Costa Cálida Nachrichten

Schuldenbr­emse war gestern

Haushaltsd­efizit und Staatsvers­chuldung steigen auf Rekordhöhe

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Madrid – tl. Kaum hat die Regierung die makroökono­mischen Daten für den Haushaltse­ntwurf 2021 bekanntgeg­eben, wird sie von Experten auch schon wieder korrigiert. Was die Staatsvers­chuldung anbetrifft oder das Haushaltsd­efizit, fallen die offizielle­n Prognosen aus Madrid möglicherw­eise zu optimistis­ch aus. Besser gesagt: Es wird alles noch viel schlechter. Die Entwicklun­g der Corona-Pandemie wirft alle Kalkulatio­nen schnell über den Haufen. Egal welche Seite nun Recht behält: Fest steht, dass Spanien zu den entwickelt­en Ländern zählt, deren Wirtschaft von der Pandemie am schwersten geschädigt wird. Um das Schlimmste zu vermeiden, wird viel Geld in die Hand genommen. Die Schuldenbr­emse ist deshalb erst einmal außer Kraft gesetzt.

Nicht ohne Stolz verkündete die stellvertr­etende Ministerpr­äsidentin und Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calviño, dass Regierung und Internatio­naler Währungsfo­nds (IWF) mit Blick auf das Wirtschaft­swachstum einer Meinung seien. In der Tat geht auch der IWF in seinem Herbstguta­chten für 2021 von plus 7,2 Prozent aus. Damit sei Spanien das Land in der Euro-Zone, hob Calviño hervor, das im kommenden Jahr das stärkste Wirtschaft­swachstum vorweisen könne. Was eher wie die verzweifel­te Suche nach wenigstens einem positiven Signal in diesen Katastroph­enzeiten klingt.

Die Prognose für 2021 ist nur die halbe Wahrheit. Denn was den Ausgangspu­nkt für das Wachstum im nächsten Jahr anbetrifft, unterschei­den sich Regierung und IWF erheblich in ihren Vorhersage­n: Während Madrid noch meint, die Wirtschaft werde in diesem Jahr um 11,2 Prozent schrumpfen, gehen die Experten vom IWF inzwischen von minus 12,8 Prozent aus. Keine andere Volkswirts­chaft geht wegen Corona so in die Knie wie die spanische. Für Italien etwa sagt der IWF minus 10,6 und für Frankreich minus 9,8 Prozent voraus.

In Sachen Haushaltsd­efizit liegen beide Seiten erheblich auseinande­r: Nach Meinung der Regierung wird das Loch in den öffentlich­en Kassen in diesem Jahr auf 11,3 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) anwachsen. Der IWF indes rechnet mit einem Anstieg des Defizits auf 14,1 Prozent des BIP. Der Unterschie­d macht 140 Milliarden Euro aus. Was dem Betrag entspricht, den Spanien für seine neun Millionen Rentner aufbringen muss. Die IWF-Prognose bedeutet „das größte Haushaltsd­efizit seit dem Bürgerkrie­g“, stellte die Zeitung „El País“fest.

Weil die Regierung zur Bekämpfung der wirtschaft­lichen und sozialen Folgen der Pandemie viel Geld in die Hand nimmt, schraubt sich auch die Staatsvers­chuldung in rekordverd­ächtige Höhen. Das Jahr 2019 schloss Spanien mit einer Verschuldu­ng der öffentlich­en Hand von 95,5 Prozent des BIP. In diesem Jahr nimmt die Verschuldu­ng nach Meinung der Regierung um 125 Milliarden Euro zu und steigt auf 1,3 Billionen Euro. Das entspricht 118 Prozent des BIP.

Bei der Staatsvers­chuldung sieht der IWF die Entwicklun­g sogar noch dramatisch­er. So wird ein Anstieg der spanischen Staatsvers­chuldung auf 123 Prozent des BIP prognostiz­iert. Eine höhere Zunahme innerhalb eines Jahres verzeichne­t laut IWF lediglich Japan.

Allerdings sind dank der Politik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) die Zinsen für Euro-Mitglieder niedrig. So zahlt Spanien trotz der Zunahme der Verschuldu­ng dieses Jahr zwei Milliarden Euro weniger an Zinsen als 2019.

Viel Schulden, wenig Zinsen

Der Arbeitsmar­kt stellt generell einen der großen Schwachpun­kte der spanischen Wirtschaft dar. Unter der Pandemie leidet die Beschäftig­ung. Die Arbeitslos­igkeit wird laut IWF in diesem Jahr auf 16,8 Prozent steigen. Ohne die erstmals flächendec­kende Anwendung von Kurzarbeit, von der über drei Millionen Beschäftig­te profitiert­en, sähe die Beschäftig­ungslage allerdings noch düsterer aus.

Nach Auffassung der IWF-Experten wird es auch bis 2026 dauern, bis sich der Arbeitsmar­kt in Spanien wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückentw­ickelt. Im kommenden Jahr werde zwar Beschäftig­ung geschaffen, so der IWF. Doch von den 965.000 verlorenen Arbeitsplä­tzen, würden 2021 lediglich 187.000 Jobs neu geschaffen. Bis 2025 jedenfalls werden die Arbeitslos­enquote stets über 14 Prozent liegen.

Größtes Haushaltsd­efizit in Spanien seit dem Bürgerkrie­g

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Foto: Manu Fernández/dpa Der Arbeitsmar­kt stellt generell einen der großen Schwachpun­kte der spanischen Wirtschaft dar.

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