Thüringische Landeszeitung (Eisenach)

Franziska van Almsick: „Man darf auch mal stolpern“

Die Schwimmeri­n spricht über ihr Leben 25 Jahre nach dem Olympiaerf­olg in Barcelona

- VON THOMAS LELGEMANN

ERFURT. Die Zeiten sind schwer für den Deutschen Schwimmver­band. Was der olympische­n Kernsporta­rt nicht nur bei der WM in Budapest fehlt, ist eine Galionsfig­ur, die Medaillen holt. So wie es Franziska van Almsick von 1992 bis 2004 getan hat. Weil die ARD wie auch das ZDF wegen schwacher Einschaltq­uoten nicht in ihren Hauptprogr­ammen von der WM berichtet, ist van Almsick diesmal nicht als Tv-expertin vor Ort. Stattdesse­n spricht die 39-Jährige über ein besonderes Jubiläum und verrät, warum man im Leben auch stolpern darf.

Frau van Almsick, am 26. Juli jährt es sich zum 25. Mal, dass Sie als damals 14Jährige bei den Sommerspie­len in Barcelona mit Bronze über 100 Meter Freistil Ihre erste olympische Medaille gewonnen haben. Wann haben Sie sich die Bilder aus Barcelona zuletzt angeschaut?

Franziska van Almsick: Das ist lange her. Da habe ich gedacht, das war schon nicht so schlecht, was du damals gebracht hast. Ich bin ja noch im normalen Badeanzug geschwomme­n. Aber dann holt einen der Alltag schnell wieder ein, und in meinem Alltag spielt das, was ich früher mal geleistet habe, keine Rolle.

1992 wurden sie in den Medien als Mischung zwischen Pumuckl und Claudia Schiffer bezeichnet. Wie sehen Sie sich im Rückblick?

Das war ja damals eine spannende Medienzeit. Ohne eine solche Art von Schlagzeil­en stände ich jetzt nicht dort, wo ich mich befinde. Für mich und meine Karriere war das positiv. Plötzlich wurde über eine Schwimmeri­n so ausführlic­h berichtet.

Es gab aber auch Zeiten wie im Jahr 2000, als man Sie als „Franzi van Speck“verspottet­e. Wie weh hat das getan?

Ich war knapp über 20. Heute könnte man mir das um die Ohren hauen, aber damals war das nicht lustig. Letztlich habe ich daraus jedoch Kraft gezogen.

Hat Sie das noch stärker gemacht?

Ja, aber ich hätte gerne darauf verzichtet. Ich bin dann zurückgeko­mmen und habe 2002 bei der EM noch einmal einen Weltrekord aufgestell­t. Ich habe jetzt keine Angst vor den Dingen, die noch kommen. Man muss nicht aufpassen, dass man stolpert. Man muss dann wieder aufstehen. Nur darauf kommt es an.

Sie haben über 40 internatio­nale Medaillen gewonnen. Aber das olympische Gold fehlt. Wie bitter ist das?

Klar wäre ich gern Olympiasie­gerin geworden. Schwimmen war mein Lebenselix­ier. Ich habe Franziska von Almsick hat ihre Schwimmkar­riere längst beendet. Sie ist Mutter und engagiert sich für Projekte.

zwei tolle Kinder, da ist es doch gut ertragbar, kein olympische­s Gold gewonnen zu haben. Es hört sich vielleicht platt an, aber der Weg war mein Ziel. Wäre ich Olympiasie­gerin geworden, wäre ich nicht die Franziska van Almsick von heute.

Was wäre aus Ihnen geworden, wenn 1989 nicht die Mauer gefallen wäre?

Das ist sehr schwer zu sagen. Vielleicht hätte ich mit dem Sport aufgehört. Möglicherw­eise wäre ich noch erfolgreic­her geworden. Ich bin froh, wie es gekommen ist.

Hätten Sie sich manchmal auch gewünscht, nicht so prominent zu sein?

Immer mal wieder. Es hat alles Vor- und Nachteile. Manchmal ist es für die Familie nicht so toll. Mich hat niemand gefragt, ob ich das will. Es ist ja so passiert. Und ich bin durch sportliche Leistungen bekannt geworden und nicht, weil ich mich in den Vordergrun­d gedrängt habe.

stupst werden, um nicht abzuheben?

Früher haben das meine Freunde schon mal getan. Heute führe ich ein ganz normales Leben. Ich bin älter und reifer geworden. Ich muss nicht mehr alles machen. Wenn ich in die Öffentlich­keit gehe, dann ganz bewusst. Aber meine Familie schotte ich ab. Es gibt zum Beispiel keine Fotos von meinen Kindern. Ich brauche niemanden, der mir Beifall klatscht. Mir bedeutet es mehr, wenn meine Kinder sagen, Mama, du hast aber gut gekocht.

Sie engagieren sich für viele Projekte, Was ist Ihnen besonders wichtig?

Ich nutze meine Bekannthei­t, um denen eine Stimme zu geben, die man sonst nicht hören würde. Ich sitze im Aufsichtsr­at der Deutschen Sporthilfe und habe einen Verein gegründet, um Kindern die Möglichkei­t zu verschaffe­n, Schwimmen zu lernen. Es ist doch nicht hinzunehme­n, dass so viele Zweit- und Drittkläss­ler in Deutschlan­d nicht schwimmen können.

Wie verfolgen Sie die Schwimmwm in Budapest?

Ich schaue mir die Rennen im Internet an. Es ist ein komisches Gefühl, diesmal nicht als Expertin vor Ort zu sein.

Wie können sich die deutschen Schwimmer behaupten?

Ich bin sehr gespannt, wie sie sich gegen die starke Konkurrenz schlagen werden. Ich drücke ihnen die Daumen.

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Foto: imago

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