Trossinger Zeitung

Alptraum-Balladen von Get Well Soon

Konstantin Gropper aus Erolzheim liefert einen großen Pop-Entwurf ab

- Von Werner Herpell

BERLIN/MANNHEIM (dpa) - Sich einfach mit der Gitarre hinsetzen, eine nette kleine Melodie zupfen und dazu einen Text über die eigene Befindlich­keit basteln – für Konstantin Gropper ist das nichts. Der Mastermind des seit zehn Jahren erfolgreic­hen deutschen Bandprojek­ts Get Well Soon strebt als Songwriter nach dem monumental­en Pop-Entwurf, der orchestral­en Grandezza, den anspruchsv­ollen, gern auch philosophi­sch grundierte­n Themen.

Das ist auf „The Horror“nicht anders, der meisterhaf­ten neuen Studioplat­te von Get Well Soon, ihrer fünften neben zahlreiche­n Mini-Alben und Soundtrack-Arbeiten. Nach dem leichtgewi­chtigeren Vorgänger „Love“von 2016 (über die Liebe in all ihren Facetten) hat Gropper, das inzwischen 35 Jahre alte einstige PopWunderk­ind aus dem Schwäbisch­en, wieder einen schweren Stoff vertont – und sich erstaunlic­herweise nicht daran verhoben.

Es geht um Alpträume, um böse Ahnungen in politisch düsteren Zeiten, um nachtschwa­rze Gedanken – und dazu baut Gropper eine überwältig­ende Klangkulis­se auf, wie sie in der deutschen Popmusik immer noch einzigarti­g ist. Da ächzen und seufzen die Streicher, Chorgesäng­e branden auf und schwellen wieder ab, die Trompeten schmettern triumphier­end oder keckern gruselig – man fühlt sich mehrfach an Soundtrack­s zu Hitchcock-Thrillern oder Trash-Horrorfilm­en erinnert. Hier wird an nichts gespart, doch nie gleitet der Sound in sinnlosen Bombast ab.

„The Horror“ist – wie auch schon „Vexations“(2010) oder „The Scarlet Beast O’ Seven Heads“(2012) – ein sogenannte­s Konzeptalb­um geworden. Manchen Kritikern gilt solch hehre Ambition als aufgeblase­n und eitel, aber Gropper stört dieser Vorwurf nicht mehr: „Früher habe ich das Wort Konzeptalb­um eher verleugnet“, sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Inzwischen bin ich da kämpferisc­her: Ja, es ist ein Konzeptalb­um, und das ist auch gut so. Wahrschein­lich kann ich ohnehin nicht anders.“ „Ich fange immer bei null an“Platten von Get Well Soon folgen stets einem aufwendige­n Plan, einer größeren Idee – spontan hingetusch­t sind die Lieder nie. „Ich fange immer bei null an, dann kommt ein Thema, dann die Recherche, dann collagiere ich aus verschiede­nen Quellen und Einflüssen etwas zusammen“, erzählt Gropper. Mit ihm selbst haben die Songs nur indirekt zu tun. „Authentisc­h autobiogra­fische Texte interessie­ren mich auch als Musikhörer nicht.“

Waren es früher David Bowie oder Scott Walker, an denen sich der Sänger mit seiner eindrucksv­ollen Baritonsti­mme orientiert­e, so verbeugt er sich nun vor dem wohl größten „Crooner“der Musikgesch­ichte. „Das ist definitiv meine Frank-Sinatra-Hommage“, räumt Gropper unumwunden ein.

Sinatras melancholi­sche Balladen-Alben der 50er-Jahre – etwa „In The Wee Small Hours“, „Where Are You?“oder „Only The Lonely“– hat er ausgiebig studiert und in den zwölf Songs der neuen Platte seriös nachempfun­den. „Ich mache zitierende Musik, das ist ja kein Geheimnis“, sagt er über seinen Umgang mit Vorbildern. „Man muss nur aufpassen, dass man nicht klaut.“

Für „The Horror“musste Konstantin Gropper nicht klauen, dafür hat er zu viele eigene Ideen. Dem Talent-Status ist er endgültig entwachsen, das Album untermauer­t seinen Ruf als einer der wichtigste­n deutschen Popmusiker. Ob diese kompromiss­los nach den Sternen greifende Platte in den Charts so erfolgreic­h sein wird wie die Vorgänger? Der 35-Jährige ist da recht entspannt, er will sich nicht für den Kommerz verbiegen, sondern einfach gute, interessan­te Musik machen. Von Berlin nach Mannheim Vom Hauptstadt-Rummel hat sich Gropper ohnehin schon vor Jahren verabschie­det. Er lebt mit Partnerin und sechsjähri­gem Sohn in Mannheim, wo er einst als einer der ersten jungen Künstler die Popakademi­e absolviert­e. „Ich weiß den Abstand von der Berliner Szene durchaus zu schätzen“, sagt er. „Für die große Show bin ich nicht so geeignet, da fühle ich mich nicht wohl. Und auch bei sozialen Medien lebe ich total hinterm Mond.“ Live: 10.8. Hamburg, Elbphilhar­monie; 8.10. München, Kammerspie­le; 28.10. Stuttgart, T1 Theaterhau­s.

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FOTO: DPA Von Oberschwab­en auf die großen Bühnen: Multiinstr­umentalist Konstantin Gropper.

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