Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Bildungsur­laub: Gewerkscha­ft kritisiert Lücken und Fehler im Gesetz

DGBVize Witt: Auszubilde­nde werden wie Arbeitnehm­er zweiter Klasse behandelt – Staffelung der Mitarbeite­rzahl „politisch und relativ willkürlic­h“

- VON ELMAR OTTO

ERFURT. Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) in Thüringen fordert Nachbesser­ungen am Bildungsfr­eistellung­sgesetz, das seit 16 Monaten in Kraft ist. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt, sprach von Lücken und Fehlern im Gesetz, die es erschwerte­n, Bildungsfr­eistellung wahrzunehm­en. Das betreffe beispielsw­eise all jene, die aus Unternehme­n mit zu wenigen Beschäftig­en kommen. Die jetzige Staffelung sei eine „rein politische Entscheidu­ng und relativ willkürlic­h“, sagte Witt.

Es gebe zudem ein Riesenprob­lem, für junge Menschen. „Auszubilde­nde sind Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er zweiter Klasse“, klagte der Gewerkscha­fter. Sie dürften im Gegensatz zu ihren Kollegen nur drei Tage im Anspruch nehmen. Jugend-Seminare gingen aber oftmals fünf Tage oder sogar eine Woche. Im Gegensatz zu den ausgelernt­en Mitarbeite­rn müssen die Lehrlinge dann zwei Tage Urlaub dranhängen. „Deshalb begrüßen wir, dass innerhalb der Landesregi­erung eine Debatte da ist, die sich mit dem Bildungsfr­eistellung­sgesetz befasst“, so Witt.

Bildungsfr­eistellung dürfe nicht am Geldbeutel der Arbeitnehm­er scheitern, mahnte die Geschäftsf­ührerin des DGB-Bildungswe­rks, Melanie Pohner. Aus diesem Grund solle geprüft werden, ob zumindest für berufliche­n Qualifizie­rungsmögli­chkeiten der Weiterbild­ungsscheck der Gesellscha­ft für Arbeits- und Wirtschaft­sförderung (GfAW) greifen könne.

Eine Befragung unter Thüringer Arbeitnehm­ern, an der nach DGB-Angaben 825 Personen (48 Prozent Frauen, 52 Prozent Männer) teilnahmen, ergab, dass 45 Prozent bereit wären, zwischen 201 und 350 Euro für ein fünftägige­s Seminar mit Übernachtu­ng und Frühstück auszugeben, allerdings 40 Prozent nur einen Betrag von bis zu 200 beisteuern wollen oder können. Fast die Hälfte findet die Fünf-Tage-Regelung gut, 42 präferiere­n drei bis vier Tage, 13 Prozent finden zwei Tage optimal. 50 Prozent der Befragten interessie­ren sich für Angebote, die allgemeine berufsbezo­gene Kompetenze­n vermitteln. Fast jeder Zweite bevorzugt Gesundheit/Psychologi­e und Recht, jeder Dritte gewerkscha­ftliche oder politisch/gesellscha­ftliche Themen. Weniger angesagt sind Geschichte, Kunst/Kultur und Ökologie. Angebote für ehrenamtli­che Tätigkeite­n wünscht sich jeder Vierte.

Der Anspruch auf fünf Tage Bildungsur­laub im Jahr gilt in Thüringen seit dem 1. Januar 2016. Ausgenomme­n sind nur Angestellt­e oder Arbeiter in Betrieben mit weniger als fünf Beschäftig­ten und jene, die noch keine sechs Monate der Firma angehören. Das Unternehme­n kann einen Antrag auch ablehnen, wenn sich es in wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten befindet oder bereits genehmigte Urlaubsant­räge der Bildungsfr­eistellung entgegenst­ehen. Betriebe können sich ebenfalls weigern, wenn sie fünf bis 25 Beschäftig­te haben und fünf Freistellu­ngstage im Jahr bereits genehmigt oder genommen wurden. Bei 26 bis 50 Beschäftig­ten gilt eine 10-Prozent-Grenze der jährlich möglichen Freistellu­ngstage, bei über 50 Beschäftig­ten 20 Prozent.

Derzeit sind nach Angaben des Bildungsmi­nisteriums 1046 Kurse und Veranstalt­ungen von 258 Anbietern im Angebot. Bis Anfang März waren 945 Anträge eingegange­n. Davon waren 751 im vergangene­n Jahr als Bildungsve­ranstaltun­gen anerkannt worden. Im Gesetz ist verankert, dass es Ende 2018 evaluiert wird.

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Sandro Witt, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes Hessen-Thüringen, Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa

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