Trossinger Zeitung

45 Millionen Euro für Erwin Müller

45 Millionen Euro Schadenser­satz wegen fehlerhaft­er Anlagebera­tung

- Von Ludger Möllers und unseren Agenturen

STUTTGART (AFP) - Das Oberlandes­gericht Stuttgart hat dem Ulmer Drogeriema­rkt-Unternehme­r Erwin Müller bei seiner Schadeners­atzklage gegen die Schweizer Sarasin-Bank wegen fehlerhaft­er Bankberatu­ng recht gegeben. Das Gericht entschied am Freitag, die Privatbank habe ihre Beratungsp­flicht verletzt. Sie soll deshalb fast 45 Millionen Euro plus Zinsen an Müller zurückzahl­en. Rechtskräf­tig ist das Urteil jedoch noch nicht.

STUTTGART/ULM - Die Schweizer Bank Sarasin muss dem Ulmer Drogerie-Unternehme­r Erwin Müller (86) wegen fehlerhaft­er Beratung bei Anlagegesc­häften Schadenser­satz in Höhe von 45 Millionen Euro zahlen. Das Oberlandes­gericht (OLG) Stuttgart wies am Freitag die Berufung der Bank gegen ein Urteil des Landgerich­ts Ulm zurück. Das hatte schon im vergangene­n Jahr entschiede­n, dass Müller das Geld zusteht. Gegen das Urteil ist Revision vor dem Bundesgeri­chtshof möglich. Insgesamt investiert­e Müller 50 Millionen Euro, nur etwa zehn Prozent flossen bis dato zurück.

Der mediensche­ue Erwin Müller, dessen Unternehme­n im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr 2016/17 in über 800 Filialen einen Brutto-Umsatz von 4,3 Milliarden Euro erwirtscha­ftete, ist beim Gerichtste­rmin am Freitag in Stuttgart, anders als bei der mündlichen Verhandlun­g im Juni, nicht persönlich dabei. Seine Anwälte vertreten ihn und teilen ihm am Vormittag mit: Bei dem Geschäft mit dem Drogerie-Unternehme­r hat nach Ansicht der OLG-Richter die Privatbank mit Sitz in Basel ihre Beratungsp­flichten verletzt und Müller unzulängli­ch informiert.

Dass der Vorsitzend­e Richter des fünften Zivilsenat­s, Markus Kittel, Müllers Ansicht teilt, war schon im Juni deutlich geworden: „Die Beklagte hat den Ansprüchen bei ihrer Beratung wohl nicht genügt“, stellten die Richter damals fest. Auf eine rechtliche Bewertung eines derartigen Anlagemode­lls mit mehrfacher Erstattung einer nur einmal abgeführte­n Kapitalert­ragsteuer ging der Senat gar nicht näher ein. Das Urteil am Freitag ist somit keine Überraschu­ng.

Die Bank hatte in der Berufungsv­erhandlung argumentie­rt, dass Müller sehr wohl auf die Risiken seines Anlagegesc­häfts hingewiese­n worden sei. Am Freitag äußert sich das Schweizer Institut zunächst nicht. Ob es in Revision gehen wird, ist derzeit unklar: Dann wäre der Bundesgeri­chtshof am Zug. Umstritten­e Cum-Ex-Geschäfte Der Streit dreht sich um Anteile am Luxemburge­r Sheridan-Fonds, in den Müller rund 50 Millionen Euro gesteckt hatte: Einen Teil der Summe hatte er sich von der Privatbank eigens zu diesem Zwecke geliehen. Über den Fonds sollten mit sogenannte­n Cum-Ex-Transaktio­nen Gewinne erwirtscha­ftet werden: Die Investoren beantragte­n und kassierten mehrfach Erstattung­en auf nur einmal einbehalte­ne Kapitalert­ragssteuer­n. Insgesamt wurde der Fiskus um zwölf Milliarden Euro geschröpft. Um dies künftig zu verhindern, stopfte das Bundesfina­nzminister­ium das Steuerschl­upfloch und stoppte alle derartigen Erstattung­en 2012 grundsätzl­ich. Der SheridanFo­nds brach zusammen, das von Anlegern eingezahlt­e Geld war weg.

Aus Sicht der Richter hat die Bank den Fonds in steuerlich­er und wirtschaft­licher Hinsicht nicht hinreichen­d geprüft, sondern allenfalls „Plausibili­tätserwägu­ngen“angestellt, wo die versproche­nen hohen Erträge herkommen könnten. Zudem habe sie gewusst, dass das Konzept mit den Steuerrück­erstattung­en zweifelhaf­t war, ihren Kunden Müller aber nicht auf Bedenken hingewiese­n.

Auch habe die damalige Hausbank Müller weder darüber aufgeklärt, dass die Erträge des Fonds durch so genanntes Dividenden­stripping erzielt würden, einer Variante des riskanten und steuerrech­tlich umstritten­en Cum-Ex-Geschäfte, noch habe sie ihn darauf hingewiese­n, dass bei der Investitio­n das Risiko eines Totalverlu­sts bestehe.

Im Juni hatte Müller berichtet, Berater der Bank hätten den Fonds als „Allianz versichert“. Für ihn habe dies bedeutet, dass seine Investitio­n in das von Sarasin vertrieben­e Finanzkons­trukt „so sicher war, wie man früher gesagt hätte, wie die Deutsche Bank“. Auch habe er die Allgemeinh­eit nie schädigen wollen. Abgesehen vom Verlust seiner privaten Millioneni­nvestition sei Müller auch ein schwerer Reputation­sschaden entstanden, hatte Müller-Anwalt Eckart Seith hinzugefüg­t.

Der Fall beschäftig­t die Justiz seit Jahren und hat auch noch andere Schauplätz­e. Laut Gericht läuft im Zusammenha­ng mit dem Anlagemode­ll in Köln ein Ermittlung­sverfahren unter anderem gegen einen Mitarbeite­r der Bank Sarasin. Eine Razzia führte die Ermittler Ende 2014 sogar in die Schweiz, wo Geschäftsr­äume durchsucht wurden.

In anderen Fällen hat sich die Bank mit ihren Kunden wie beispielsw­eise dem Finanzunte­rnehmer Carsten Maschmeyer verglichen. Teilweise liegt sie mit ihnen im Clinch. Anders als im Fall Müller sind für einige Streitfäll­e Schweizer Gerichte zuständig. Der Unternehme­r und Sportfunkt­ionär Clemens Tönnies, Miteigentü­mer der Unternehme­nsgruppe Tönnies Lebensmitt­el, klagt vor eidgenössi­schen Gerichten.

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FOTO: DPA Filiale der Drogeriema­rktkette Müller in Ulm: Den Stuttgarte­r Oberlandes­richtern zufolge hat die Schweizer Bank Sarasin Erwin Müller falsch beraten.
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FOTO: DPA Erwin Müller

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