Thüringische Landeszeitung (Gera)
„Karrierehinderlich sind nicht Kinder, sondern Vorurteile“
UnternehmerinnenSalon in Weimar: Anne Kolling kümmert sich um Frauen, die sich selbstständig machen wollen – und sie gibt Feedback mit Pferden
WEIMAR. Zum dritten Unternehmerinnen-Salon laden TLZ, Verband der Unternehmerinnen VdU, Toskana World und Hotel Amalienhof ein. Gesprächspartnerin ist die Weimarerin Anne Kolling, die 2005 die K. Beratungs- und Projektentwicklungsgesellschaft gegründet hat. Warum haben Sie sich selbstständig gemacht? Ich wollte meine eigene Chefin sein mit allem was dazu gehört, Chancen und Risiken. Ich wollte mehr selbstbestimmt und zeitund ortssouveräner arbeiten als in meinen Anstellungsverhältnissen. Und: ich hatte ein Bild vom „Lernen, das bewegt, die Köpfe, Herzen und die guten Geschäfte“. Zu dieser Kompetenzentwicklung wollte ich mit eigenen Angeboten beitragen. Sie arbeiten auch mit Pferden. Warum? Pferde sind Meister der Rückmeldung, wie unser menschliches Verhalten in einer Situation X wirkt. Vor mehr als zehn Jahren lag es in der Luft und wurde dann schnell konkret, dass ich meine Pferde als Trainingspartner einsetzte und mit ihnen das sehr wirksame Trainingsformat „Feedback by Horses“entstand, mit dem ich inzwischen zahlreiche Unternehmen, Teams und Einzelpersonen in ihren Lern- und Entwicklungsschritten begleiten konnte. Was halten Sie vom Thüringer Bildungsurlaub? Die Berechtigung zur bezahlten Bildungsfreistellung rückt das Thema der Kompetenzentwicklung deutlich ins Bewusstsein und schafft Bedingungen, um gezielt Kompetenzerwerb zu betreiben. Das ist eine sehr gute Sache und sollte zahlreich in Anspruch genutzt werden. Bildung ist eine der wenigen Ressourcen, die durch Gebrauch mehr und durch Teilen miteinander höherwertiger wird. Ohne Bildungszugänge für alle Menschen – auch und gerade für Flüchtlinge, haben wir am Standort Deutschland schlechte Karten. Hier sollten wir noch kraftvoller handeln. Sie machen sich für Frauensache stark. Das ist mehr als nur ein Auftrag, oder? ThEx Frauensache ist wirklich für mich und das ganze Team ein echtes Anliegen. Im ersten Projekt im Auftrag des Bundes-- damals über „Gleichstellen“– haben wir mit Frauen in und vor Führungspositionen über das Format des Mentorings gearbeitet und beste Resultate erzielt. Nunmehr im Auftrag des Thüringer Wirtschaftsministeriums, finanziert über EU-Mittel, begleiten und unterstützen wir im ThEx in Erfurt Gründerinnen und Unternehmerinnen via Mentoring und Netzwerken. Frauen gründen nämlich anders und für diese Spezifik haben wir Formate. Auch wenn Frauen mit einem knappen Drittel an allen Gründungen in Thüringen ihr Geschäft beginnen, haben sie immer noch kein breitenwirksames Positivbild der Unternehmerin vor sich: Selbstständigkeit ist mit männlichen Unternehmern verknüpft. An der Sichtbarmachung von Unternehmerinnentum und an Beispielen, die Mut zur Gründung machen, arbeiten wir gezielt. Thüringen liegt aktuell beim Anteil der Professorinnen mit etwa 18 Prozent unter dem mickrigen Bundesschnitt von etwa 23 Prozent. Was muss passieren? In aller Kürze gesagt: Die Rahmenbedingungen für Frauen in Führung und Selbstständigkeit müssen weiterhin verbessert werden. Das größere Karrierehindernis für Frauen sind nicht Kinder, sondern Vorurteile. Wir brauchen auch weiterhin Steuerungen, um die gläserne Decke, an die Frauen immer wieder stoßen auf dem Weg nach oben, zu regulieren: Ausschreibungs- und Stellenbesetzungspolitik sind da Stichworte. Wir brauchen in Politik, Medien, Gesellschaft, Wirtschaft fähige Frauen, die andere Frauen stärken und gut funktionierende Netzwerke betreiben, in den Frauen, gerne auch gemeinsam mit Männern, gleichberichtigt Entwicklung vollziehen können, die mehr als nur dem Individuum zugutekommt, sondern einen guten Beitrag zum Ganzen stiftet. (ger) Mittwoch, 19.30 Uhr, Hotel Amalienhof Weimar, Eintritt frei
„Bildung wird durch Gebrauch mehr und durch Teilen miteinander höherwertiger.” Anne Kolling, Gesprächspartnerin beim UnternehmerinnenSalon am Mittwoch