Thüringische Landeszeitung (Gotha)

Erdogan auf dem Höhepunkt seiner Macht

Der türkische Präsident ist nun auch wieder Chef seiner AKPartei. Er bekommt 96 Prozent der Stimmen und wird hymnisch gefeiert

- VON GERD HÖHLER

Wenn es darum geht, ihrem Gründer und Übervater Recep Tayyip Erdogan zu huldigen, zieht die türkische Gerechtigk­eitsund Entwicklun­gspartei (AKP) seit jeher alle Register. Aber einen solchen Parteitag, wie ihn die Organisato­ren am Sonntag in Ankara inszeniert­en, hat es in der 16-jährigen Geschichte der AKP noch nicht gegeben. 1565 Busse brachten rund 100 000 Besucher aus den 81 türkischen Provinzen in die Hauptstadt. Sie bildeten in der Ankara-Arena die Jubelkulis­se für die 1470 Parteitags­delegierte­n. Anlass der Massenvera­nstaltung war Erdogans Rückkehr an die Spitze der Partei. Im August 2014 hatte er nach seiner Wahl zum Staatspräs­identen die AKP-Mitgliedsc­haft und den Parteivors­itz aufgeben müssen. Das bisherige türkische Grundgeset­z verpflicht­ete das Staatsober­haupt zur parteipoli­tischen Neutralitä­t. Mit der neuen, auf Erdogan zugeschnit­tenen und Mitte April in einer Volksabsti­mmung knapp gebilligte­n Verfassung wurde dieses Gebot aufgehoben.

„Ich grüße euch von ganzem Herzen“, rief Erdogan der Menge vor der Halle zu. „Nach 998 Tagen sind wir wieder vereint.“Begeistert stimmte die Menge in der Arena die Parteihymn­e an: „Den gleichen Weg sind wir gekommen, das gleiche Wasser haben wir getrunken. Die gleichen Lieder, die gleichen Tänze, die gleichen Herzen, die gleichen Gebete – es geht wieder los, alle zusammen!“

Mit 96 Prozent der Delegierte­nstimmen wurde Erdogan zum neuen AKP-Chef gewählt. Einen Gegenkandi­daten gab es nicht. Der bisherige Parteichef Binali Yildirim wird als sein Stellvertr­eter und geschäftsf­ührender Vorsitzend­er fungieren. Dieser Tag gehörte Erdogan. Doch es ist kein Geheimnis, dass es in den Reihen der Partei einige gibt, die das Machtstreb­en und den autoritäre­n Führungsst­il des 63-jährigen Erdogan mit Sorge sehen. Das Wahlergebn­is bestätigt das. Mehr als 50 Delegierte verweigert­en dem neuen Parteichef ihre Stimme.

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