltrekord­ler Germar: „Wahnsinnig­er Athlet“

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