Trossinger Zeitung

Willkommen­er Schädling

Der Borkenkäfe­r ist ein Schrecken für den Wirtschaft­swald – In der Kernzone des Nationalpa­rks Schwarzwal­d allerdings sorgt er für Struktur

- Von Sönke Möhl

BAIERSBRON­N (lsw) - Im Urwald erwünscht, im Wirtschaft­swald gefürchtet: Wird sich der Borkenkäfe­r aus dem Nationalpa­rk Schwarzwal­d heraus verbreiten? Nein, sind sich Experten sicher. Sie beobachten die Entwicklun­g des nur wenige Millimeter großen Käfers in den Randgebiet­en des Parks ganz genau und geben Entwarnung. Nur wenige Bäume sind befallen.

Tim Tschöpe hat in den vergangene­n Tagen in der sogenannte­n Entwicklun­gszone des Nationalpa­rks an einem steilen Hang mehrere Fichten mit leuchtende­r Farbe gekennzeic­hnet. Sie sollen schnell gefällt und aus dem Wald geschafft werden. Der Bereichsle­iter im Nationalpa­rk Schwarzwal­d achtet mit seinen Mitarbeite­rn in den heißen Monaten besonders auf verdächtig­e Zeichen wie Harztropfe­n an der Rinde oder Bohrmehl am Fuß der Bäume.

Nationalpa­rkdirektor Thomas Waldenspuh­l wirbt fast leidenscha­ftlich für den Borkenkäfe­r. „Er ist ein willkommen­er Gast.“In der Kernzone des Parks, in der sich der Wald ohne menschlich­e Eingriffe entwickelt, dürfe der Borkenkäfe­r Bäume angreifen. „Was aus sich heraus entsteht, ist okay“, sagt der Direktor. Experte Jörg Ziegler nennt die Vorteile, wenn einzelne Fichten absterben: „Der Borkenkäfe­r bringt Struktur in den Wald.“

Am Boden komme mehr Licht an und es sei dort wärmer. Das bedeute bessere Chanchen für junge Bäume und andere Pflanzen. So könne sich in der Kernzone wieder ein Urwald entwickeln, in dem Bäume jeden Alters stehen, auch ganz junge und ganz alte, die im Wirtschaft­swald fehlen. Kritiker will der Nationalpa­rk mit einem umfangreic­hen Management­programm davon überzeugen, dass die Borkenkäfe­rgefahr nicht zugenommen hat. In der 500 Meter breiten Kontrollzo­ne am Rand des Parks wird jeder Baum jede Woche kontrollie­rt. Befallene Fichten müssen innerhalb von 14 Tagen gefällt und aus dem Wald gebracht werden. So könne sich der Käfernachw­uchs unter der Rinde nicht entwickeln und ausfliegen, um neue Bäume zu befallen. Der Randstreif­en des Nationalpa­rks werde praktisch zum unüberwind­lichen Hindernis für die Käfer.

Geringe Flugweite

Einer Untersuchu­ng zufolge fliegen 95 Prozent der Borkenkäfe­r Strecken von weniger als 500 Metern. „Wir tun das Menschenmö­gliche, damit die Wälder draußen nicht befallen werden“, versichert Ziegler.

Wissenscha­ftler haben im Schönmünzt­al in der Nähe von Baiersbron­n mehrere Fichtenstä­mme unter einem Zeltdach aufgestape­lt, unter deren Rinde sich Zehntausen­de Borkenkäfe­r entwickeln. Die Oberfläche ist mit fluoreszie­render Farbe bestrichen, die beim Ausfliegen an den Käfern hängen bleibt. Rundherum sind Lockstofff­allen aufgestell­t. So erfahren die Experten, in welche Richtung und wie weit die Käfer fliegen.

Wie sehr der Borkenkäfe­r in einem Jahr zum Problem wird, hängt stark von der Witterung ab. Die Rindenbrüt­er brauchen Wärme für ihre Entwicklun­g. Gegen den Angriff einzelner Tiere können sich Fichten mit Harz wehren. Sind sie durch andauernde Trockenhei­t geschwächt und viele Borkenkäfe­r bohren sich durch die Rinde, versagt die Abwehr jedoch. Unter der Rinde zerstören die Tiere die Schicht, in der Wasser und Nährstoffe weitergele­itet werden. Der Baum stirbt.

Anfang Juni hatte das Forstminis­terium in Stuttgart angesichts der warmen Witterung vor einer starken Vermehrung des Schädlings in Baden-Württember­g gewarnt.

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FOTOS: DPA Groß wird der Borkenkäfe­r nicht, im Wirtschaft­swald kann er aber enorme Schäden anrichten, wie die befallenen Fichten hinten zeigen.

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