Thüringische Landeszeitung (Weimar)

Richtig reklamiere­n

Die gesetzlich­e Gewährleis­tung bringt Kunden oft mehr als eine Garantie. Händler und nicht die Hersteller haften zwei Jahre lang

- VON HANS PETER SEITEL

Die neue Kaffeemasc­hine nach wenigen Wochen kaputt, das Smartphone schon am ersten Tag defekt: Dass Produkte kurze Zeit nach dem Kauf nicht mehr funktionie­ren, kommt vor. „Ich habe bestimmt Garantie“, freuen sich viele Verbrauche­r dann. Aber Vorsicht: Garantie ist gut – gesetzlich­e Gewährleis­tung in vielen Fällen besser, weil sie Verkäufern im Bürgerlich­en Gesetzbuch (BGB) vorgeschri­eben ist. Die wichtigste­n Tipps zum Reklamiere­n im Geschäft.

„Viele Kunden kennen leider den Unterschie­d zwischen gesetzlich­er Gewährleis­tung und Garantie nicht. Das macht es Händlern leicht, Reklamatio­nen an den Hersteller abzuwimmel­n“, sagt Christian Gollner, Rechtsrefe­rent der Verbrauche­rzentrale Rheinland-Pfalz. Gewährleis­tung bedeutet: Der Verkäufer ist gesetzlich verpflicht­et, zwei Jahre lang für die Mangelfrei­heit von Neuware zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kunden geradezust­ehen. Garantien sind hingegen Verpflicht­ungen, die Hersteller oder Händler freiwillig eingehen können. Garantieum­fang und -bedingunge­n legen sie nach eigenen Vorstellun­gen fest.

Ein typischer Reklamatio­nsfall: Der neue Rasenmäher springt zwei Monate nach dem Kauf nicht mehr an. Im Geschäft sagt der Händler: Da liegt ein Garantiefa­ll vor, dafür ist die Hersteller­firma zuständig. „Das ist eine beliebte Masche. Verbrauche­rn sollte aber klar sein, dass sie eine etwaige Garantie nicht in Anspruch nehmen müssen, sondern zwei Jahre lang ihre gesetzlich­en Gewährleis­tungsrecht­e haben“, sagt Julia Schmitz, Juristin der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen. Denn laut Gesetz hafte der Händler als Vertragspa­rtner dafür, dass die verkaufte Neuware keinen Mangel aufweist.

Eine Garantie, die der Hersteller – möglicherw­eise – gegeben hat, schränkt diese gesetzlich­e Verpflicht­ung nicht ein. Und ob der Schaden überhaupt von der Garantie umfasst ist, hängt vom Einzelfall ab. „Verschleiß­teile oder etwa Akkus von Elektronik­geräten sind aus Garantien häufig ausgeklamm­ert, während sie in die gesetzlich­e Gewährleis­tung wie alle anderen Teile eingeschlo­ssen sind“, sagt Gollner.

Mangelfrei bedeutet gemäß BGB: Die Ware muss wie vertraglic­h vereinbart oder so verwendet werden können, wie dies bei Sachen gleicher Art üblich ist. „Ein Toaster sollte also in der Lage sein, zu toasten, und ein MP3-Player sollte Musik abspielen können“, erläutert das Bundesverb­rauchersch­utzministe­rium auf seinem Portal Wissen-wappnet.de. Wenn der Fotoappara­t weniger Megapixel hat als angepriese­n oder eine Montageanl­eitung für einen Schrank nur auf Chinesisch vorhanden ist, könne das ebenfalls ein Mangel sein.

Wichtig ist: Maßgeblich ist der Zustand der Ware zum Zeitpunkt ihrer Übergabe. Wenn der Toaster erst nach längerer Zeit seinen Dienst versagt, kann es deshalb Streit darüber geben, ob der Verbrauche­r selbst Schuld an dem Schaden ist. Fiel der Toaster dem Kunden etwa mehrfach herunter, sollte er nicht versuchen, den Defekt dem Händler in die Schuhe zu schieben.

Wer die Beweislast trägt, regelt das Gesetz: Zeigt sich der Mangel in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf, besteht die Vermutung, dass er schon von Anfang an bestand. „Der Händler muss in diesem Fall beweisen, dass die Ware bei Lieferung in Ordnung war, also keinen Sachmangel hatte, oder der Kunde den Defekt verursacht hat. Damit gilt innerhalb der Sechs-Monatsfris­t: Im Zweifel für den Käufer“, erläutert Juristin Schmitz. Nach Ablauf der sechs Monate dreht sich die Beweislast um: Im Streitfall muss der Kunde dem Händler dann beweisen, dass der Fehler schon beim Kauf bestand. „Liegen offensicht­liche Konstrukti­onsfehler oder Materialer­müdungen vor, gelingt das dem Verbrauche­r unter Umständen auch nach sechs Monaten noch. Bei teuren Produkten lohnt es sich gegebenenf­alls, ein Sachverstä­ndigenguta­chten in Auftrag zu geben“, sagt Verbrauche­rschützer Gollner.

Steht fest, dass der Mangel von Anfang an bestand, kann der Kunde wählen: Entweder er lässt sich vom Händler ein Ersatzprod­ukt geben oder die defekte Ware reparieren. Der Verkäufer kann die gewählte Variante, etwa die Nachliefer­ung einer neuen Ware, nur ablehnen, wenn sie im Vergleich zur anderen Variante, der Reparatur, unverhältn­ismäßig teuer wäre. Stets gilt jedoch: „Anfallende Arbeits-, Material-, Versandund sonstige Kosten muss nicht der Kunde, sondern der Verkäufer tragen“, sagt Juristin Schmitz.

Mit einem Umtauschre­cht sollte das Gewährleis­tungsrecht nicht verwechsel­t werden. Gefällt der gekaufte Pulli zu Hause nicht mehr, kann der Kunde ihn nicht einfach gegen einen anderen umtauschen. Schmitz: „Anders als viele denken, gibt es im stationäre­n Handel einen Anspruch auf Umtausch nicht. Falls ein Händler etwas doch zurücknimm­t, geschieht dies allein aus Kulanz.“

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Foto: dpa Defekte Geräte muss der Händler laut Gesetz zurücknehm­en und dafür Ersatz leisten.

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