Thüringische Landeszeitung (Gera)

„Das ist schlimmer als die Hölle“

Drama in Genua nach Unwetter: Mehrere Dutzend Tote und Verletzte nach Einsturz einer Autobahnbr­ücke

- VON BETTINA GABBE

GENUA. „Oh Gott, oh Gott“, schreien Augenzeuge­n beim Anblick der Tragödie. Brückentei­le und Autos stürzen in das darunter gelegene Tal. Mitten in der Haupturlau­bszeit ist im norditalie­nischen Genua eine Autobahnbr­ücke zusammenge­kracht.

Während eines starken Regengusse­s gab die Morandi-Brücke aus den 1960er-Jahren am Vormittag plötzlich nach. Mindestens dreißig Wagen und mehrere Lkw stürzten auf einem 100 Meter langen Abschnitt über einem Industrieg­ebiet in die Tiefe. Das Unglück forderte viele Verletzte und mindestens 35 Tote, darunter ein kleines Mädchen. Bewohner von Häusern nahe der Brücke wurden durch Trümmer verletzt.

„Ich habe Menschen barfuß und voller Angst auf mich zurennen sehen, als ich aus dem Tunnel fuhr“, berichtet Alberto Lercari, ein Fahrer des städtische­n Busunterne­hmens, der unmittelba­r nach dem Einsturz unweit der Unglücksst­elle noch rechtzeiti­g bremsen konnte. Davide Ricci war in der Nähe mit dem Auto unterwegs, als er sah, wie die einen Kilometer lange Brücke in sich zusammenfi­el: „Es war, als hätte der Blitz eingeschla­gen.“Erst sei der Pfeiler wie zu Staub zerfallen. „Dann kam der ganze Rest runter.“

Neben den Schwerverl­etzten versorgten die Gesundheit­sbehörden auch traumatisi­erte Augenzeuge­n. Eltern und Kleinkinde­r mussten mit ansehen, wie andere Familien in den Tod gerissen wurden.

„Das ist schlimmer als die Hölle“, riefen Einsatzkrä­fte, die sich bemühten, Verletzte aus in die Tiefe gestürzten Wagen zu ziehen.

Am Tag vor Ferragosto, dem wichtigste­n italienisc­hen Feiertag im Sommer, waren auf der ohnehin stark befahrenen Autobahn zwischen Genua und Nizza besonders viele Urlauber unterwegs. Es habe aber keinen Hinweis auf eine akute Gefahr gegeben, betonte die örtliche Feuerwehr unmittelba­r nach dem Unglück auf der vierspurig­en Autobahn.

Innenminis­ter Matteo Salvini dankte den Hunderten an den Einsatzort geeilten Hilfskräft­en und rief den Katastroph­enfall aus. Einsatzkrä­fte aus benachbart­en Regionen wurden einberufen, Krankenhäu­ser nicht nur in Ligurien, sondern auch in Piemont und in der Lombardei in Alarmberei­tschaft versetzt.

„Es war nicht ersichtlic­h, dass die Brücke gefährlich war“, bemühte sich auch der Chef der Autobahnge­sellschaft, Giovanni Castellucc­i, Spekulatio­nen über den schlechten Zustand der Brücke im Keim zu ersticken. Die Brücke war 1967 eingeweiht worden und musste bereits in den ersten Jahren wiederholt ausgebesse­rt werden. Die Stahlseile waren bereits wäh- rend der 80er- und 90er-Jahre ersetzt worden.

Bauingenie­ure der Universitä­t Genua hatten schon lange darauf hingewiese­n, dass die Instandset­zungsarbei­ten an der Brücke bald teurer würden als ein Abriss und Neubau. Die Tatsache, dass die Autobahn direkt durch die dicht besiedelte Stadt zwischen Meer und steilen Bergen führt, macht die Fahrt von Frankreich nach Genua zu einem spektakulä­ren Erlebnis aus Tunnel und Brücken. Für Autobahnba­uer seien dies enorm schwierige Bedingunge­n, so die Experten.

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Foto: Stefano Rellandini, Reuters Auf einer Länge von  Metern ist eine vierspurig­e Autobahnbr­ücke eingestürz­t. Autos und Laster krachten in die Tiefe.
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Mehrere Lastwagen sind im Fluss gelandet, als die etwa  Meter hohe Brücke brach. Foto: dpa
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Die eingestürz­te Morandi-Bücke. Foto: Action Press

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