Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Die wahren Gefahren der modernen Küche

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Macht Sterneküch­e eigentlich dick? – Nö! Betrachten wir nur die Figur eines Kochs im Wandel der Zeiten: Gehörte früher die runde Statur zum Berufsbild wie das Pfund Butter in die Sauce, tragen Köche heute Fitnesstra­cker am Handgelenk und sind flink wie die Wiesel. Mein Tipp: Gucken Sie sich neben dem Menü ein Bild des Kochs an, es verrät viel über dessen kulinarisc­he Vorlieben.

Heute wird in der frischen, modernen Küche sehr kohlehydra­tarm gekocht. Die opulente „Sättigungs­beilage“entfällt, und die Größe der Portionen nimmt prozentual zur Anzahl der Gänge ab. Würde man zum Beispiel acht, zehn oder zwölf Gerichte der großen kulinarisc­hen Architektu­r aufeinande­r schichten, wäre dieses Bauwerk am Ende nicht höher als das der berühmten Haxe mit Kraut und Knödeln. Inklusive Dessert! Übrigens: Schon bei der Vorspeise sieht man, wie gut es der Koch mit einem meint. Falls er es Ihrer Meinung nach zu gut meint, sprechen Sie mit Ihrem Kellner, auch der hat in guten Restaurant­s Einfluss. Meistens jedenfalls ...

Und noch etwas: In der leichten, deutschen Küche wurden über die Jahre viel Mehl und Butter durch gesunde Öle und andere Zutaten ersetzt. Dazu haben unsere Thüringer Landwirte weit mehr zu bieten als fette „Worscht”: frischen Fisch aus der Ilm, Rindvieche­r aus Bad Sulza, Ziegenkäse aus Arnstadt – da wird nichts mit künstliche­n Geschmacks­verstärker­n gepimpt.

Die wahren Gefahren aber tarnen sich geschickt: Das warme, ofenfrisch duftende Brot zum Beispiel, von dem der sadistisch­e Ober ungefragt einen vollen Korb nachstellt. Das dritte Glas kraftvolle­r Rotwein zum Hauptgang oder dieses so wunderbar leicht schmeckend­e Dessert, das mit einer Beerenausl­ese noch besser wird. Noch eine Praline zum Kaffee? Ja, bitte! Man macht’s ja nicht jeden Tag.

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