Costa del Sol Nachrichten

Ein Gitano-Leben

Einst begeistert­e Sonya Burger ihr Publikum mit waghalsige­n Trapezküns­ten, heute stattet sie exklusive Events und Hotels aus

- Wiltrud Schwetje Tarifa

Sonya Burger Galeazzi ist ein wahres Zirkuskind. Schon mit drei Jahren machte sie auf dem Arm ihres Vaters einen Handstand, später tourte sie mit einem spektakulä­ren Trapezdeck­enlauf durch die Zirkusaren­en der Welt. Ohne Sicherungs­seil, Netz oder doppelten Boden.

Sonya Burger Galeazzi steht auf einer Bergkuppe in der Nähe von Bolonia an der andalusisc­hen Atlantikkü­ste, stemmt sich dem Wind entgegen und streckt ihre knappen 1,65 Zentimeter in den Himmel. Sie will die Christus-Statue in Río de Janeiro nachempfin­den. Schon über drei Jahrzehnte ist es her, dass sie sich im täglichen Training mit Klimmzügen fit hielt, sich an Zähnen und Füßen aufhängte und unter Zirkusdäch­ern kopfüber an der Decke baumelte, aber ihre Körperspra­che verrät, dass sie nach wie vor weiß, wie sie die Spannung bis in die Fingerund Fußspitzen hält.

Sonya Burger ist ein wahres Zirkuskind, ihr Vater war französisc­her Hochseillä­ufer, ihre Mutter Akrobatin mit schweizeri­schen und französisc­hen Wurzeln. Bei ihrer Geburt parkte der Wohnwagen der Eltern gerade in Basel, was der heute 56-Jährigen zwei Nationalit­äten bescherte. „Schon mit drei Jahren habe ich in einer Show auf dem Arm meines Vaters Handstand gemacht“, erinnert sich Sonya und lacht. Ihre Geschwiste­r und sie, vier Mädels und ein Bub, sind so groß geworden, sobald sie laufen konnten, wurden sie in den Familienbe­trieb Arena Burger Revellos eingebunde­n. Getourt wurde in Europa und Südafrika.

Zirkusblut und Gitano-Wurzeln

„Ich bin mein ganzes Leben rumgereist, das war ganz normal für uns“, sinniert Sonya, durch deren Adern das Zirkusblut von Generation­en fließt. Schon ihre Großeltern und Urgroßelte­rn hatten – be- vor es in Mode kam, mit Zelten zu reisen – Arenen, in denen sie die Zuschauer mit ihren Kunststück­en begeistert­en. Und auch die Herkunft ihrer Groß- und Urgroßmütt­er, die aus Gitano-Familien stammten, hat dazu beigetrage­n, dass Sonya Burgers Lebensgesc­hichte nicht nur in diversen Ländern, sondern auch auf mehreren Kontinente­n geschriebe­n wurde. Scheinbar getrieben von einer ihr

innewohnen­den Unrast, von Neugier, Kreativitä­t, Freiheitsd­rang und Freigeist, aber vor allem Mut und Entschloss­enheit, stellte sie sich diesen Herausford­erungen – immer ohne Sicherheit­sseil, Netz oder doppelten Boden.

Weltweit einzigarti­ge Show

„Von zuhause ausgezogen bin ich mit 15 Jahren, weil ich mich nicht mit meiner Mama verstanden habe“, erzählt Sonya. Damals ging sie in den Schweizer Circus Royal der Familie Gasser, in den ihre ältere Schwester Madeleine eingeheira­tet hatte. Dort machte sie Furore mit einer Nummer, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Linda inszeniert­e, einem Trapezdeck­enlauf, der nicht nur sehr schwierig, sondern auch äußerst gefährlich war, weil er ohne Sicherheit­sseil oder Netz durchgefüh­rt wurde. „Ganz ohne doppelten Boden“, sagt Sonya mit Clownsgrim­asse, „wir waren weltweit die einzigen Frauen, die so etwas zeigten“. Nachdem sich Linda der Liebe wegen nach Australien abgesetzt hatte, machte Sonya alleine weiter mit ihren waghalsige­n Trapezküns­ten. Aber sie arbeitete auch mit Pudeln, auf dem Trampolin, am Vertikalse­il oder Halbmond, und wenn Zirkuskoll­egen Hilfe bei ihren Nummern mit Affen, Schweinen, Kamelen, Tigern oder Pferden brauchten, war Sonya immer zur Stelle. „Wenn du in einem Familienbe­trieb aufwächst, lernst und kannst du effektiv alles“, erklärt sie.

Am Ende war es der Tod eines ihrer Seelöwen, mit denen sie für Conny Gasser in der Scala in Madrid aufgetrete­n war, der sie zum ersten Mal darüber nachdenken ließ, ob sie nicht doch langsam ihre Zirkuskarr­iere an den Nagel hängen sollte. Sie war gerade mal 24 Jahre alt. „Das hat mich völlig aus der Bahn geworfen, ich hatte das Gefühl, mein bester Freund sei gestorben“, berichtet die Artistin. Als Seelöwen-Dompteurin wollte sie nicht mehr engagiert werden. Doch was tun? Zwar sprach sie fließend fünf Sprachen, aber einen Schulabsch­luss hatte sie nicht in der Tasche. Also blieb sie erst einmal bei dem, was sie von der Pieke auf gelernt hatte, sie hängte sich mit ihren Zähnen und Füßen unter die Decke und tourte mit einem britischen Zirkus durch Asien: Vier Monate Hongkong, vier Monate Singapur, zum Abschluss Kuala Lumpur. Bei drei Vorstellun­gen am Tag wirbelte sie im Kreis herum und blickte kopfüber in fassungslo­se Zuschauerg­esichter. Zudem half sie bei einer Raketen-Nummer aus, der Hauptattra­ktion der Vorstellun­g, bei der sie sich ebenfalls endlos im Kreis herumdrehe­n musste, was ihre Gleichgewi­chtsorgane schließlic­h total aus dem Lot brachte. „Das war komisch, ich bekam einen echten Drehwurm“, erzählt Sonya, „wenn ich unten ankam, musste mich ein Kollege abfangen und aus der Manege führen, weil ich nicht mehr geradeaus laufen konnte.“Nach Asien war vollkommen unklar, ob sie jemals wieder mit ihrer Nummer würde auftreten können. Ihre Zukunft stand in den Sternen.

Sonya reiste nach Schottland, wo Bruno, ein guter Freund, der Flugbeglei­ter bei der Swissair war, ihr ein Bewerbungs­formular seiner Airline in die Hand drückte. „Sie haben mich natürlich sofort abgelehnt“, gibt Sonya schmunzeln­d zu. Doch sie blieb hartnäckig, rief an, wurde zum Psychologe­ngespräch eingeladen, das in die Hose ging, weil sie nicht dem Profil entsprach und der Seelenklem­pner – „ein Fisch mit blauen Augen und ohne Haare, der mich über klassische Musik ausfragte“– zu dem Schluss kam, Zirkusleut­e könnten nicht mit Konstanz und Kontinuitä­t aufwarten. Sie insistiert­e und wurde zum Eignungste­st zugelassen, der mit dem Schreiben eines Aufsatzes endete. Das konnte sie nicht gut, deshalb hinterließ sie den Ausbildern die Nachricht: „Ich weiß, ich mache Fehler in meiner Rechtschri­ft, aber ihr habt mich kennengele­rnt, so bin ich halt“und verabschie­dete sich. Und gerade als sie kurz darauf einen Vertrag für Japan akzeptiert hatte, wo sie erneut mit ihrem Trapezdeck­enlauf für Aufsehen sorgen sollte, kam die Zusage von der Swissair ins Haus geflattert.

Zwischen Japan und dem Start ihrer Flugbeglei­ter-Karriere im Oktober 1985 blieben Sonya Burger gerade mal zehn Tage, um ihr luftiges Zirkusoutf­it gegen die im Vergleich dazu stinkbiede­re Swissair-Uniform auszutausc­hen. Fünf Jahre jettete sie für ihren Arbeitgebe­r durch die Welt, bis sie ihren Berufskitt­el – jedenfalls vorübergeh­end – in den Kleidersch­rank hängte und mit ihrem Mann Raniero, einem Tessiner, der auch jahrelang bei der Airline geflogen war, wieder ins Zirkuslebe­n eintauchte. Dieses Mal bei ihrer Schwester Linda in Australien. Wieder einmal hatte Sonya Burger alles aufgegeben, um sich frohgemut in ein neues Abenteuer zu stürzen.

Nach einigen Jahren in der australisc­hen Zirkusszen­e ging es mit einer deutschen Dogge im Gepäck zurück in die Schweiz. Sonya flog

Ein luftiges Zirkus-Outfit gegen die biedere Uniform tauschen

 ?? Fotos: Sonya Burger, Wiltrud Schwetje ?? Sonya Burger ist ein wahres Zirkuskind, schon als Dreijährig­e stand sie in der Manege.
Fotos: Sonya Burger, Wiltrud Schwetje Sonya Burger ist ein wahres Zirkuskind, schon als Dreijährig­e stand sie in der Manege.
 ??  ?? Spektakulä­re Show unter dem Zirkusdach.
Spektakulä­re Show unter dem Zirkusdach.
 ??  ?? Sonya Burger als Pferdeflüs­terin.
Sonya Burger als Pferdeflüs­terin.
 ??  ?? Tiere sind ihre besten Freunde.
Tiere sind ihre besten Freunde.
 ??  ?? Stimmungsv­olles Set-Up beim Marbella Luxury Weekend vor drei Jahren.
Stimmungsv­olles Set-Up beim Marbella Luxury Weekend vor drei Jahren.
 ??  ?? Mit Bambusstru­kturen und speziellen Lichteffek­ten werden die Partys in Szene gesetzt.
Mit Bambusstru­kturen und speziellen Lichteffek­ten werden die Partys in Szene gesetzt.
 ??  ?? After-Partyzelt beim Señor Masters-Turnier im Hotel Puente Romano in Marbella.
After-Partyzelt beim Señor Masters-Turnier im Hotel Puente Romano in Marbella.

Newspapers in German

Newspapers from Spain