Wenn „Tatkraft“vor der Tür steht
Corona hat bewährte Abläufe unseres Lebens durcheinandergewühlt. Die Pandemie ist eine einzige Irritation. So mag der ein oder andere ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn er beim Discounter zum bewährten Billig-Hack greift. Mancher, der an der Kühltheke eiskalt von Selbstzweifeln befallen wird, denkt sich: Kann der Tönnies nicht besser auf seine Werkvertragsarbeiter aufpassen?
Corona bringt lieb gewonnene Gewohnheiten ins Wanken. Da ist es eine Wohltat, an Verhaltensweisen festzuhalten, ja sie wie das Online-Shopping noch befreiter auszuleben, was in viralen Zeiten moralisch-hygienisch gerade noch vertretbar erscheint: Wenn die Welt im Chaos versinkt, tut es gut, wenigstens im eigenen Bad, der pandemiefreien Wellness-Zentrale, ein Mehr an wohliger Ordnung zu stiften. So sollte es geschehen.
Schnell war der Stier digital bei den Shopping-Hörnern gepackt und der flügellose Wäscheständer „Toro“bestellt, der nur ultraleichte 1,22 Kilo wiegt und bei einer Größe von 89 mal 34 mal 81 Zentimetern sich auf weniger als zwei Zentimeter zusammenklappen lassen soll – ein Raumwunder.
Doch als „Toro“vor der Tür stand, wäre keiner darauf gekommen, jetzt sei der Platzsparer da. Denn angeliefert wurde er in einem voluminösen Pappkarton-Sarg, in den zehn „Toros“gepasst hätten. Die Hoffnung auf entspannten Konsum ohne Gewissensbisse sollte sich erneut nicht erfüllen. Der „Purismus“des Geräts wurde maximal verpackungsorgiastisch konterkariert. Immerhin handelt es sich um ein Produkt „made in Italy“. Die Italiener brauchen ja unsere wirtschaftliche Hilfe. Doch wie kommen die Südländer auf den für Deutsche etwas befremdlichen Markennamen „Tatkraft“und das auch noch in flammend-roter Schrift? Eine Recherche ergibt, dass es von „Tatkraft“auch praktische Toilettenpapierhalterungen für fünf Rollen (eine aktive und vier Reservepackungen) gibt. Die Italiener können jedoch nichts für den sonderbar martialischen Namen. Dessen Spuren führen nach Estland. Dort sitzt das Entwickler-Team von „Tatkraft“. Um nicht wieder – dieses Mal wegen des Namens – in Konsumscham zu verfallen, wird haushaltsintern die Losung ausgegeben, „Tatkraft“im politisch-korrekten Neodeutsch in „Umsetzungskompetenz“umzubenennen. Ob die Esten dem folgen? Corona macht einen wirklich ganz verrückt.