Thüringische Landeszeitung (Jena)
Welche Krankheiten konnten ausgerottet werden?
Pocken wurden zu 100 Prozent beseitigt, Polio zu 99 Prozent. Die Problemländer bleiben Nigeria, Pakistan und Afghanistan, wo politische Gewalt weit verbreitet ist. Darüber hinaus hat sich die Kindersterblichkeit seit 1990 halbiert. Dies liegt vor allem an der Versorgung mit Impfstoffen und Moskitonetzen gegen Malaria.
Tun die afrikanischen Regierungen ihre Pflicht? Es gab ja immer wieder Berichte, dass Geld in den Taschen der Mächtigen versickert.
Wir sind im permanenten Gespräch mit afrikanischen Regierungen. Wir versuchen, sie zu ermuntern, dass sie deutlich mehr Geld für Gesundheit ausgeben. Es gibt ja ein Muster, wie Länder aus der Armut kommen – das lässt sich in Marokko, Botswana, Südkorea oder Mexiko beobachten. Es fängt mit einem bisschen Entwicklungshilfe aus dem Ausland an. Danach ziehen die Länder mit ihrem eigenen Budget nach, insbesondere bei Gesundheit und Bildung. Wenn Väter und Mütter sehen, dass ihre Kinder überleben, reduzieren sie automatisch die Größe ihrer Familien.
Wie stellen Sie sicher, dass das Geld ankommt?
Unser Geld wird nicht durch afrikanische Regierungen verteilt, sondern durch unsere Partnerorganisationen. Unser größter Partner ist die „Global Alliance for Vaccines and Immunizations“(GAVI), in die wir mehr als anderthalb Milliarden Dollar stecken. Über GAVI sprechen wir Arzneimittelunternehmen an und garantieren ihnen einen Markt in bestimmten Ländern, wenn sie ihre Produkte knapp über dem Selbstkostenpreis anbieten. Wir geben den Firmen Anreize, neue Impfstoffe für Entwicklungsländer herzustellen.
Kritiker werfen Ihrer Stiftung vor, dass sie auch in Betriebe investiert, die nicht nachhaltig arbeiten. Nach welchen Kriterien treffen Sie Ihre Auswahl?
Man muss zwei Dinge unterscheiden. Da ist zum einen die Stiftung, die sich nur um Hilfsprojekte kümmert. Darüber hinaus gibt es einen Investmentfonds, der pro Jahr einen Betrag von vier bis fünf Milliarden Dollar an die Stiftung überweist. Beide sind getrennt voneinander, obwohl Bill und ich den Investmentfonds beaufsichtigen. Das Ziel dieses Fonds besteht darin, so viel Geld wie möglich für die Vorhaben der Stiftung zu erwirtschaften. Es gibt nur eine Einschränkung: keine Investitionen in Tabak.
Sie finanzieren aber auch ErdölExplorationen, die das Risiko von Umweltkatastrophen in sich bergen.
Das kann passieren. Wir prüfen natürlich Öl- oder Kohleunternehmen. Andererseits: Sie können bei jedem Land oder bei jeder Firma irgendetwas finden, was Ihnen nicht passt.
Sie bezeichnen sich als Feministin. Was heißt das für Sie?
Es gibt ganz verschiedene Definitionen von Feminismus – je nach Person, kulturellem Ort oder Land. Meine Definition wäre: Macht Frauen stärker, damit sie Entscheidungen für sich, ihre Familie und ihre Gemeinde treffen können. In diesem Sinne bin ich ganz und gar Feministin. Die Gleichstellung von Mann und Frau ist der wichtigste Punkt in meiner Arbeit.
Sie sind sehr reich und haben großen Einfluss. Was bedeutet Reichtum für Sie?
Bill und ich haben versucht, trotz des Reichtums ein normales Familienleben zu führen. Wir haben unsere Kinder auf Schulen geschickt, wo sie sich selbst finden und ihre Talente entwickeln konnten. Aber gleichzeitig haben wir Wert darauf gelegt, dass dort Vielfalt und die Erziehung zu globalen Bürgern ganz oben stehen. Wir haben unsere Kinder auf Reisen mitgenommen – allerdings nicht nur auf Luxustrips. Meine älteste Tochter verbrachte einige Tage mit mir in einer Hütte bei einer Massai-Familie in Tansania. Mein mittlerer Sohn lebte mit mir in Malawi. Am Morgen hat die Mutter auf offenem Feuer für uns gekocht. Mein Sohn hat mitgeholfen, ein Huhn zu fangen. Wir haben es geschlachtet und gekocht – zum ersten Mal in unserem Leben.
Sie sind Katholikin. Ist Stiftungsarbeit in religiösen Gesellschaften leichter oder schwieriger?
Religion ist eine zweischneidige Sache. Sie hilft mir persönlich, weil sie mir Spiritualität gibt und ich an andere Menschen glaube. Sie kann aber auch ein Hindernis sein. So lehnt die katholische Kirche moderne Verhütungsmittel ab. Ich finde dagegen, dass alle Frauen Zugang dazu haben sollten. Es ist eine knifflige Angelegenheit.