Wertinger Zeitung

Warum im Saarland doch alles anders kam

Der Amtsbonus von Kramp-Karrenbaue­r ist letztlich stärker als der Schulz-Effekt. Oder gibt es sogar eine Gegenreakt­ion?

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Es hatte sich in den letzten Tagen vor der Wahl angedeutet: Der Wille der Saarländer, die beliebte Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r zu behalten, war am Ende doch größer als die Zugkraft von Martin Schulz für die SPD. Doch wie deutlich die Entscheidu­ng für die CDU-Frau ausfiel, war dann doch überrasche­nd. War’s das schon mit dem viel zitierten Schulz-Effekt? Die Union jedenfalls frohlockt: „Alles, was da gesagt wurde, dass der Schulz-Zug nun alles überrollt und alles ändert, das hat sich nicht bewahrheit­et“, sagte der gut gelaunte CDU-Chef von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, gestern. Der Mainzer Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter hält einen Abgesang auf Schulz trotzdem für ein wenig voreilig.

„Es gab ihn ja, den Schulz-Effekt“, sagt Falter im Gespräch mit unserer Zeitung. „Schließlic­h lag die SPD an der Saar viel weiter hinten, bevor der Kanzlerkan­didat gekürt wurde. Es sah ja lange nach einem Desaster für die Partei aus.“Aber es habe sich gezeigt, dass es auch einen Gegeneffek­t gebe. Die CDU habe auf den furiosen Start des Herausford­erers reagiert und ihrerseits ihre Kräfte mobilisier­t. Und dann ist da eben die beliebte Ministerpr­äsidentin Kramp-Karrenbaue­r: „Sie ist intelligen­t, gleichzeit­ig aber nicht auftrumpfe­nd, sondern eher bescheiden – das kommt an im Saarland.“Falter macht zudem einen taktischen Fehler für den Dämpfer inmitten der Schulz-Euphorie verantwort­lich: „Die SPD hätte nicht so forciert und offen Rot-Rot-Grün im Saarland ansteuern sollen.“

Mit dieser Option hatte nicht nur die Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger kokettiert – auch Schulz ließ keine Gelegenhei­t aus, von seinen guten Beziehunge­n zum früheren SPD-Chef und späteren Renegaten Oskar Lafontaine (Linke) zu berichten. Falter ist sicher, dass es der SPD bei den im Mai anstehende­n Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, insbesonde­re aber bei der Bundestags­wahl im September erheblich schaden würde, wenn sie klar auf eine Koalition mit Linken und Grünen setzt.

Auch Kanzlerin Angela Merkel hat das Potenzial dieser für die SPD schwierige­n Konstellat­ion erkannt: Gestern forderte die CDU-Chefin die Sozialdemo­kraten offensiv zur Klärung der Regierungs-Option mit den Linken auf. Nach der Wahl im

„Die SPD hätte nicht so forciert und offen Rot Rot Grün im Saarland ansteuern sollen.“ Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter

Saarland müsse die SPD überlegen, „wie sie ihre Koalitions­aussagen und ihre Aussagen insgesamt findet“, sagte Merkel. „Wir werden dann darauf reagieren.“Das klingt selbstbewu­sst. In der Tat hat sich die Stimmungsl­age in der Union durch den so nicht erwarteten Erfolg spürbar aufgehellt.

Wie zu erwarten war, betont die SPD nun eifrig, das Ergebnis im kleinen Saarland mit gerade einmal 800 000 Wahlberech­tigten lasse kaum Rückschlüs­se auf die nächsten Wahlen zu. Das wiederum klingt spürbar kleinlaute­r als vor dem Wahlsonnta­g. Der Politologe Falter traut der SPD mit Schulz dennoch zu, der Union im September ein enges Rennen zu liefern.

»Leitartike­l Walter Roller erklärt die fünf wichtigste­n Lehren aus der Landtagswa­hl im Saarland »Politik Martin Ferber und Bernhard Junginger beschreibe­n, wie CDU und SPD auf das Wahlergebn­is reagieren. Außerdem: Das ganze Interview mit dem Parteienfo­rscher Falter und ein Blick auf die Wählerwand­erungen

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