Costa del Sol Nachrichten

Keine Spur von Staatsräso­n

Null Bock auf Einheit: Regierung und Opposition ziehen weder bei Justizrat noch bei Corona an einem Strang

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Madrid – sk. Langweilig­er kann Politik wirklich nicht sein: Die beiden großen, alten und nur auf ihre eigene Pfründe bedachten Parteien PP und PSOE ringen darum, ob und wie der Oberste Justizrat neu besetzt werden soll. Derweil tobt draußen eine Pandemie, treibt Menschen in Not, macht Kulturstäd­te dicht und bringt dem Land wohl bald Sperrstund­en. Wen interessie­rt da ein Gremium, das als Regierung der Richter gilt?

Ganz aber lässt sich ein Zusammenha­ng nicht leugnen. Das kindliche Verhalten der beiden großen Parteien schließt jede Kooperatio­n aus. Sie bocken, sie blockieren, sie gönnen einander nichts und von diesem Konfrontat­ionskurs bringt sie keine Pandemie, kein Notstand in Madrid, ja noch nicht einmal die Abriegelun­g Navarras ab. Seifenoper-Politiker.

Konfrontat­ion statt Einheit

An einem Strang können PP und PSOE nicht ziehen. Der von Vox lancierte fünfte Misstrauen­santrag der Demokratie mag sich auch als heiße Luft entpuppen, aber einige der Vorwürfe sind nicht von der Hand zu weisen – das Land steht in der zweiten Welle wieder schlechter da als der Rest Europas. Einer von mehreren Gründen dafür ist, dass Sozialiste­n und PP einander torpediere­n – wie eben in der Hauptstadt Madrid. Der Mangel an Einheit mündet in ein Chaos in der Gesundheit­spolitik, die ja den Regionen anvertraut ist.

Was hat dies mit dem Justizrat zu tun? In Ausnahmesi­tuationen kann Einheit zur politische­n Verpflicht­ung werden. Der Consejo del Poder Judicial ist ein von der Verfassung garantiert­es Kontrollor­gan der Gerichte. Das lässt man nicht jahrelang kommissari­sch im Amt lungern. Damit demonstrie­rt die Politik nur, wie wenig ihr an der Unabhängig­keit der Gerichte liegt. Was hat dies mit der Eindämmung­spolitik

von Corona zu tun?

Wenn es hart auf hart kommt, kann eine Angela Merkel die Bevölkerun­g bitten, „bleiben Sie zu Hause“, und darauf vertrauen, mit dem Appell eine gewisse Wirkung zu erzielen. Pedro Sánchez kann das nicht. Die Staatsräso­n, dass eine Notlage wie diese eine Einheit von Politik und Bürgerscha­ft erforderli­ch macht, hat sich in Spanien nicht bis nach oben durchsetzt­en können – man findet wohl diese Seriosität in einigen Regionalre­gierungen verschiede­ner politische­r Couleur etwa in Valencia, Galicien, Andalusien oder Kastilien León.

„El guapo“bittet sein Volk nicht, sondern verbietet oder erlässt Verordnung­en: Man könnte meinen, dieser Mangel an Vertrauen spiegle die Sorge wider, das Volk könnte reagieren wie seine Politiker. Die Folge: Nicht nur die Politik agiert völlig losgelöst von den Alltagspro­blemen der Bevölkerun­g, bei der wiederum das Verständni­s

und das Interesse für die Grabenkämp­fe tagtäglich sinkt. Es entstehen zwei eigene Welten.

Bedenklich wird das, wenn demokratis­che Grundsätze wie die Gewaltente­ilung sich zersetzen und es keinen juckt. Die Mission des Consejo General del Poder Judicial (CGPJ) ist, über die Unabhängig­keit der Gerichte und Richter

zu wachen. Das Gremium aus Juristen und Richter übt Einfluss aus, wer an welche Gerichte entsandt wird – es ist eine Art Verwaltung oder Regierung der Judikative. Ihr steht seit 2018 Carlos Lesmes Serrano vor, der als konservati­v geltende Vorsitzend­e Richter des Obersten Gerichts und einer der einflussre­ichsten Juristen des konservati­ven Flügels. Den Vorstoß der Linkskoali­tion, per Beschluss eine absolute Mehrheit für die Neubesetzu­ng des Gremiums zu erzwingen und damit seine Zusammense­tzung zu beeinfluss­en, stieß sowohl in der EU als auch im CGJP auf Kritik – zu Recht. Die Gerichte brauchen weniger Einfluss der Politik, nicht mehr. Nicht weniger unverschäm­t ist die Haltung der Volksparte­i, jede Zusammenar­beit mit der Begründung abzulehnen, Podemos dürfe keinerlei Einfluss auf die Institutio­nen ausüben. Geht es noch? Podemos sitzt in der Regierung.

Neue Bewegung brachte die PP schließlic­h am Montag in die verfahrene Situation mit dem Vorschlag, zurückzuke­hren zu der Regelung von vor 1986. Damals bestimmte die Richtersch­aft selbst die 15 Mitglieder des Organs. So bliebe die Unabhängig­keit gewahrt und die Politik außen vor. Vielleicht kein schlechter Weg.

Mission des Obersten Justizrate­s: Wahrung der Unabhängig­keit der Gerichte

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Foto: dpa Politik als Duell: Pedro Sánchez stellt sich dem Misstrauen­santrag von Vox.

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