Stars aus Pego
Von den Beatles bis zu Amy Winehouse: Pegoliner Bildhauer Miquel Costa bringt die Stars nach Benidorm
Der Künstler Miquel Costa aus Pego gestaltet weltberühmte Ikonen der Popkultur, aber auch kirchliche Figuren aus Holz, Harz oder Bronze. Ob überlebensgroße Beatles, Marilyn Monroe oder Ami Winehouse – vor dem Hotel Marina in Benidorm sind sie gewaltiger Blickfang.
Am Anfang seiner Arbeit stehen Fotos, viele Fotos. Alle von der jeweils gleichen Person, aber in verschiedensten Positionen, Haltungen und Situationen. „Du musst sie genauestens analysieren, stundenlang, den Blick, das Lachen, ich zähle sogar die Falten“, sagt Miquel Costa. „Schließlich musst du aus diesen Fotos eine Figur schaffen, die lebt, die eine Seele hat.“
So hat er es bei den Beatles gemacht, bei Marilyn Monroe, bei Freddy Mercury und bei Amy Winehouse. Ikonen der Musikund Filmgeschichte, die dank des Pegoliner Bildhauers als über zwei Meter hohe Skulpturen das VierSterne-Hotel Marina mitten in Benidorm zum Besuchermagneten machen – und das nicht nur für die Hotelgäste. Vor allem britische Touristen stehen hier Tag für Tag Schlange, lassen sich neben Freddy Mercury fotografieren, manch einer schaut Marilyn Monroe mehr oder weniger verstohlen unter ihren täuschend echten, vom Winde hochgewehten Rock, an anderer Stelle sorgt Amy Winehouse fürs Selfie-Fieber, und die Beatles flanieren statt über die Abbey Road die Hotelterrasse entlang.
Kunst im Hotel
„Bei den Benidormer Hotels herrscht eine riesige Konkurrenz“, sagt Miquel Costa. Ein Hoteldschungel, in dem das Marina Resort auf Kunst als Attraktion gesetzt hat. „Es ist fast schon ein Museum“, sagt der 45-Jährige, für den das Projekt mit seinen kontinuierlichen Aufträgen ein Glücksfall ist, gab es doch auch Zeiten, wo ihm seine Kunst nicht mehr als einen Hungerlohn bescherte. Trotzdem konnte er nie von ihr lassen. Und wenn man ihn in seiner kleinen Werkstatt in Pego von Formen und Materialien sprechen hört, wenn man ihn über seine halbfertigen Figuren streichen oder ein einfaches Stück Holz oder einen Stein in die Hand nehmen sieht, aber vor allem, wenn man seine fertigen Wer- ke betrachtet, weiß man warum.
Mit 16 entdeckte Miquel Costa seine Liebe dafür, Kunst aus Ton zu schaffen. Mit 21 ging er erstmals nach Italien, wo er unter anderem am Marmorinstitut italienische Techniken der Marmorbear-
beitung kennenlernte, ab 25 Schöne Künste und Bildhauerei an der Kunstakademie von Carrara studierte und nach erfolgreichem Abschluss schließlich trotz guten Jobangebots nach Spanien zurückkehrte. „Ich wollte lieber selbstständig arbeiten“, sagt er, auch wenn ihm in Pego manchmal die Gesellschaft von Künstlern fehlt. „Um sich zu inspirieren, muss ein Künstler unter Künstlern sein“, meint der Familienvater. Die Kontakte nach Italien versucht er daher, trotz Entfernung, aufrechtzuerhalten.
Aus Holz geschnitzte Trauer Ein großer Einschnitt kam für Miquel Costa, als er im Jahr 2000, direkt nach Abschluss seines Studiums, die Thronfigur „Pietat“zum Leben erweckte, die darstellt, wie Maria den am Kreuz gestorbenen Jesus in Empfang nimmt, und die Jahr für Jahr bei Pegos Osterprozession auf den Schultern starker Männer durch die engen Straßen des Ortes wankt. Ein großer Moment für Pegos Gläubige und ein großer Moment für Miquel Costa.
„Die Pietat ist meine wichtigste Skulptur“, sagt er. „Zuvor war ich nur Schüler, aber sie definierte mich endlich als Bildhauer“, sagt er und zeigt ein Foto des Werkes, das in der Ermita de San José zu Hause ist. „Sie ist technisch sehr ausgefeilt und vermittelt sehr viele Gefühle.“Maria hält ihren toten Sohn in den Armen: Tatsächlich gibt es wohl kaum eine Situation, die mehr Emotionen hervorruft. Miquel Costa gelang es, diesen Moment tiefster Traurigkeit in Holz zu verewigen.
Mit der Pietat hatte Pegos Rathaus ihm seinen ersten großen Auftrag gegeben, dem weitere folgten. Der Jaume I. aus Bronze auf der gleichnamigen Plaza zum Beispiel, der Brunnen am Paseo Cervantes und das Wildschwein, das 14 Jahre lang auf dem Marktplatz thronte, aber wegen fehlendem Konsens mit der Stadt schließlich wieder abgebaut wurde. Dazu kamen zahlreiche private Aufträge.
Allen gemein ist der hohe Anspruch. Von Seiten der Auftraggeber, aber auch von Seiten des Künstlers. Die Gesichtsausdrücke, Gesten, Proportionen und Körperhaltung: Bei den Skulpturen Miquel Costas – seien es nun Jesus und Maria oder Amy Winehouse und Freddy Mercury – muss alles stimmig sein, um so viel Realität wie möglich zu schaffen. „Sogar für die Schuhe erstelle ich eine eigene Studie“, sagt er.
Und damit die Stoffe der Kleidung richtig fallen – zum Beispiel das sexy an einer Seite hochgezogene Röckchen von Amy Winehouse, die durch den ausgestreckten Arm hochgehobene Jacke von Freddy Mercury oder das berühmte nach hinten wehende Kleid von Marilyn Monroe – schaue er sich zuvor in Stoffläden Original-Materialien an und modelliere zudem alle Skulpturen zunächst nackt. Nur dann könne er Rock, Jacke, Hose oder Hemd so dem Körper anpassen, wie sie es auch im echten Leben tun würden.
Fast wie im echten Leben, aber aus Eisen statt aus Knochen, erhalten Costas Figuren zunächst ein Skelett. „Das braucht es, damit der Ton nicht in sich zusammenfällt.“Aus Ton modelliert er die Gussform, aus der er die Figur – im Fall der Benidormer Stars mit einer Masse aus Epoxidharz, Marmorstaub und Glasfaser – herstellt. „Für Benidorm muss es eben resis- tent sein“, sagt er. In anderen Fällen arbeitet er mit Bronze und Marmor oder schnitzt aus Holz.
Und dann ist da noch dieser letzte, nicht bei allen, aber bei vielen seiner Skulpturen nötige Arbeitsschritt, dem er jeweils mit et- was Unbehagen entgegensieht. Ohne den Freddy Mercury jedoch das schrille Gelb seiner Jacke fehlen würde, Marilyn Monroes Haare nicht richtig blond wären und die Schrammen und Blutflecken des am Kreuz verstorbenen Christus weniger beeindrucken würden.
„Das Anmalen der Figuren ist sehr schwer. Wenn du da Fehler machst, kannst du alles zerstören.“Bei seinen bisherigen Werken hatte er beim Pinseln aber offenbar eine sichere Hand, und die Farben sind der letzte Schliff, der die Benidorm-Figuren noch ein wenig realer erscheinen lässt.
„Früher glaubte man, die Bildhauer könnten den Personen ewiges Leben verleihen“, sagt Miquel Costa. Und auch wenn die Bildhauer von heute weniger Mystik als damals umgibt: Gerade für den Künstler selbst steckt in diesem Glauben immer noch ein Fünkchen Wahrheit, muss er doch mit seinen Händen das Besondere der dargestellten Person, ihre Gemütslage und ihren Charakter, neu schaffen. „Ihre Seele eben“, betont Miquel Costa noch einmal. Und zwar aus einem toten Stück Holz, Ton oder Stein. Das sei, so Costa, der Unterschied zu einem einfachen Objekt. „Damit es Kunst ist, muss es Gefühle vermitteln. Freude, Traurigkeit, Angst.“
Zum Beweis zeigt er auf eine im Vergleich zu Amy und Co winzig kleine Figur auf einem der Regale in seiner Werkstatt. „Das ist Don Quijote mit seinen Büchern – in dem Moment, in dem er gerade verrückt wird“, erklärt der Künstler. Und ja, tatsächlich, man sieht dem kleinen Quijote seine Gefühlslage an.
Schwere körperliche Arbeit
Als sein großes Idol nennt Miquel Costa den französischen Bildhauer Auguste Rodin, dessen 100. Todestag in diesem Jahr gefeiert wird. „Er ist für mich wie ein Lehrer, ich habe seine Werke genauestens studiert und sehr viel von ihm gelernt.“Wobei der Pegoliner im Laufe seines Lernprozesses am eigenen Leib erfuhr, dass Bildhauerei nicht nur Kreativität und psychischen Einsatz fordert. „Es ist auch schwerste körperliche Arbeit. Aber wenn das Werk fertig ist, weißt du, dass sich der Einsatz gelohnt hat.“
Ein Einsatz, bei dem das Gefühl für Zeit und Ort entschwindet und bei dem er sich oft selbst zwingen muss, das Werk als fertig abzuhaken. „Man könnte immer noch hier und da etwas perfektionieren, daher muss man irgendwann den Moment finden, wo es genug ist.“Um sich anschließend neuen Aufgaben zu widmen.
Zurzeit arbeitet er zum Beispiel an einer zweiten Version von Amy Winehouse für seine private Kollektion – auch, um vielleicht irgendwann mal eine Ausstellung organisieren zu können. „Bisher hatte ich dafür noch keine Zeit, da alle Werke direkt verkauft wurden“, sagt er. Wer wiederum der nächste Star ist, den er für das Hotel Marina zum Leben erweckt, das möchte Miquel Costa noch nicht verraten.
„Damit es Kunst ist, muss es Gefühle vermitteln. Freude, Traurigkeit, Angst“