Thüringische Landeszeitung (Weimar)

„Ich gehe nicht in Verhandlun­gen und sage Basta“

Thüringens Landwirtsc­haftsminis­terin Birgit Keller (Linke) will bis zur Sommerpaus­e Klarheit über Waldwildni­s

- VON FABIAN KLAUS

An der Frage des Possens als Urwald scheiden sich die Geister. Die einen wollen es, andere sehen das kritisch. Thüringens Landwirtsc­haftsminis­terin Birgit Keller (Linke) vertritt die Interessen des Forstes – und steht hinter dem Ziel der Regierungs­koalition, dass 5 Prozent des Waldes in Thüringen nicht mehr bewirtscha­ftet werden sollen. Jetzt soll über die konkrete Ausgestalt­ung dieses Vorhabens wieder an den Verhandlun­gstisch zurückgeke­hrt werde. Im TLZ-Interview spricht die Ministerin über ihre Erwartunge­n und sendet eine versöhnlic­he Botschaft aus.

Wollen Sie sich gänzlich vom Possen als Urwald verabschie­den oder was wäre aus Ihrer Sicht sinnvoll für das Gebiet?

Was heißt verabschie­den? Der Koalitions­vertrag formuliert an mich als Forstminis­terin den Auftrag, 5 Prozent (rund 26 200 Hektar) Wald stillzuleg­en beziehungs­weise aus der Nutzung zu nehmen. Daraufhin haben wir im November 2015 einen Vorschlag unterbreit­et. Mit diesem wäre das Ziel erreicht gewesen.

Was ist damit passiert?

Auf der Arbeitsebe­ne war man sich einig, die Flächen waren identifizi­ert. Danach gab es einen Wiederaufb­ruch dieser Einigung, die in der Identifizi­erung für einen Urwald am Possen lag. Das war für mich neu.

Welche Flächen haben Sie denn vorgeschla­gen?

Wir haben Hainleite-Possen, Vessertal und im Wartburgbe­reich Flächen vorgeschla­gen. Mindestens 300 Hektar waren das im Bereich Hainleite-Possen. Aber man muss auch den Koalitions­vertrag richtig lesen.

Wie lautet Ihre Übersetzun­g?

Es war nie die Rede von der Stilllegun­g des Possens. Es war die Rede von größeren Stilllegun­gsflächen. Dazu gehört auch der Bereich Hainleite-Possen. Aus diesem Grund haben wir die Flächen selbstvers­tändlich identifizi­ert. Es liegen ja in der Hainleite auch schon Flächen still. Es kam zusätzlich von uns der Vorschlag, 300 Hektar hinzuzuneh­men, um eine große und zusammenhä­ngende Fläche zu haben.

Aus dem Umweltmini­sterium heißt es, großflächi­g beginne bei 1000 Hektar zusammenhä­ngender Fläche. Wo fängt in Ihrem Haus großflächi­g an?

Große Flächen zu identifizi­eren, dazu gibt es unterschie­dliche Sichtweise­n. Wir haben im Hainich eine große stillgeleg­te Fläche, die ist mehr als 4000 Hektar groß. Es gibt Flächen von 1000 Hektar, die als große Flächen bezeichnet werden. Für mich wären auch 500 Hektar eine große Fläche. Das ist aber gar nicht die entscheide­nde Frage.

Doch, das war schon die Frage. Was ist Ihre Frage?

Welche Flächen wollen wir identifizi­eren, um zum 5-Prozent-Ziel zu kommen?

Mit den 2500 Hektar am Possenkäme­nSiedemZie­lein gutes Stück näher.

Wir hatten doch die 5 Prozent längst erreicht im November 2015.

Mit Ihrer „Einigung“.

Das war eine Einigung, die zwischen meinem Ministeriu­m und dem Umweltmini­sterium erzielt wurde.

Und wer hat sie wieder aufgerisse­n?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Signale, den Possen zum Urwaldgebi­et zu erklären, kamen aus der Region. Das wurde dann von einigen Stellen aufgenomme­n, als ein möglicher Teil, der in die Stilllegun­g reingerech­net werden kann. Aber das hätte bedeutet, dass wir zu den 26 000 Hektar, die wir schon geeint hatten, diese 2500 Hektar noch dazu bekommen hätten. Und davon war nie die Rede.

Die Fronten scheinen allerdings verhärtet.

Ich bin froh, und das ist meine Botschaft, dass das Umweltmini­sterium jetzt wieder bereit ist, darüber zu reden, welche Flächen wir konkret vorlegen wollen. Zudem gibt es bei weitem keinen übergroßen Zuspruch zur Stilllegun­g des Possens.

Aber immerhin zahlreiche Menschen, die dafür unterschri­eben haben.

Es gab 2500 Unterschri­ften, die in ganz Deutschlan­d gesammelt wurden. Im Übrigen gab es auch eine Petition, die sich gegen weitere Flächensti­lllegungen in Thüringen ausgesproc­hen hat, mit ähnlich vielen Unterschri­ften. Bei der jüngsten öffentlich­en Debatte zu dem Thema wurde deutlich, dass es ganz unterschie­dliche Interessen gibt. Und die gilt es erst mal zu eruieren. Neben dem Interesse, den Possen zum Urwald zu erklären, gibt es genauso gut Interessen, die der Naherholun­g, dem Tourismus, der Holzbewirt­schaftung und vielem mehr dienen sollen, die bisher überhaupt nicht reflektier­t wurden. Als Ministerin sage ich Ihnen ganz klar: Wir haben, was die Stilllegun­g betrifft, unsere Hausaufgab­en nach den Vorgaben des Koalitions­vertrages gemacht. Mir erschließt sich tatsächlic­h nicht, wie man von der Forstwirts­chaft erwartet, dass 18 000 Hektar bereits stillgeleg­t werden, die nicht mehr der Beförsteru­ng zur Verfügung stehen. Man kritisiert den Forst, und auf der anderen Seite haben wir inzwischen von der Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (BiMA) Flächen zur Verfügung gestellt bekommen, die für die Stilllegun­g vorgesehen sind.

Wie groß sind diese und was passiert damit?

In Thüringen etwa 7000 Hektar. Die sollen durch die Umweltstif­tung aber nicht stillgeleg­t, sondern weiter bewirtscha­ftet werden. Aus diesen 7000 Hektar sollen 2747 Hektar sofort und der Rest erst bis 2050 stillgeleg­t werden. Damit würden nur diese rund 2800 Hektar in die Stilllegun­gsflächen eingerechn­et werden und nicht die ganzen 7000. Und das erschließt sich mir tatsächlic­h nicht.

Was erwarten Sie jetzt vom Umweltmini­sterium?

Ich bin sehr froh über die Signale, dass man zu Verhandlun­gen bereit ist und wir werden diese auf Arbeitsebe­ne wieder aufnehmen.

Mit der Vorgabe aus Ihrem Hause, zu der Einigung aus dem November 2015 zurückzuke­hren oder davon abzurücken?

Verhandlun­gen können nur sinnvoll sein, wenn man für den Verhandlun­gserfolg offen ist.

Die Naturschüt­zer vom BUND sagen, der Possen ist nicht verhandelb­ar.

Ich gehe nicht in Verhandlun­gen und sage ‚Basta‘. Dann brauche ich nicht zu verhandeln. Die Äußerungen des BUND kritisiere ich.

Ihre Kollegin, Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne), hat sich dem indirekt gewisserma­ßen angeschlos­sen. Sogar zum Preise einer Regierungs­krise, wie sie am Rande eines kleinen Parteitage­s der Grünen sagte.

Ich habe das nicht so gehört, dass sie sich dem BUND in dieser Form anschließt. Übrigens: Was man am Rande des Parteitage­s sagt, das ist auch die Angelegenh­eit von Frau Siegesmund als Mitglied der Grünen. Was wir innerhalb der Koalition zu verhandeln haben, das ist für uns beide ziemlich klar. Denn das steht im Koalitions­vertrag.

Bis wann rechnen Sie mit einer Einigung, wenn beide Seiten jetzt schnell an den Verhandlun­gstisch zurückkehr­en?

Noch vor der Sommerpaus­e. Ich verstehe Verhandlun­gen so, dass keiner mit einem festgesetz­ten Ergebnis in Verhandlun­gen geht. Wenn dem auf beiden Seiten so ist, dann bin ich optimistis­ch.

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Thüringens Landwirtsc­haftsminis­terin Birgit Keller (Linke) überzeugt sich gern selbst vom Zustand des Waldes. Unser Bild zeigt sie bei einem Termin im Erfurter Steigerwal­d. Foto: Martin Schutt
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