Stammzellen retten einer Wertingerin das Leben
Vor fünf Jahren erhielt Sena A. die Diagnose Myelodysplastisches Syndrom, eine gefährliche Knochenmarkserkrankung. Heute gilt die 20-Jährige als geheilt
Die Krankheit schlich sich über Nacht in ihr Leben: Myelodysplastisches Syndrom, abgekürzt MDS. Fünf Jahre sind seit der Diagnose vergangen. Heute ist Sena A., eine junge, hübsche Frau mit einem klaren Ziel vor Augen: „Ich habe voll Lust darauf zu studieren.“Vor Kurzem hat sie die zwölfte Klasse an der Hans-Leipelt-Fachoberschule in Donauwörth beendet. Nun wartet sie sehnsüchtig auf die Prüfungsergebnisse. Wenn sie das Fachabitur in der Tasche hat, will sie sich um ein Studium im Wirtschaftsingenieurwesen bewerben. Die 20-Jährige lacht viel und herzhaft, während sie erzählt. Man sieht kaum die Tränen hinter ihrem ansteckenden Lachen.
Sena A. – ihren Nachnamen möchte sie lieber nicht in der Zeitung lesen – ist etwas passiert, das sie nicht beeinflussen konnte. Eine Krankheit stellte im Februar 2013 ihr Leben von heute auf morgen auf den Kopf. Da besuchte sie gerade die neunte Klasse an der Wertinger Mittelschule, stand vor dem qualifizierenden Abschluss. Im Sport zählte sie zu den Besten, auf dem Bolzplatz spielte sie am liebsten Fußball. „Plötzlich hatte ich keine Kraft mehr, fühlte mich schwach, hatte keine Ausdauer und bekam keine Luft mehr“, erinnert sie sich an die anfänglichen Symptome zurück. Außerdem kämpfte sie mit ständiger Übelkeit. Kurz vor ihrem 15. Geburtstag ging es Sena gar nicht gut. Die besorgten Eltern brachten sie nach Augsburg ins Josefinum. „Ich bekam Tabletten und wurde wieder nach Hause geschickt“, berichtet Sena. Die Faschingsferien verbrachte sie im Bett. Weil sich die Symptome aber immer mehr verstärkten, fuhren ihre Eltern sie zu einem Lungenfacharzt nach Dillingen, der sie gründlich untersuchte und Blut abnahm. Mitten in der Nacht bekam die Familie einen Anruf des Arztes. Sena: „Wir sollten sofort in die Kinderklinik fahren, denn mit meinen Blutwerten stimmte etwas nicht.“
Viele Untersuchungen folgten, zwei Wochen dauerte der erste Klinikaufenthalt. „Ich bekam das Gefühl, dass die Ärzte selbst nicht wussten, was ich eigentlich hatte“, blickt Sena zurück. Dann endlich fanden die Ärzte die Ursache – das MDS. Die Diagnose war ein Schock für die ganze Familie. Vieles ist seither ins Wanken geraten und wird während des Interviews wieder gegenwärtig. Die Erinnerungen an die Zeit vor fünf Jahren spülen wieder dieselben Gefühle – Angst, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Hilflosigkeit – nach oben. Gefühle, die sie alle bisher so noch nicht kannten. Senas Knochenmark produzierte fehlerhafte und nicht voll funktionstüchtige Blutzellen. Ihr Immunsystem war dadurch so gestört, dass es in der Folge zu Blutvergiftungen und anderen Begleiterkrankungen kam. An Schule war nicht mehr zu denken, größere Veranstaltungen sie ebenfalls nicht besuchen. „Ich dachte, dass ich viele Freundinnen habe.“Sena wischt sich mit der Hand über die Augen. Viele haben sich wegen der Krankheit abgewandt. Sie will niemandem einen Vorwurf machen: „Sie konnten einfach nicht damit umgehen“, sagt sie traurig. Der Schmerz über den Verlust ist präsent. Doch dann ist es wieder da, das fröhliche Lachen.
Sena mag das Leben. Sie will nicht über das Sterben grübeln. Dem Tod ist sie vor fünf Jahren von der Schippe gesprungen. Eine Stammzellen-Transplantation hat ihr das Leben gerettet. Die Familie rief damals in ihrer Not im sozialen Netz zur Hilfe auf. Da Patienten meist auf einen Spender gleicher Abstammung angewiesen sind, fand eine Typisierungsaktion bei einer türkischen Veranstaltung in Roggden statt. Außerdem startete die Firma Creaton, bei der Senas Vater arbeitet, eine Betriebstypisierung.
Sena hatte Glück. In den weltweit vernetzten Dateien wurde ein Stammzellenspender gefunden – ein 38-jähriger Mann aus Thailand mit australischen Wurzeln. Am 16. November 2013 kam der Beutel mit den lebensrettenden Stammzellen im Ulmer Klinikum an. Zuvor musste sich Sena einer starken Chemotherapie unterziehen. Dabei wurden die eigenen Stammzellen abgetötet. Danach erhielt Sena die neuen Stammzellen über eine Infudurfte sion. „Mit diesem Tag hat für mich ein neues Leben begonnen.“Den Retter hätte Sena gerne kennengelernt. Zwei Jahre nach der Transplantation ist das möglich. „Ich habe ihm geschrieben, aber leider keine Antwort bekommen“, bedauert die junge Frau.
Nähere Informationen gibt es unter www.dkms.de. Die Hans Leipelt Fach oberschule Donauwörth nimmt regelmä ßig bei Aktionen der „DKMS Leben spenden macht Schule“teil. Alleine aus der FOS und BOS konnten unter 1549 typisierten Schülern bereits 24 Patienten die Chance auf ein neues Leben schen ken. Vor Ort hilft Brigitte Lehenberger als ehrenamtliche Unterstützerin der DKMS, Telefon 08276/1567.