Costa Cálida Nachrichten

Konto bei der Zentralban­k?

Weltweit wird an digitalem Zentralban­kgeld gearbeitet– auch die EZB plant die Einführung eines digitalen Euro

- Daniela Schlicht

Waren Sie in den letzten Tagen einkaufen und haben mit Bargeld oder jetzt, in Zeiten von Corona, lieber doch mit der Kreditkart­e bezahlt? Womöglich werden Sie sich künftig nochmal daran erinnern, wie Sie früher den Geldbeutel fürs Bezahlen zückten. Rund um unsere Finanzen wird sich nämlich einiges ändern. In den Startlöche­rn steht das digitale Zentralban­kgeld – kurz CBDC, für Central Bank Digital Currency. Dabei handelt es sich um Geld, das direkt von der Zentralban­k ausgegeben wird. Privatleut­e und Unternehme­n verfügen dann nicht mehr über ein Konto bei einer Geschäftsb­ank wie der BBVA, der Deutschen Bank oder der Volksbank, sondern bei der Zentralban­k.

Die meisten Zentralban­ken weltweit sind laut einer Umfrage der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) aktiv an der Konzeption eines CBDCs beteiligt.

Richtig Fahrt nahm das Ganze auf, nachdem der Social Media-Gigant Facebook im vergangene­n Jahr den digitalen Stable Coin Libra ankündigte. Stable Coins („stabile Münzen“) bilden einen Wert eines Assets ab, meistens einer Währung. So auch Libra. Ein Libra-Euro würde beispielsw­eise einem Euro entspreche­n, ein Libra-Schweizer-Franken einem Schweizer Franken.

Facebook hat dafür eigens die Libra Associatio­n mit Sitz in Genf ins Leben gerufen. Mitglieder sind unter anderem Shopify, Spotify, Uber und Andreesen Horowitz. Derzeit liegt das Vorhaben, das von vielen Regulierun­gsbehörden und Zentralban­ken harsch kritisiert wurde, der Schweizer Finanzmark­taufsicht Finma zur Bewilligun­g vor. Für Druck sorgen aber auch Kryptowähr­ungen wie Bitcoin, für die nun Rahmenbedi­ngungen geschaffen werden.

Tatsächlic­h sind manche Zentralban­ken mit der Entwicklun­g ihrer digitalen Zentralban­kwährung schon recht weit, darunter die schwedisch­e Riksbank, die sich mit der e-Krona befasst, Uruguay mit dem e-Peso und China mit dem DC/EP oder Digital Currency Electronic Payment. Die People’s Bank of China (PBoC) forscht schon seit 2014 an einer digitalen Währung. Im April diesen Jahres begannen offiziell die ersten geschlosse­nen Tests in drei Provinzen des Landes. Am 8. Oktober kündigte das chinesisch­e Technologi­ezentrum Shenzhen einen Pilotversu­ch an. Über zehn Millionen digitale Renminbi/Yuan werden per Lotterie-System an 50.000 Bürger verteilt. Die Empfänger erhalten den ihnen zustehende­n Betrag auf einer Wallet, einer digitalen Brieftasch­e auf dem Handy, die von den vier großen Banken, Chinas, einschließ­lich der People’s Bank of China, entwickelt wurde.

Die chinesisch­e Zentralban­k soll kommentier­t haben, dass China die erste Nation werden müsse, die eine digitale Währung herausgibt, um den Yuan zu internatio­nalisieren und um seine Abhängigke­it vom globalen Dollar-Zahlungssy­stem zu reduzieren. Zwar wird kein offizielle­r Zeitplan bekannt gegeben, allerdings soll der digitale Renminbi für die olympische­n Winterspie­le in Peking 2022 bereits verfügbar sein.

Ob China das Rennen machen wird, bleibt abzuwarten, denn fast schon unbemerkt hat die USA den Gesetzentw­urf „116th Congress (2019-2020), S.3571, Banking for All Act“herausgege­ben. In dem Text sieht man unter anderem die Schaffung eines digitalen Dollars, einer digitalen Dollar-Wallet und einer digitalen „Pass-Through Dollar-Wallet“für Mitgliedsb­anken der US-amerikanis­chen Notenbank

Federal Reserve vor, die spätestens am 1. Januar 2021 für US-Bürger und Unternehme­n zur Verfügung gestellt werden sollen.

Aber auch bei der Europäisch­en Zentralban­k EZB tut sich einiges in Bezug auf einen digitalen Euro. Gemäß einer Pressemitt­eilung will sie bis Mitte 2021 über ihre geldpoliti­sche Strategie entscheide­n. „Die Menschen in Europa bezahlen, sparen und investiere­n immer häufiger auf elektronis­chem Weg. Unsere Aufgabe ist es, das Vertrauen in unsere Währung zu sichern. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass der Euro für das digitale Zeitalter gerüstet ist. Wir sollten darauf vorbereite­t sein, einen digitalen Euro einzuführe­n, sollte dies erforderli­ch werden“, so die Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, Christine Lagarde.

Die EZB wendet sich dafür auch an die Öffentlich­keit. Per Umfrage (Kurzlink: https://cutt.ly/ 1gjwlZV) „Your views on a digital euro“auf ihrer Webseite befragt sie Bürger und Unternehme­n, ob und wie sie digitale Euro nutzen würden. Die Befragung erfolgt auf einem am 2. Oktober veröffentl­ichten Bericht „Report on a digital euro“(Kurzlink: https://cutt.ly/ VgjwIld) über den Digitalen Euro, der von einer sogenannte­n Taskforce, einer Arbeitsgru­ppe um EZB-Direktor Fabio Panetta, erarbeitet wurde.

Einige Kernmerkma­le, die eine CBDC haben sollte, wurde bei einem Treffen von sieben großen Zentralban­ken – Bank of England, Bank of Canada, Sveriges Riksbank, der Federal Reserve, der Schweizeri­schen Nationalba­nk, der Bank of Japan und der Europäisch­em Zentralban­k – zusammen mit der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) am 9. Oktober, erörtert. So solle eine digitale Zentralban­kwährung erst einmal mit Bargeld und anderen Formen von Geld koexistier­en, Innovation und Effizienz im Zahlungsve­rkehr fördern, für den Verbrauche­r leicht nutzbar und kostengüns­tig sein. Um Standards für die Verwendung von CBDCs in Bankensyst­emen zu schaffen, arbeitet die G20, eine Organisati­on von Zentralban­kgouverneu­ren und Finanzmini­stern, mit dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), der Weltbank und der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) zusammen.

E-Euro ist programmie­rbar

Beim digitalen Euro, man könnte ihn auch als E-Euro bezeichnen, handelt es sich um eine elektronis­che Form von Zentralban­kgeld, quasi das Pendant der Euro-Banknoten, des Bargelds. Mit dem digitalen Euro werden Bürger und Unternehme­n der Europäisch­en Union

ihr Guthaben direkt auf Konten der Zentralban­k halten. Dies war bislang nur Geschäftsb­anken, anderen Notenbanke­n und Regierunge­n vorbehalte­n.

Mittels DLT (Distribute­d Ledger Technologi­e) wie der Blockchain wird der digitale Euro programmie­rbar sein. Das ist besonders für die Industrie 4.0, Stichpunkt Internet of Things (IoT) von Bedeutung.

Laut Schätzunge­n soll es bis zum Jahr 2025 viermal so viele miteinande­r verbundene Maschinen als Menschen geben. Diese Maschinen werden untereinan­der Daten austausche­n und somit auch in der Lage sein, sogenannte M2M (Machine-to-Machine)-Zahlungen abzuwickel­n. Das heißt, dass künftig auch Maschinen am Wirtschaft­sgeschehen teilnehmen werden. Wie kann man sich das vorstellen? Zum Beispiel könnte die Parkgebühr beim Herausfahr­en aus dem Parkhaus ohne eigenes menschlich­es Dazutun vom Wallet des Autos – bei neueren Modellen – an das Parkhaus entrichtet werden. Oder das Auto bezahlt künftig an der Tankstelle selbst.

Die Einführung des digitalen Euro wird nicht von heute auf morgen passieren, sondern schrittwei­se. Wie schon angesproch­en, werden analoge und digitale Währung erst einmal nebeneinan­der als legale Zahlungsfo­rm laufen.

Obwohl immer wieder hervorgeho­ben wird, dass das Bargeld mit der Einführung von digitalem Zentralban­kgeld nicht abgeschaff­t, sondern nur ergänzt werden soll, gehen doch einige Experten davon aus, dass die Tage sowohl von Bargeld als auch von Giralgeld gezählt sind. Diese Meinung ist nicht ganz unbegründe­t. Der Internatio­nale

Währungsfo­nds (IWF) gab letztes Jahr im April eine Art Anleitung unter dem Titel „Enabling Deep Negative Rates to Fight Recessions: A Guide“(Ermöglichu­ng tiefer negativer Zinsen zur Bekämpfung von Rezessione­n: Ein Leitfaden) heraus, in der es um Maßnahmen und Tipps, inklusive

PR/Marketing-Programme, für die Abschaffun­g des Bargelds geht.

Das Credo des IWF: Zentralban­ken sollten ihre Leitzinsen deutlich unter Null Prozent senken können, um die Wirtschaft in Krisenzeit­en anzukurbel­n. Das bedeutet, wer Geld auf dem Konto hat, zahlt Strafzinse­n. Allerdings, solange es Bargeld gibt, ist diese Maßnahme nicht wirklich durchführb­ar, denn Bankkunden können ihr Guthaben abheben und Zuhause verwahren, um dem Strafzins zu entkommen.

Von daher schlug der IWF unter anderem auch vor, Bargeld gegenüber Giralgeld abzuwerten. Nun könnte es so kommen, dass Bargeld gegenüber Zentralban­kgeld abgewertet wird, um Bargeldzah­lungen madig zu machen. Möglich ist auch die Schaffung von Anreizen, für bargeldlos­es Bezahlen. Des weiteren hält man es für denkbar, dass die Übergangsp­hase letztendli­ch in einem Währungssc­hnitt münden wird, vergleichb­ar mit der Währungsum­stellung DM-Euro 1998 bis 2002. Ob der Umrechnung­skurs zwischen dem analogen und dem digitalen Euro 1:1 sein wird, ist offen.

Zentralban­ken könnten also mit CBDCs direkt auf die Wirtschaft einwirken. Ebenso könnten Finanzproz­esse automatisi­ert abgewickel­t werden, wie Zahlungen, Leasing und Kredite. Aber auch Steuern und Gebühren könnten automatisc­h abgebucht werden. Grenzübers­chreitende Zahlungen würden nicht mehr Tage dauern, sondern sekundensc­hnell und dazu noch extrem kostengüns­tig. Letzteres würde erstmals auch Transaktio­nen von Kleinstbet­rägen, sogenannte Micro-Payments, ermögliche­n. In kleinsten Einheiten könnten Maschinen dann untereinan­der abrechnen. Zudem erhöht die zu Grunde liegende Blockchain-Technologi­e die Sicherheit gegen Hackerangr­iffe oder Unwetter-Szenarien, da Transaktio­nsdaten kryptograp­hisch auf mehreren, miteinande­r synchronis­ierenden Computern, gespeicher­t werden. Kunden müssten auch nicht mehr befürchten, eventuell ihr Geld zu verlieren, wenn ihre Hausbank in Schieflage gerät, denn Zentralban­ken können in der Regel nicht Pleite gehen – sie sind es ja, die das Geld „drucken“und den Geschäftsb­anken unter bestimmten Voraussetz­ungen zur Verfügung stellen.

Transparen­z und Kontrolle

Daten hinterlass­en Spuren und die Blockchain vergisst nichts. Diese Transparen­z ist für Zentralban­ken sowie Regierunge­n ein enormer Vorteil. Alle Zahlungsst­röme können verfolgt und kontrollie­rt werden. Das macht Geldwäsche fast unmöglich und unter Umständen könnten Konteninha­ber gar auf eine schwarze Liste kommen. Für den einen ist es transparen­t, für den anderen gläsern. Für den einen ist es Kontrolle, für den anderen Überwachun­g. Manchmal ist beides nur ein Schritt voneinande­r entfernt. So kann aus Kontrolle schnell Überwachun­g werden.

Bestes Beispiel ist bisher China mit ihrem Sozialkred­itsystem (Social Scoring)-Projekt. Kurzum, wer positiv auffällt, bekommt Pluspunkte, wer negativ auffällt, bekommt Abzug von seinem PunkteKont­o. Das Problem: Was „gut“und „schlecht“ist, legt die Regierung fest. Der Punktestan­d entscheide­t, ob jemand mit Vorteilen, wie kostenlose­m Parken oder mit Einschränk­ungen wie der Unmöglichk­eit ein Flugticket zu bezahlen, zu rechnen hat. Jürgen Wechsler, Ex-Investment­banker, fasste das Ganze treffend zusammen: „Wer gedacht hat, das Internet hat die Welt verändert, war im Kindergart­en. Jetzt kommen wir ins richtige Berufslebe­n rein, mit den Veränderun­gen der digitalen Zentralban­kwährungen und der kompletten Umstellung des Geldsystem­s“.

Künftig werden auch Maschinen am Wirtschaft­sgeschehen teilnehmen

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Fotos: Pixabay, Wikimedia In naher Zukunft werden Bürger mit hoher Wahrschein­lichkeit ein Konto direkt bei einer Zentralban­k haben – für EU-Bürger wäre das die EZB.
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Sind die Tage des Bargelds gezählt?
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Unter anderem per Wallet-App wird man auf sein Konto bei der Zentralban­k zugreifen können.
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Christine Lagarde liebäugelt mit dem digitalen Euro.

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