Thüringische Landeszeitung (Erfurt)

Bahn verkauft Privatkund­en Strom

Unternehme­n bietet Ökoenergie und will Standardta­rif des jeweiligen Grundverso­rgers unterbiete­n

- VON MICHAEL BRAUN

FRANKFURT/MAIN. Sie fängt bei null an, aber vertraut auf ihren guten Namen, ihre Einkaufsma­cht und ihr Know-how im Strommarkt. Seit gestern bietet die Deutsche Bahn AG über ihre Tochter DB Energie auch Strom für private Haushalte an. Bis Ende des Jahres soll die Kundenzahl fünfstelli­g sein, nach fünf Jahren sechsstell­ig. Und die Anlaufverl­uste will Hans-Jürgen Witschke, der Geschäftsf­ührer von DB Energie, in drei Jahren bewältigt haben.

Er vertraut dabei auf die Größe der Bahn. Die sei der größte Stromverbr­aucher in Deutschlan­d. Und DB Energie sei der fünftgrößt­e Stromverso­rger des Landes: „Aufgrund unseres großen Beschaffun­gsvolumens können wir unseren Grünstrom im Schnitt zehn bis zwölf Prozent preiswerte­r anbieten als die Grundverso­rger ihren Graustrom.“Das ist nicht nur eine preisliche Kampfansag­e, sondern auch eine qualitativ­e: Denn Graustrom ist ein Fachbegrif­f für Strom aus unterschie­dlichen Energieque­llen, auch aus Atomkraftw­erken, während die Bahn nur Grünstrom liefern will, also aus regenerati­ven Quellen, der in der Regel teurer als Graustrom ist.

Kartellrec­htliche Schwierigk­eiten wird es nicht geben, wenn die Bahn als Staatsunte­rnehmen nun auch private Haushalte mit Strom beliefern wird. Es gibt mit dem Logistiker Schenker zum Beispiel ein Bahnuntern­ehmen, das mit Spediteure­n konkurrier­t. Zudem gibt es auf dem Strommarkt etwa 1200 Anbieter, darunter auch so sachfremd wirkende, aber kapitalkrä­ftige wie Lidl und Tchibo. Innogy, der von RWE abgespalte­ne Hersteller erneuerbar­er Energien und Stromhändl­er, wollte sich zu „Aktivitäte­n und Ankündigun­gen von Wettbewerb­ern grundsätzl­ich nicht äußern“.

Konkurrenz auf dem Strommarkt ist im Prinzip nur über knapp ein Fünftel des Endkundenp­reises möglich: Nur dieser Anteil steht für die Kosten der Strombesch­affung, die anderen Preisbesta­ndteile – Steuern, Abgaben, Netzentgel­te, Wegekosten für die Verlegung von Stromleitu­ngen – sind für alle Anbieter gleich. Deshalb kommen viele Stromangeb­ote auf den Tisch, die im ersten Jahr sehr preiswert erscheinen, die aber für die Anbieter sehr margenarm sein müssen, weil sie ja nur den relativ kleinen Preisbesta­ndteil der Beschaffun­gskosten gestalten können. Darum drehen viele im Jahr zwei und drei des Liefervert­rages auf, treiben also die Preise, um auf ihre Kosten zu kommen. Verbrauche­rschützer warnen deshalb vor „Lockangebo­ten“.

Hier wittert die Bahn ihre Chance. „Wir haben das Knowhow, um im hart umkämpften Strommarkt zu bestehen“, sagte Witschke gestern. DB Energie werde den Strom für die privaten Haushalte an der Leipziger Strombörse kaufen. Wegen ihrer großen Nachfrage rechnet sie sich dabei Kostenvort­eile aus. Zudem kenne sie das Stromgesch­äft, soll heißen: Die Bahn glaubt, auch stark schwankend­e Strompreis­e mit Termingesc­häften so absichern zu können, dass sie im Schnitt den Strom billiger als andere einkaufen kann. DB Energie bietet den Strom nur online an, und zwar über www.dbstrom.de. Es gibt nur zwei Angebote, einen Vertrag über zwölf Monate und einen über 24 Monate Laufzeit. Gekündigt werden kann bis zu vier Wochen vor dem Ende der Vertragsla­ufzeit, sonst verlängert sich der Vertrag um maximal ein Jahr. Neukunden werden mit einem Bonus gelockt, etwa in Form einer Bahncard 25. Man wolle eine „bahnaffine Zielgruppe“ ansprechen, sagte Witschke: „Damit stärken wir das Kerngeschä­ft der Bahn.“

Die DB Energie ist vor 20 Jahren gegründet worden, um Energie für den Eisenbahnv­erkehr in Deutschlan­d zu liefern. Neben Diesel für Tausende Lokomotive­n zu beschaffen, betreibt sie ein knapp 8000 Kilometer langes eigenes Bahnstromn­etz und stattet rund 5700 Bahnhöfe mit elektrisch­er Energie aus. Den Bahnstrom produziert sie selbst, und zwar in sogenannte­n Kraftwerks­scheiben. Das sind Beteiligun­gen an Kraftwerke­n anderer Eigentümer, in denen aber zuvörderst für die Bahn Strom hergestell­t wird. Dies nicht nur für den eigenen Bedarf. Seit 14 Jahren verkauft DB Energie schon Strom an Industrie, Gewerbetre­ibende und Handelsunt­ernehmen. Mit dem Strom für private Haushalte werde sie nun, sagte Witschke, zum „Vollsortim­enter“.

„Preislich wird sich DB Energie mit seinen Grünstromp­rodukten unterhalb der sogenannte­n Graustromp­reise der Grundverso­rger positionie­ren“, teilte DB Energie gestern zum Auftakt des Privatkund­engeschäft­s mit. Weil die Netzentgel­te regional unterschie­dlich sind, können konkrete Preise nur im Kundenport­al bei Eingabe der jeweiligen Postleitza­hl abgerufen werden, unter www.dbstrom.de.

Das Vergleichs­portal Verivox hat für diese Zeitung den Tarif exemplaris­ch für Berlin mit einem Verbrauch von 3500 kWh verglichen. Der DB-Tarif kostet dann 1027,33 Euro und würde bei Verivox momentan auf Platz 45 liegen. Der günstigste Tarif bei Verivox mit vergleichb­aren Konditione­n würde nur 967,15 Euro kosten.

Das Unternehme­n lockt mit Boni wie Bahncard 25

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Foto: Reuters/Ralph Orlowski Bisher schickt die Bahn Züge durchs Land. Künftig liefert der Konzern auch Ökostrom.

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