Auf Luthers Spur
Protestanten feiern in Spanien 500 Jahre Reformation
Den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers nutzten die Protestanten in Spanien, um auf ihre Benachteiligung aufmerksam zu machen. Mit 1,5 Millionen Gläubigen stellen sie die größte christliche Minderheit. Doch noch gibt es viel zu tun. Angesichts der traditionell starken Position der katholischen Kirche, bleiben manche Forderungen der evangelischen Gläubigen auch heute unerfüllt.
Noch unter Franco war der Katholizismus Staatsreligion. Und jahr- hundertelang hatte die Inquisition die Protestanten in Spanien erbittert verfolgt. Ab 1520 gelangten die Ideen der Reformation druckfrisch an die spanischen Küsten. Bis zur Anerkennung war es ein weiter Weg.
Am 31. Oktober 1517 hat der sächsische Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) die 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen. Er prangerte die Missstände der Kirche an und leitete ihre Reformation und schließlich Spaltung ein. Ein friedliches Unternehmen sollte das nicht sein. Besonders schwer hatten es Reformation und Protestantismus im katholischen Spanien. Der Katholizismus wurde von der Inquisition bis ins 19. Jahrhundert und vom Diktator Franco noch im 20. Jahrhundert als die einzige Konfession der Spanier verteidigt. Heute wird die Zahl der Protestanten in Spanien auf 1,5 Millionen geschätzt. „Doch noch ist viel zu tun“, sagt Mariano Blázquez Burgo, Vorsitzender des Verbandes Evangelischer Religionsgemeinschaften in Spanien (Ferede). Die Protestanten versuchten erfolglos, dass der 31. Oktober zum Feiertag erklärt werde. „Nicht mal eine Gedenkbriefmarke haben wir bekommen“, klagt Pedro Tarquis, der das Online-Medium „Protestantedigital“herausgibt. Der 500. Jahrestag der Reformation in diesem Jahr war eine große Chance, um auf die Rechte der Protestanten aufmerksam zu machen. Ein Jahr lang wurden Kongresse, Ausstellungen und Konzerte im ganzen Land zum Gedenken an Martin Luther – Martín Lutero im Spanischen – und seiner Reformation veranstaltet. „Wir werben um Verständnis, Toleranz und Eintracht“, sagte Blázquez nach der Audienz bei König Felipe VI. im Juli. Es sei Zeit, das Ghetto, in das das Franco-Regime die evangelische Kirche gesteckt hat, zu verlassen, lautete eine der Schlussfolgerungen auf dem Kongress in Madrid. Gedenkakte fanden rund um den Reformationstag statt, viele Ausstellungen sind noch bis in den Januar hinein zu sehen (siehe Kasten Seite 31).
Immerhin bilden rund 1,5 Millionen Protestanten nach den 32,5 Millionen Katholiken die zweitstärkste christliche Glaubensgemeinschaft in Spanien. 500.000 Protestanten besuchen regelmäßig den Gottesdienst. Auf 800.000 bis eine Million wird die Zahl der Protestanten aus der EU, aus Lateinamerika, Asien und Afrika geschätzt, die in Spanien leben und nicht praktizieren. Die Angaben finden sich im „Informe anual sobre la situación de la libertad religiosa en España 2015“des Justizministeriums. Gegenüber zehn Millionen praktizierenden Katholiken sind die evangelischen Gläubigen eine klare Minderheit. Aufgeführt werden 3.600 evangelische Gotteshäuser, das entspricht zwölf Prozent aller Kirchen und 57 Prozent der Gebetsräume religiöser Minderheiten, zu denen natürlich auch die zwei Millionen Moslems mit rund 1.500 Moscheen gehören.
Im Register religiöser Einrichtungen, das ebenfalls das Justizministerium führt, waren 2015 rund 2.400 evangelische Einrichtungen aufgeführt. 1.400 gehörten zum Verband Ferede. Dessen Pressesprecher, Jorge Fernández, hebt hervor, dass Ferede alle protestantischen Strömungen aufnimmt und niemand diskriminiert werde. „Wir müssen alle zusammenarbeiten.“Starke Mitglieder sind die Iglesia Evangélica Española (IEE), zu der auch die deutschsprachigen evangelischen Gemeinden in Madrid, an der Costa del Sol und der Costa Blanca gehören. Und die Iglesia Española Reformada Episcopal (IERE).
Dass es heute eine halbe Million praktizierende Protestanten in Spanien gibt, ist der unermüdlichen Arbeit der Kirchen zu verdanken. Zwar hatten 1939 schon 30.000 Protestanten in Spanien gelebt, doch während der FrancoDiktatur wurden sie unterdrückt. Erst auf Drängen des Vatikans konnte 1967 ein erstes Gesetz über Religionsfreiheit verabschiedet werden. Ein Jahr später wurde in Barcelona die Iglesia Reformada Presbiteriana als erste nicht katholische Kirche Spaniens anerkannt.
Nach dem Ende der Diktatur hat die Verfassung von 1978 in Artikel 16 Religionsfreiheit garantiert und festgelegt, dass es keine Staatsreligion gibt. Der Staat achtet den religiösen Glauben der spanischen Gesellschaft und hält die entsprechende Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche und den anderen Konfessionen aufrecht. Schon 1979 unterzeichnete der Staat ein Kooperationsabkommen mit der katholischen Kirche, das vom Außenministerium mit dem Vatikan-Staat verhandelt wurde.
1982 begannen Gespräche zwischen dem für Kooperationsabkommen mit religiösen Minderheiten zuständigen Justizministerium und protestantischen Verbänden. Der heutige Verband Ferede ging 1986 aus einer Vorgängerorganisation als verbindlicher Ansprechpartner hervor. 1992 konnten schließlich drei Kooperationsabkommen mit religiösen Minderheiten unterzeichnet werden. Erst da waren Protestanten, Juden und Moslems den Katholiken in Spanien gleichgestellt. Die Realität sieht allerdings bis heute anders aus, wie aus dem Informe 2015 hervorgeht.
Staatsbegräbnisse finden im katholischen Ritus statt, in Krankenhäusern findet sich katholische Seelsorge, der Öffentliche Rundfunk vergibt kaum Lizenzen an evangelische Gemeinschaften, die Einkommensteuererklärungen haben ein Kästchen, um mit 0,7 Prozent der Steuern die katholische Kirche oder aber andere zu begünstigen. Wenn jede andere große Religion ein Kästchen hätte, wäre für mehr Aufmerksamkeit und Gleichstellung gesorgt, so Blázquez. Das Nationale Strafgericht hat 2016 entschieden, das sei ein exklusives Privileg katholischer Bischöfe.
Kommunen haben kein Bauland für Kirchen in Städten oder geben keine Lizenzen. „Vielen
500.000 Protestanten besuchen regelmäßig in Spanien den Gottesdienst