Die Vor- und Nachteile
Die Wahl des Lebensmittelpunktes will wegen der rechtlichen Folgen gut überlegt sein – Folge 5
Wegen der vielen Rechtsfolgen, die an Ihren persönlichen Lebensmittelpunkt geknüpft sind, hier nun eine kleine Übersicht über die wichtigsten Vorteile und Nachteile des Lebensmittelpunktes in Deutschland oder in Spanien. Vorteile des Lebensmittelpunkts in Deutschland:
unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland, wichtig für Rentensteuer, Kinder- und Altersfreibeträge, Erbschaftssteuer.
Anteilige Erstattungsmöglichkeit von spanischen Privatarztrechnungen durch Ihre deutsche gesetzliche Krankenkasse
Automatische Anwendung deutscher Rechtsregeln und deutschen Erbrechts.
Autozulassung in Deutsch- land. Nachteile des Lebensmittelpunkts in Deutschland:
Nur Anspruch auf kostenlose „sofort notwendige Behandlung“(Basisbehandlung) im Krankheitsfall (mit Ihrer deutschen Gesundheitskarte mit EHIC-Aufdruck) durch spanische Ärzte und Kliniken im staatlichen Gesundheitsdienst.
Behördliche Zustellungen, Zahlungsfristen, Vorladungen sind an Ihre deutsche Anschrift wirksam, auch wenn Sie wegen Abwesenheit keine Kenntnis davon haben können. Vorteile des Lebensmittelpunkts in Spanien:
Recht auf volle und für Sie kostenlose Heilbehandlung im Krankheitsfall durch den staatlichen Gesundheitsdienst mit der „Tarjeta Sanitaria“.
Bei Bedürftigkeit nach zehn Jahren Anspruch auf die spanische Mindestrente.
Ermäßigungen bei Reisen von den spanischen Inseln zum spanischen Festland. Nachteile des Lebensmittelpunktes in Spanien:
Verlust des Rechts, Privatarztrechnungen bei der deutschen Krankenkasse einzureichen.
Wer ab 2015 erstmals eine deutsche Rente bezogen hat, ist in Spanien und in Deutschland steuerpflichtig.
Geltung des spanischen Erbrechts, wenn im Testament nicht ausdrücklich deutsches Recht gewählt wurde.
Spanische Autozulassung. Nun einige Fallbeispiele: Die Zweitwohnung in Deutschland: Die Eheleute Müller aus Oldenburg verbringen ihren Lebensabend in einem Haus in Calpe. Im Sommer leben sie für die drei heißen Monate bei den Kindern in Oldenburg. Gemeldet sind sie nur in Oldenburg.
Hier ist ganz klar der Lebensmittelpunkt Spanien. Also ist auch der juristische Wohnsitz Spanien. Anders könnten die Dinge allenfalls liegen, wenn Herr Müller in Deutschland zum Beispiel regelmäßig auch außerhalb des Sommers im Kirchenvorstand seiner deutschen Kirchgemeinde oder im Stadtrat mitwirkt und dazu häufig nach Oldenburg reist.
Die Eheleute Müller müssten außerdem die spanischen Vorschriften beachten: Empadronamiento und Ausländerregistrierung binnen drei Monaten. In der Praxis verfahren viele Residenten so, wie das Ehepaar Müller aus Oldenburg. Nicht selten behalten sie auch eine eigene Wohnung in Deutschland bei.
So glauben sie, die Regelungen überlistet zu haben und einen deutschen Lebensmittelpunkt zu besitzen. Das ändert aber rechtlich gesehen gar nichts, wenn es einmal darauf ankommt: bei zurückgewiesenen Privatarztrechnungen durch ihre Krankenversicherung, bei Steuernachforderungen des spanischen Staates, beim Erbfall....
Manche Residenten haben keine Wohnung in Deutschland mehr und „vergessen“ihre Abmeldung und behalten so der Form nach ihren deutschen Wohnsitz. In Spanien melden sie sich weder bei der Gemeinde noch beim Ausländeramt an und wollen dort als Touristen gelten.
Auch das nützt ihnen letztlich nichts. Außerdem ist es ungesetzlich: Es ist juristisch betrachtet nach dem deutschen Meldegesetz eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld von bis zu 1.000 Euro geahndet werden kann. Lebensmittelpunkt bei einer Scheinwohnung in Deutschland: Eine Scheinwohnung bei den Kindern in Deutschland ist eine häufige, aber doch nur eine scheinbare Lösung. Wenn die örtliche Meldebehörde in Deutschland die Meldung dafür akzeptiert, bleibt es dennoch dabei, dass letztlich der Lebensmittelpunkt in Spanien liegt. Die Hälfte des Jahres in Spanien: Fallbeispiel: Das Ehepaar Becker aus Rostock besitzt in Bochum eine Mietwohnung. Nach dem Ruhestand hat es ein Apartement bei Marbella in Spanien erworben. Es verbringt etwa ein halbes Jahr in Spanien und ein halbes Jahr in Deutschland.
Auch dies ist ein typischer Fall, aber leider gibt es hier keine klare Antwort. Hier hilft auch die 183- Tage-Regel nicht weiter. Es kommt auf andere Umstände an, zum Beispiel, wo das Ehepaar steuerlich veranlagt wird, wo seine Familienangehörigen leben, welche Beziehungen zu ihnen bestehen usw.
Die Europäische Kommission hat in einem Leitfaden zur Bestimmung des Wohnsitzes aus dem Jahr 2013 in einem ähnlichen Fall angenommen, dass der Wohnort Deutschland ist, wenn das Arbeitsleben in Deutschland verbracht wurde und auch in Deutschland Wohneigentum besteht. In unserem Fall ist es eine Mietwohnung – da wollte die EU-Kommission sich nicht festlegen.
Das bedeutet für Sie: Unklarheiten gehen nicht zu Ihren Lasten – Sie haben große Aussichten, in solch einem Fall den Lebensmittelpunkt in Deutschland anerkannt zu bekommen. Nächste Woche: Anmelden in Spanien in fünf Schritten.